· Fachbeitrag · Praxisfall
Abrechnung des Adhäsionsverfahrens
von Dipl.Rpfl.in (FH) Karin Scheungrab, Leipzig
| Die Abrechnung des im Rahmen des Strafverfahrens durchgeführten Adhäsionsverfahrens bereitet in der Praxis immer wieder Probleme. Der folgende Beitrag stellt die verschiedenen Abrechenmöglichkeiten vor. |
1. Gebührentatbestände des Adhäsionsverfahrens
Gemäß §§ 403 ff. StPO können im Strafverfahren vermögensrechtliche Ansprüche des Verletzten oder seiner Erben geltend gemacht werden. Die Abrechnung erfolgt - auch wenn es sich um ein reines strafrechtliches Verfahren handelt - über Wertgebühren.
Erstinstanzlich - damit also noch nicht im vorbereitenden Verfahren - über die Verfahrensgebühr der Nr. 4143 VVRVG, zweitinstanzlich über Nr. 4144 VV RVG abgerechnet. Nrn. 4143 und 4144 decken nicht nur die Tätigkeiten im Rahmen des reinen Adhäsionsverfahrens ab, sondern sind auch bei der Geltendmachung vermögensrechtlicher Ansprüche im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs oder einer Einstellung nach § 153a StPO anzuwenden. Nr. 4143 und Nr. 4144 VV RVG definieren Verfahrensgebühren für das Betreiben des Geschäfts. Mit dieser Gebühr sind also - wie auch sonst bei den Verfahrensgebühren als Grundgebühr - sämtliche Tätigkeiten des Anwalts ab Auftragserteilung abgegolten. In der ersten Instanz kann die Gebühr in Höhe von 2,0, in der Berufungs- und Revisionsinstanz mit 2,5 abgerechnet werden.
Für die Tätigkeiten außerhalb des „erstinstanzlichen Verfahrens“ ist eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG anzusetzen. Je nach Umfang der Tätigkeiten beträgt sie zwischen 0,5 und 2,5. Im Fall der Mehrfachvertretung ist eine Gebührenerhöhung gemäß Nr. 1008 VV RVG vorzunehmen.
Auch die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 ff. VV RVG kann entstehen. Sie kann zusätzlich zu den Gebühren für das strafrechtliche Verfahren abgerechnet werden, wenn der Verteidiger an einer Einigung der Parteien mitwirkt. In der ersten Instanz beträgt sie 1,0, in der zweiten Instanz 1,3. War der Anspruch bis zum Abschluss der Einigung nicht anhängig, beträgt die Gebühr 1,5. Auch Mehrvergleiche sind denkbar. Dann jedoch erhöht sich der Gegenstandswert der Gebühren Nr. 4143 VV RVG und Nr. 4144 VV RVG.
2. Anrechnung auf die Gebühren des zivilrechtlichen Verfahrens
Kann eine endgültige Regelung der Ansprüche im strafrechtlichen Verfahren nicht gefunden werden - stellt z.B. der Strafrichter den Bestand des Anspruchs ganz grundsätzlich fest, verweist aber zur Höhe ins zivilrechtliche Verfahren, muss nach Abs. 2 der Nr. 4143 VV RVG eine Anrechnung zu einem Drittel auf die dort entstehende Verfahrensgebühr erfolgen. Die Verpflichtung zur Anrechnung gilt nur unter folgenden Voraussetzungen:
- Tätigkeit desselben Anwalts im Adhäsionsverfahren und Zivilverfahren
- Nur die Gebühren der ersten Instanz werden angerechnet, nicht die Gebühren der zweiten Instanz
- Anrechnung erfolgt nur auf die Verfahrensgebühr, nicht auf eine Terminsgebühr
- Angerechnet wird ein Drittel der Verfahrensgebühr soweit die Verfahren identisch sind
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Im Adhäsionsverfahren wird ein Schadenersatzanspruch von 10.000 EUR geltend gemacht; zivilrechtlich wird der Anspruch in gleicher Höhe weiterverfolgt. Auf die Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG i.H. von 631,80 EUR muss die Anrechnung zu 1/3 der 2,0 Gebühr aus 10.000 EUR, konkret also 324 EUR erfolgen. |
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Wie oben, jedoch wird im Zivilverfahren der Anspruch lediglich i.H. von 8.000 EUR eingeklagt. Die Anrechnung muss - ähnlich der Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr - lediglich aus dem Wert von 8.000 EUR erfolgen. |
Ob die Beiordnung als Pflichtverteidiger auch die Beiordnung im Rahmen der PKH für die Tätigkeit im zivilrechtlichen Verfahren umfasst, ist sehr umstritten: Laut OLG Hamburg RVG prof. 10, 190, Abruf-Nr. 103474 ist eine gesonderte Beiordnung im Adhäsionsverfahren erforderlich.
Nach der Gegenmeinung erstreckt sich die Beiordnung automatisch auch ohne Gewährung von PKH auf die Vertretung des Angeklagten im Adhäsionsverfahren (OLG Rostock RVG prof. 11, 159, Abruf-Nr. 112860).
PRAXISHINWEIS | Der Rechtsanwalt sollte sich vorsichtshalber immer gesondert für das Adhäsionsverfahren beiordnen lassen. |
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Die Eltern der durch einen Verkehrsunfall tödlich verletzten Tochter beauftragen Anwalt R zunächst nur mit der Stellung eines Strafantrags gegen den ihrer Meinung nach unfallverursachenden Fahrer. Im Ermittlungsverfahren nimmt R Akteneinsicht und fertigt diverse Schriftsätze. Es wird Anklage erhoben, die zur Hauptverhandlung zugelassen wird. R wird nunmehr beauftragt, für die Eltern deren Zulassung als Nebenkläger zu beantragen und sie im Verfahren zu vertreten. Am ersten Tag der Hauptverhandlung beantragt R weisungsgemäß den Angeklagten im Wege des Adhäsionsverfahrens zur Zahlung eines Schadenersatzbetrags von 5.000 EUR zu verurteilen und ihm auch insoweit die Kosten aufzuerlegen. Nach der Beweisaufnahme wird der Angeklagte durch Urteil am selben Tage „aus Mangel an Beweisen“ freigesprochen. Daraufhin entschließen sich die Eltern, ihre Ansprüche durch R im Wege einer Zivilklage geltend zu machen. Die Klage bleibt erfolglos. |
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