· Fachbeitrag · Angelegenheit
Keine endgültige Erledigung des Auftrags bei vorläufiger Einstellung nach § 205 StPO analog
Die vorläufige Einstellung des Verfahrens nach § 205 StPO analog stellt keine Erledigung eines früheren anwaltlichen Auftrags i.S. des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG dar (LG München I 6.6.13, 18 Qs 23/13, Abruf-Nr. 132256). |
Sachverhalt
Der Angeklagte A ist 2006 zur Hauptverhandlung nicht erschienen. Das Verfahren wurde nach § 205 StPO wegen unbekannten Aufenthalts vorläufig eingestellt. Gegen A wurde Haftbefehl erlassen. Pflichtverteidiger P rechnete die Gebühren nach Nr. 4100, 4104, 4106, 4108, 7000, 7002 und 7005 VV RVG ab. A wurde dann in Spanien festgenommen und 2012 nach Deutschland überstellt. Die Beiordnung des P wurde wegen Bestellung eines Wahlverteidigers aufgehoben. P hat nochmals Festsetzung einer Grundgebühr 4100, 4101 VV RVG, einer Verfahrensgebühr Nr. 4106, 4107 VV RVG und einer weiteren Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV RVG beantragt. Das AG hat nur noch den Haftzuschlag (Nr. 4107 VV RVG) gewährt. Das Rechtsmittel des P hatte keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die Grundgebühr Nr. 4101 VV RVG fällt bereits nach dem eindeutigen Wortlaut nur einmal im selben Verfahren an. Dies gilt auch für die Postpauschale Nr. 7002 VV RVG. Auch die Verfahrensgebühr (Nr. 4107 VV RVG) kann nicht erneut verlangt werden. Sie fällt unabhängig vom Umfang der Tätigkeit an und honoriert das „Betreiben des Geschäfts“. Hier war es zwar nötig, dass P sich nach Festnahme des A erneut umfangreich in die Akten einarbeitet. Dies ändert aber nichts daran, dass mit der Verfahrensgebühr die gesamte Tätigkeit außerhalb der Hauptverhandlung - unabhängig vom Umfang - abgegolten wird. Für eine analoge Anwendung des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG ist kein Raum. Die vorläufige Einstellung des Verfahrens nach § 205 StPO analog stellt keine Erledigung eines früheren anwaltlichen Auftrags i.S. des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG dar. Eine Verfahrensbeendigung wird hierdurch gerade nicht herbeigeführt.
Praxishinweis
Entscheidend ist hier die Frage, ob § 15 Abs. 5 S. 2 RVG anzuwenden ist. Danach gilt, wenn ein früherer Auftrag seit mehr als zwei Kalenderjahren erledigt ist , die weitere Tätigkeit als neue Angelegenheit. Dafür ist nach h.M. aber eine endgültige Erledigung des früheren Auftrags erforderlich. Das wird von der h.M. für den Fall der Aussetzung des Verfahrens verneint. Denn das Verfahren wird trotzdem weitergeführt, da geprüft werden muss, ob die Voraussetzungen für die Aussetzung noch vorliegen (OLG Köln AGS 11, 321 für das Ruhen des Strafverfahrens). Das LG München I wendet diese Rechtsprechung jetzt auf die vorläufige Einstellung nach § 205 StPO an. Das ist für den Wahlanwalt noch hinnehmbar. Er kann die Tätigkeiten, die er nach „Wiederaufnahme“ des Verfahrens erbringt, im Rahmen des § 14 Abs. 1 RVG bei der Bemessung seiner Wahlanwaltsvergütung geltend machen. Der Pflichtverteidiger hat diese Möglichkeit nicht, da ihm nur Festbeträge zustehen. Er muss - je nach Umfang der zusätzlichen Tätigkeiten - einen Pauschgebührenantrag nach § 51 RVG stellen.