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  • · Fachbeitrag · Terminsgebühr

    Besprechung in Altfällen: Kein Verfahren mit mündlicher Verhandlung nötig

    von RA Norbert Schneider, Neunkirchen

    Auch in Fällen, in denen der Anwalt vor Inkrafttreten des 2. KostRMoG beauftragt worden ist, entsteht die Terminsgebühr für die Mitwirkung an Besprechungen zur Vermeidung oder Erledigung eines Verfahrens unabhängig davon, ob im zugrunde liegenden Verfahren eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist (VG Berlin 5.6.14, 14 KE 54.13, 3 L 1011.12, Abruf-Nr. 143047).

     

    Sachverhalt

    Der Anwalt war im Mai 2013 in einem Verfahren vor dem VG auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet worden. Im Verlauf des Verfahrens hat er mit der zuständigen Sachbearbeiterin der Behörde die Sache besprochen, was zur Erledigung des Verfahrens geführt hat. Hiernach beantragte der Anwalt die Festsetzung seiner Vergütung gegenüber der Landeskasse, darunter auch einer Terminsgebühr. Der Urkundsbeamte hat die Terminsgebühr abgesetzt mit der Begründung, eine Terminsgebühr für die Mitwirkung an einer Besprechung zur Erledigung des Verfahrens setze voraus, dass es sich um ein Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung handele. Daran fehle es hier, da in einem Verfahren über den Erlass einer einstweiligen Anordnung keine mündliche Verhandlung vorgeschrieben sei (§ 101 Abs. 3, § 123 Abs. 4 VwGO). Die hiergegen erhobene Erinnerung hatte Erfolg.

     

    Entscheidungsgründe

    Bis zum Inkrafttreten des 2. KostRMoG hatte ein Großteil der Rechtsprechung die Auffassung vertreten, eine Terminsgebühr für die Mitwirkung an Besprechungen nach Vorb. 3 Abs. 3, 3. Var. VV RVG a.F. komme nur in Verfahren in Betracht, in denen eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben sei, da diese Variante der Terminsgebühr als Ersatz für eine nicht stattfindende mündliche Verhandlung gedacht sei. Der Gesetzgeber hat auf diese fehlerhafte Interpretation des Gesetzes reagiert und mit dem 2. KostRMoG die Vorb. 3 Abs. 3 VV RVG sprachlich geändert. In seiner Begründung hierzu hat er ausdrücklich klargestellt, dass diese Variante der Terminsgebühr (jetzt Vorb. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 VV RVG) immer anzuwenden ist, unabhängig davon, ob das zugrunde liegende Verfahren eine mündliche Verhandlung vorschreibt.

     

    Dabei hat der Gesetzgeber klar zu erkennen gegeben, dass er die sprachliche Überarbeitung nicht als Gesetzesänderung betrachte, sondern als Klarstellung. Diese Intention des Gesetzgebers ist bei der Auslegung der Vorb. 3 Abs. 3, 3. Var. VV RVG a.F. heranzuziehen. Daher ist - jedenfalls aufgrund der jetzt gewonnenen Erkenntnisse durch die Gesetzesbegründung - auch in Altfällen davon auszugehen, dass die Mitwirkung an einer Besprechung zur Vermeidung oder Erledigung eines Verfahrens unabhängig davon anfallen soll, ob im Verfahren eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist.

     

    Praxishinweis

    Bislang wurde in sämtlichen Gerichtsbarkeiten ganz überwiegend die Auffassung vertreten, eine Terminsgebühr für die Mitwirkung an Besprechungen zur Vermeidung oder Erledigung eines Verfahrens komme nur in Betracht, wenn eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist. Diese Auffassung hat vor allem der BGH vertreten (BGH RVG prof. 07, 78; AGS 07, 397; RVG prof. 12, 77), aber auch die verwaltungs- und sozialgerichtliche Rechtsprechung (OVG Baden-Württemberg AGS 07, 294; OVG Berlin-Brandenburg AGS 09, 539; OVG Nordrhein-Westfalen JurBüro 09, 480; LSG Nordrhein-Westfalen 27.1.12, L 7 AS 1024/11 B). Allerdings ist diese Rechtsprechung auch auf erhebliche Kritik gestoßen und von vielen Instanzgerichten abgelehnt worden. Dabei wurde zu Recht darauf hingewiesen, dass das Gesetz selbst für einige Verfahren eine Terminsgebühr vorsieht, in denen es gar keine mündliche Verhandlung gibt (im Mahnverfahren oder im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde). Auch war die Rechtsprechung des BGH insoweit widersprüchlich, als er eine Terminsgebühr für Besprechungen schon vor Anhängigkeit eines Verfahrens bejaht hat (RVG prof. 07, 95), obwohl in diesem vorgerichtlichen Verfahrensstadium ein gerichtlicher Termin ebenfalls gar nicht möglich ist.

     

    Um klarzustellen, wie diese Tatbestandsalternative zu verstehen sein soll, hat der Gesetzgeber Vorb. 3 Abs. 3 VV RVG neu formuliert (BT-Drucks. 17/11471 (neu), S. 274 rechte Spalte) und in seiner Begründung dazu ausgeführt:

     

    • Gesetzesbegründung, Vorb. 3 Abs. 3 VV RVG n.F.

    Der neu gefasste Absatz 3 soll zweierlei bewirken. Zum einen (…), zum anderen soll klargestellt werden, dass die Terminsgebühr für die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtete außergerichtliche Besprechungen unabhängig davon entsteht, ob für das gerichtliche Verfahren eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist …

     

    Damit ist nunmehr klargestellt, dass der einschränkenden Rechtsprechung nicht nur fortan der Boden entzogen ist, sondern auch, dass die bisherige einschränkende Rechtsprechung dem Willen des Gesetzgebers zuwider gelaufen war, obwohl gerade diese Gerichte sich immer auf den angeblichen Willen des Gesetzgebers berufen hatten.

     

    Wie schon auch bei der Einführung des § 15a RVG handelt es sich bei der Neuformulierung der Vorb. 3 Abs. 3 VV RVG nicht um eine Gesetzesänderung, die nach § 60 Abs. 1 S. 1 RVG nur auf Fälle anzuwenden ist, in denen der Anwalt nach dem 31.7.13 beauftragt worden ist (so aber OVG Nordrhein-Westfalen AGS 14, 124). Es liegt vielmehr nur eine Klarstellung vor, die folglich auch in Altfällen zu beachten ist. Ebenso war der damaligen Einführung des § 15a RVG faktische Rückwirkung zugesprochen worden (BGH RVG prof. 10, 55; AGS 10, 159; AGS 10, 263; AGS 10, 459). Abzuwarten bleibt, ob auch die Zivilgerichtsbarkeit sich dieser Auffassung anschließen und auch in Altfällen von ihrer restriktiven Rechtsprechung Abstand nehmen wird. Der BGH wird wohl kurzfristig Gelegenheit erhalten, diese Frage zu beantworten.

    Quelle: Ausgabe 11 / 2014 | Seite 191 | ID 42786854