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  • Verweisung und Abgabe
    Welche gebührenrechtlichen Folgen haben Verweisung und Abgabe?
    von RiLG Dr. Julia Bettina Onderka, Bonn
    Der gebührenrechtliche Rechtszug bestimmt sich nach § 20 RVG, der weitgehend § 14 Abs. 1 BRAGO übernimmt. Ausgeklammert wurden die Regelungen über die Nichtzulassungsbechwerde (§ 14 Abs. 2 S. 1 BRAGO) und die sonstigen Rechtsmittelzulassungsverfahren (§ 14 Abs. 2 S. 2 BRAGO), die sich jetzt in § 17 Nr. 9 und § 16 Nr. 13 RVG finden (dazu unten, S. 174). Da der Anwalt gemäß § 15 Abs. 2 RVG die Gebühren in jedem Rechtszug nur einmal erhält, stellt sich die Frage, wann in den Fällen der Verweisung und Abgabe ein einheitlicher gebührenrechtlicher Rechtszug vorliegt und wann die Gebühren mehrfach verlangt werden können. Der Beitrag gibt Ihnen dazu einen Überblick.
    Maßgeblich ist § 20 RVG
    § 20 RVG regelt zwei Fälle der Verweisung bzw. Abgabe: Wird der Rechtsstreit innerhalb der gleichen Instanz verwiesen (§ 20 S. 1 RVG), verbleibt es bei § 15 Abs. 2 RVG. Der Anwalt erhält die Gebühren in derselben Angelegenheit in jedem Rechtszug nur einmal.
    Dagegen ist das weitere Verfahren nach Verweisung an ein Gericht eines niedrigeren Rechtszugs (§ 20 S. 2 RVG) gebührenrechtlich ein neuer Rechtszug. Der Anwalt kann auch bereits entstandene Gebühren erneut verlangen, wenn er die entsprechenden Gebührentatbestände erfüllt.
    Verweisung innerhalb der gleichen Instanz (§ 20 S. 1 RVG)
    § 20 S. 1 RVG erfasst die Fälle, in denen das Verfahren nach der Verweisung zwar bei einem anderen Gericht, aber in derselben Instanz anhängig ist. Solche Verweisungen sind innerhalb der gleichen Gerichtsbarkeit oder zu einer anderen Gerichtsbarkeit möglich:
  • Innerhalb der gleichen Gerichtsbarkeit können sie auf Grund der örtlichen, sachlichen oder funktionellen Unzuständigkeit des zunächst angerufenen Gerichts erforderlich werden.
  • Zu einer anderen Gerichtsbarkeit erfolgt die Verweisung, wenn für die fragliche Streitigkeit ein anderer Rechtsweg eröffnet ist und die Entscheidungskompetenz nach § 17 Abs. 2 GVG nicht eingreift. Der Rechtsstreit wird nach § 17a Abs. 2 GVG (i.V. mit § 173 VwGO, § 155 FGO, § 202 SGG, § 48 ArbGG) an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtszugs verwiesen.
    Der Anwalt kann die Gebühren nur einmal fordern
    Das Verfahren vor und nach der Verweisung ist als ein Rechtszug anzusehen, was zur Folge hat, dass der Anwalt die Gebühren nur einmal fordern kann (§ 15 Abs. 2 S. 2 RVG). Das gilt auch, wenn der Gebührentatbestand sowohl vor dem verweisenden als auch vor dem übernehmenden Gericht erfüllt wurde. Die bereits entstandenen Gebühren können nicht ein weiteres Mal verlangt werden, wenn derselbe Anwalt tätig bleibt und der Gebührentatbestand bereits abgeschlossen war.
    Beispiel 1: Verschiedene Gerichtsbarkeiten, aber nur ein Rechtszug
    A erhebt Klage vor dem ArbG Köln, das den Rechtsstreit nach § 17a Abs. 2 GVG i.V. mit § 48 ArbGG an das LG Köln verweist. Dieses verweist den Rechtsstreit nach § 281 Abs. 1 ZPO wegen örtlicher Unzuständigkeit an das LG Bonn. Dort gibt die Zivilkammer auf Antrag des Beklagten den Rechtsstreit gemäß § 98 Abs. 1 GVG an die Kammer für Handelssachen ab, die nach mündlicher Verhandlung ein Urteil erlässt. Welche Gebühren kann Rechtsanwalt R des A bei einem Streitwert von 15.000 EUR abrechnen?
    Lösung: R kann folgende Gebühren abrechnen:
    1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG 735,80 EUR
    1,2 Terminsgebühr Nr. 3104 VV RVG 679,20 EUR
    Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
      1.435,00 EUR
    Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG, 16 Prozent 229,60 EUR
      1.664,60 EUR
    Obwohl das Verfahren vor verschiedenen Gerichten anhängig war, fällt die Verfahrensgebühr nur einmal an, weil die Verfahren als ein Rechtszug gelten.
    Tritt im Verfahren vor dem übernehmenden Gericht ein anderer Anwalt auf, kann dieser vom Mandanten die angefallenen Gebühren unabhängig davon verlangen, welche Gebührentatbestände im Verfahren vor der Verweisung bereits entstanden sind. Die Gebührenproblematik wird damit aber nur auf eine andere Ebene verlagert: In erstattungsrechtlicher Hinsicht ist zu prüfen, ob der Anwaltswechsel nach Verweisung notwendig und die dadurch verursachten Mehrkosten vom Gegner zu ersetzen sind.
    Einspruch nach Versäumnisurteil: Unterschied zur BRAGO
    Ein Unterschied zur BRAGO ergibt sich bei Verweisung des Rechtsstreits nach Einspruch gegen ein Versäumnisurteil: Nach § 38 Abs. 2 BRAGO konnte die Gebühr für die Verhandlung, auf die das Versäumnisurteil ergangen war, neben der Gebühr für die Verhandlung über den Einspruch besonders verlangt werden und zwar auch, wenn das Verfahren nach Einspruch an ein anderes (zuständiges) Gericht verwiesen wurde, was gebührenrechtlich denselben Rechtszug darstellt. Das RVG und das Vergütungsverzeichnis (VV) kennen keine solche Sondervorschrift mehr, so dass der Anwalt jetzt trotz der Teilnahme an mehreren Verhandlungsterminen nur die Terminsgebühr aus Nr. 3104 VV RVG erhält, weil es sich gebührenrechtlich um denselben Rechtszug handelt.
    Beispiel 2: Verweisung nach Einspruch gegen Versäumnisurteil
    A erhebt gegen B Klage über 10.000 EUR. In der mündlichen Verhandlung ergeht ein Versäumnisurteil. Nach Einspruch des B wird der Rechtsstreit an das örtlich zuständige Gericht verwiesen. Dieses weist nach mündlicher Verhandlung und Beweisaufnahme die Klage unter Aufhebung des Versäumnisurteils ab. Welche Gebühren kann der Anwalt R des A abrechnen?
    Abrechnung nach BRAGO  
    10/10-Prozessgebühr § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO 486,00 EUR
    5/10-Verhandlungsgebühr § 33 Abs. 1 S. 1 BRAGO 243,00 EUR
    10/10-Verhandlungsgebühr § 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO 486,00 EUR
    10/10-Beweisgebühr § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO 486,00 EUR
    Auslagenpauschale, § 26 BRAGO 20,00 EUR
      1.721,00 EUR
    Umsatzsteuer, § 25 BRAGO, 16 Prozent 275,36 EUR
      1.996,36 EUR
    Abrechnung nach RVG  
    1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG 631,80 EUR
    1,2 Terminsgebühr Nr. 3104 VV RVG 583,20 EUR
    Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
      1.235,00 EUR
    Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG, 16 Prozent 197,60 EUR
      1.432,60 EUR
    Die Gebühr nach Nrn. 3104, 3105 VV RVG kann R nicht verlangen, weil das RVG nicht anordnet, dass er die Verhandlungsgebühr nach Einspruch besonders erhält. Damit gilt die grundsätzliche Regelung des § 20 S. 1 RVG, dass das Verfahren nach der Verweisung derselbe Rechtszug ist.
    Änderung der Gebührenvorschriften
    Wird die Anwaltstätigkeit nach Verweisung nach anderen Gebührenvorschriften vergütet, bleiben die entstandenen Gebühren erhalten. Denn angefallene Gebühren können nicht nachträglich entfallen (§ 15 Abs. 4 RVG). Die noch nicht angefallenen Gebühren entstehen nach den geltenden Vorschriften. Erfüllt der Anwalt den Gebührentatbestand sowohl vor als auch nach der Verweisung, erfolgt eine differenzierte Berechnung:
  • Andere Gebührenart: Die Verweisung kann einen Wechsel der Gebührenart mit sich bringen, wenn z.B. ein Verfahren von den Sozialgerichten (Betragsrahmengebühren) an die ordentlichen Gerichte (Wertgebühren) oder umgekehrt erfolgt. Bei einer Verweisung von der ordentlichen Gerichtsbarkeit an ein Sozialgericht bleiben dem Anwalt die bereits verdienten Gebühren der Höhe nach erhalten. Für die weiteren Gebühren ist zu prüfen, inwiefern innerhalb des Betragsrahmens im konkreten Fall noch Anlass für eine Erhöhung besteht. Denn da die beiden Verfahren als derselbe Rechtszug gelten, kann der Anwalt insgesamt nur die angemessene Gebühr (§ 14 Abs. 1 RVG) aus den jeweiligen Betragsrahmen geltend machen.
    Beispiel 3: Verweisung vom AG zum Sozialgericht
    R erhebt im Auftrag des A Klage über 1.500 EUR vor dem AG. Dieses verweist das Verfahren vor der mündlichen Verhandlung an das Sozialgericht. Dort wird mündlich verhandelt. Welche Gebühren kann R bei einer durchschnittlichen Angelegenheit abrechnen?
    Lösung: Vor dem AG ist eine Verfahrensgebühr von 1,3 nach Nr. 3100 VV RVG aus 1.500 EUR entstanden. Diese 136,50 EUR bleiben R erhalten. Die Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG für das Verfahren vor dem Sozialgericht berechnet sich aus dem Gebührenrahmen von 40 bis 460 EUR abzüglich des entstandenen Gebührenanspruchs. R kann daher noch eine Verfahrensgebühr aus Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 113,50 EUR (Mittelgebühr von 250 EUR abzüglich 136,50 EUR) geltend machen. Die Terminsgebühr fällt erstmals vor dem Sozialgericht an und berechnet sich aus dem Rahmen gemäß Nr. 3106 VV RVG.
    1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG 136,50 EUR
    Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG unter Berücksichtigung der bereits entstandenen Verfahrensgebühr 113,50 EUR
    Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 200,00 EUR
    Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
      470,00 EUR
    Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG, 16 Prozent 75,20 EUR
      545,20 EUR
    Auch bei einer Verweisung vom Sozialgericht an ein Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit bleiben dem Anwalt die einmal entstandenen Gebühren der Höhe nach erhalten. Für die weiteren Gebühren ist die entsprechende Differenz zu berechnen, da es sich insgesamt nur um einen gebührenrechtlichen Rechtszug handelt.
    Beispiel 4: Verweisung vom Sozialgericht zum AG
    R erhebt im Auftrag des A Klage vor dem Sozialgericht. Es ist die Mittelgebühr anzusetzen. Vor der Verhandlung wird der Rechtsstreit an das LG (Streitwert: 15.000 EUR) verwiesen, wo mündlich verhandelt wird. Für das Verfahren vor dem Sozialgericht ist eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG von 250 EUR entstanden. Die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG für das weitere Verfahren vor dem LG kann daher nur noch in Höhe von 485,80 EUR (735,80 EUR minus 250 EUR) geltend gemacht werden. Die Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG fällt erstmals vor dem LG und damit in voller Höhe an. Welche Gebühren kann R abrechnen?
    Lösung: R kann folgende Gebühren abrechnen:
    Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 250,00 EUR
    1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG unter Berücksichtigung der bereits entstandenen Verfahrensgebühr 485,80 EUR
    1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG 679,20 EUR
    Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
      1.435,00 EUR
    Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG 229,60 EUR
      1.664,60 EUR
    Die entstandenen Gebühren bleiben dem Anwalt der Höhe nach auch erhalten, wenn dies im Einzelfall dazu führt, dass die nach Teil 3 Abschnitt 1 VV RVG vorgesehenen Wertgebühren überschritten werden.
    Beispiel 5: Ûberschreiten der WertgebÏhren
    R klagt für A vor dem Sozialgericht. Für das Verfahren ist die Höchstgebühr anzusetzen. Im Termin wird der Rechtsstreit an das AG verwiesen (Streitwert: 5.000 EUR), das nach mündlicher Verhandlung entscheidet. Für das sozialgerichtliche Verfahren ist eine Verfahrensgebühr von 460 EUR nach Nr. 3102 VV RVG und eine Terminsgebühr von 380 EUR nach Nr. 3106 VV RVG entstanden. R kann die 840 EUR wegen § 15 Abs. 4 RVG verlangen, obwohl im Verfahren vor dem AG nur Gebühren von 752,50 EUR (Verfahrens- und Terminsgebühr von insgesamt 2,5 aus 5.000 EUR) entstehen konnten.
  • Anderer Betragsrahmen: Soweit sich der Betragsrahmen der Gebühren nach der Verweisung erhöht, werden die entstandenen Gebühren um die Differenz des jeweiligen Gebührenrahmens angemessen erhöht.
    Beispiel 6: Verweisung führt zu einem anderen Betragsrahmen
    A wird vor dem Schöffengericht angeklagt. Im Laufe der Hauptverhandlung wird das Verfahren nach § 270 Abs. 1 StPO an das Schwurgericht verwiesen. Welche Gebühren kann der Anwalt R des A bei einer insgesamt durchschnittlichen Angelegenheit abrechnen?
    Lösung: Für das Verfahren vor dem Schöffengericht ist eine Verfahrensgebühr nach Nr. 4106 VV RVG von 140 EUR und eine Terminsgebühr nach Nr. 4108 VV RVG von 230 EUR (Mittelgebühren) entstanden. Die Verfahrensgebühr Nr. 4118 VV RVG für das Verfahren vor dem Schwurgericht kann nur noch in Höhe von 190 EUR geltend gemacht werden (Mittelgebühr von 330 EUR abzüglich 140 EUR). Hinsichtlich der Terminsgebühr für das Verfahren vor dem Schwurgericht kann die Gebühr nach Nr. 4120 VV RVG für den ersten Tag der Hauptverhandlung in Höhe von 215 EUR (Mittelgebühr von 445 EUR abzüglich 230 EUR) geltend gemacht werden; für die weiteren Hauptverhandlungstage aus dem Rahmen der Nr. 4120 VV RVG.
    Soweit sich der Betragsrahmen nach der Verweisung verringert, bleiben die bereits entstandenen Gebühren erhalten. Dies gilt auch, wenn sie die im Verfahren vor dem übernehmenden Gericht anfallenden Gebühren überschreiten. Denn entscheidend für den Gebührenanspruch ist nicht, vor welchem Gericht das Verfahren in materiell-rechtlicher Hinsicht richtigerweise hätte geführt werden müssen, sondern vor welchem Gericht der Anwalt tatsächlich tätig geworden ist.
  • Anderer Gebührensatz: Eine Änderung des Gebührensatzes auf Grund Verweisung kann z.B. vorkommen, wenn ein Verwaltungsgericht (VG) den Rechtsstreit an das erstinstanzlich nach §§ 47, 48 VwGO zuständige Oberverwaltungsgericht (OVG) verweist. Auch in diesem Fall gilt, dass nach § 15 Abs. 4 RVG die einmal entstandenen Gebühren dem Anwalt verbleiben. Soweit ein bereits erfüllter Gebührentatbestand nach der Verweisung nochmals erfüllt wird, kann die betreffende Gebühr nur noch in Höhe der Differenz geltend gemacht werden.
    Beispiel 7
    A erhebt Drittanfechtungsklage beim VG gegen die Genehmigung einer Anlage i.S. von §§ 7, 9a Abs. 3 AtomG. Das VG verweist den Rechtsstreit nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 VwGO an das zuständige OVG. Im Verfahren vor dem VG ist eine Verfahrensgebühr von 1,3 nach Nr. 3100 VV RVG entstanden. Nach der Verweisung kann die Verfahrensgebühr nach Nr. 3302 VV RVG für das Verfahren vor dem OVG daher nur noch in Höhe von 0,3 geltend gemacht werden.
    Verweisung in einen niedrigeren Rechtszug (§ 20 S. 2 RVG)
    § 20 S. 2 RVG erfasst Fälle, in denen das erstinstanzliche Gericht fälschlicherweise seine Zuständigkeit bejaht und im Verfahren vor dem Rechtsmittelgericht ein Verweisungsantrag gestellt bzw. wiederholt wird. Im Gegensatz zu § 21 Abs. 1 RVG handelt es sich hier um eine Verweisung wegen erstinstanzlicher Unzuständigkeit. Das Verfahren nach der Verweisung bildet gebührenrechtlich einen neuen Rechtszug. Die von § 20 S. 2 RVG erfasste Verweisung kann einen Wechsel des sachlichen bzw. örtlichen Instanzenzugs sowie der Gerichtsbarkeit zur Folge haben. Ein solcher Wechsel liegt vor, wenn innerhalb derselben Gerichtsbarkeit vom Rechtsmittelgericht an ein anderes, sachlich/örtlich zuständiges Erstgericht verwiesen wird. Ein Wechsel der Gerichtsbarkeit liegt vor, wenn vom Rechtsmittelgericht an das zuständige Erstgericht einer anderen Gerichtsbarkeit verwiesen wird. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist gering. Seit der Neufassung der § 513 Abs. 2, § 545 Abs. 2, § 571 Abs. 2 S. 2 ZPO können weder Beschwerde noch Berufung oder Revision auf eine vom Erstgericht fehlerhaft angenommene sachliche, örtlich oder funktionelle Zuständigkeit gestützt werden. Gleiches gilt nach § 621e Abs. 4 ZPO für Familiensachen, nach § 64 Abs. 6, § 72 Abs. 5 ArbGG für die Beschwerde-, Berufungs- oder Revisionsverfahren vor den Arbeitsgerichten, nach § 83 VwGO für die Verfahren vor dem VG sowie nach § 23 LwVG für die Beschwerden in Landwirtschaftssachen.
    Auch einen Wechsel der Gerichtsbarkeit i.S. des § 20 S. 2 RVG dürfte es nur selten geben: Nach § 17a Abs. 5 GVG prüft das Rechtsmittelgericht im Regelfall nicht die Zulässigkeit des Rechtswegs. Etwas anderes gilt, wenn § 17a Abs. 2 und 3 GVG in erster Instanz nicht beachtet wurde, die Klage also entgegen § 17a Abs. 2 GVG als unzulässig abgewiesen oder trotz Rüge (§ 17a Abs. 3 S. 2 GVG) die Zulässigkeit erst im Urteil bejaht wurde. § 20 S. 2 RVG ist aber z.B. anwendbar bei Verweisung vom
  • Strafsenat des OLG an die große Strafkammer,
  • Landwirtschaftssenat des OLG an die Zivilkammer, § 23 Abs. 2 LwVG,
  • OLG an das VG.
    Beispiel 8: Wechsel der Gerichtsbarkeit
    R erhebt im Auftrag des A Klage vor dem LG gegen B auf Widerruf einer beleidigenden Äußerung. B rügt, dass es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit handele, da er die behauptete Äußerung als Polizeibeamter im Dienst getan habe. Das LG gibt der Klage ohne Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs statt. Auf die Berufung des B verweist das OLG den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung an das zuständige VG, das die Klage nach mündlicher Verhandlung abweist. Welche Gebühren kann R aus einem Streitwert von 8.000 EUR abrechnen?
    Lösung: R kann folgende Gebühren abrechnen:
    Für das Verfahren vor dem LG  
    1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG 535,60 EUR
    1,2 Terminsgebühr Nr. 3104 VV RVG 494,40 EUR
    Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
      1.050,00 EUR
    Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG, 16 Prozent 168,00 EUR
      1.218,00 EUR
    Für das Verfahren vor dem OLG  
    1,6 Verfahrensgebühr Nr. 3200 VV RVG 659,20 EUR
    Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
      679,20 EUR
    Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG, 16 Prozent 108,67 EUR
      787,87 EUR
    Für das Verfahren vor dem VG  
    1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG 535,60 EUR
    1,2 Terminsgebühr Nr. 3104 VV RVG 494,40 EUR
    Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
      1.050,00 EUR
    Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG, 16 Prozent 168,00 EUR
      1.218,00 EUR
      3.223,87 EUR
    Quelle: RVG professionell - Ausgabe 10/2004, Seite 163
    Quelle: Ausgabe 10 / 2004 | Seite 163 | ID 106662