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  • · Fachbeitrag · Prozesskosten-/Verfahrenskostenhilfe

    VKH oder PKH werden abgelehnt: Erneuter Antrag möglich

    von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz

    | Der BGH hat kürzlich eine in der Praxis streitige Frage zugunsten der VKH-/PKH-Mandanten entschieden: Ein erneuter Antrag auf Bewilligung von VKH/PKH ist auch nach Aufhebung des zuvor bewilligenden VKH-/PKH-Beschlusses zulässig. |

     

    Sachverhalt

    Das Gericht hatte der VKH-Partei nachträglich die zuvor bewilligte VKH aufgehoben, da sie im Vordruck über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse Grundbesitz nicht angegeben hat. Daraufhin stellte die Partei erneut einen VKH-Antrag und gab nun im Vordruck den zuvor verschwiegenen Grundbesitz an. Das FamG lehnte den Antrag unter Bezugnahme auf die zuvor gemachten falschen Angaben ab. Das OLG wies die Beschwerde zurück.

     

    Entscheidungsgründe

    Im Rechtsbeschwerdeverfahren hob der BGH die Entscheidung mit folgender Begründung auf (10.1.18, XII ZB 287/17, Abruf-Nr. 199641):

     

    • Ein Neuantrag auf Bewilligung von VKH/PKH erfordert, die Bewilligungsvoraussetzungen erneut zu prüfen. Zwar erlangt der VKH-/PKH-Aufhebungsbeschluss formelle, aber keine materielle Rechtskraft.

     

    • Im Rahmen des erneuten Antrags wurden Falschangaben nicht festgestellt. Somit liegt dem neuen Antrag ein anderer Sachverhalt zugrunde als derjenige, der zur Aufhebung der Erstbewilligung geführt hat.

     

    • Der mit der Aufhebung der Erstbewilligung verbundene Sanktionscharakter kann nicht auf das erneute Bewilligungsverfahren übertragen werden. Eine solche Verwirkung des Anspruchs auf VKH kann auch nicht mit einer analogen Anwendung des § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO begründet werden (BGH FK 15, 201).

     

    • Nach § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO kann das Gericht die Bewilligung von PKH insoweit ablehnen, als der Antragsteller innerhalb einer vom Gericht gesetzten Frist Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht glaubhaft gemacht oder bestimmte Fragen nicht oder ungenügend beantwortet hat. Insofern fehlt eine weitergehende Regelung, die es ermöglicht, nach Aufhebung einer zuvor bewilligten Verfahrenskostenhilfe einen erneut gestellten Antrag abzulehnen.

     

    • Unter Berufung auf das BVerfG (FamRZ 08, 2179) darf nach Ansicht des BGH dem Unbemittelten die Rechtsverfolgung und -verteidigung im Vergleich zum Bemittelten nicht unverhältnismäßig erschwert werden. Der Unbemittelte muss ebenso wirksamen Rechtsschutz in Anspruch nehmen können wie ein Bemittelter. Daher besteht dieser verfassungsrechtlich gewährleistete Schutz auch für einen Beteiligten, der sich durch vorangegangenes Fehlverhalten gegen die Rechtsordnung gestellt hat.
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    Wichtig | Würde man den Sanktionscharakter des § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO auch auf ein nachfolgendes Bewilligungsverfahren ausdehnen und PKH/VKH allein wegen der ursprünglich im Erstverfahren gemachten falschen Angaben versagen, wäre die Folge, dass das beabsichtigte Verfahren ‒ etwa ein Scheidungsverfahren ‒ nicht fortgeführt werden kann, letztlich also der Zugang zum Rechtsschutz versagt bleibt.

     

    Relevanz der Entscheidung

    Die Entscheidung ist aus Sicht der antragstellenden Partei günstig, weil eine Neubewilligung von PKH/VKH ohne Einschränkung beantragt werden kann. Dies gilt selbst in solchen Fällen, in denen der PKH-/VKH-Partei die zuvor bewilligte PKH/VKH nachträglich wegen eines zuvor offensichtlich betrügerischen Verhaltens widerrufen wurde.

     

    PRAXISTIPP | Die Neubewilligung wirkt jedoch erst ab dem Zeitpunkt des neuen Antrags für die Zukunft. Folge: Die bis dahin angefallenen Kosten werden nicht erfasst und sind nicht von der Staatskasse zu tragen. Erfasst werden daher nur die nach erneuter Bewilligung neu entstandenen Kosten. Hierüber müssen Sie Ihre PKH-/VKH-Partei aufklären.

     
    • Beispiel

    Der Partei P wird für das gerichtliche Verfahren PKH bewilligt. Ihr Rechtsanwalt A reicht daraufhin Klage ein; später hebt das Gericht die PKH-Bewilligung wegen Falschangaben auf. P beantragt erneut PKH und macht nun richtige Angaben. Nach mündlicher Verhandlung wird die Klage abgewiesen.

     

    Lösung

    Die durch die Klageerhebung angefallene Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG ist von der erneuten PKH-Bewilligung nicht gedeckt. Diese muss P selbst tragen und zwar aus den Regelgebühren der Tabelle zu § 13 RVG. Aus der Staatskasse ist A nur die Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG aus den Tabellenbeträgen nach § 49 RVG zu erstatten.

     

     

    PRAXISTIPP | Ihr Mandant sollte die strafrechtlichen Risiken bzw. Konsequenzen von Falschangaben nicht unterschätzen (Betrug bzw. versuchter Betrug). Weisen Sie Ihren Mandanten darauf hin.

     

    Wichtig | Ausnahmsweise kann es aber auch an einem Rechtschutzbedürfnis für die erneute Antragstellung fehlen. Dies ist der Fall, wenn

    • auf der Grundlage desselben Lebenssachverhalts ein vorheriger Antrag gleichen Inhalts bereits zurückgewiesen oder
    • nachträglich aufgehoben worden ist und ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung wegen Fristablauf nicht mehr eingelegt werden kann oder
    • die eingelegten Rechtsbehelfe keinen Erfolg hatten.
    Quelle: Ausgabe 08 / 2018 | Seite 133 | ID 45341833