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  • 10.10.2012 · IWW-Abrufnummer 123111

    Hessisches Landesarbeitsgericht: Beschluss vom 15.08.2012 – 13 Ta 242/12

    Eine Partei ist auch unter Berücksichtigung des Kosteninteresses des Gegners in der Regel berechtigt, einen am eigenem Wohnort oder Geschäftssitz ansässigen Rechtsanwalt mit der Prozessvertretung zu beauftragen.


    Tenor:

    Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 19. Juni 2012 - 1 Ca 3482/10 - wird zurückgewiesen.

    Die Klägerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

    Gründe

    I. Am 12. Juli 2011 wurde die Berufung der Klägerin gegen ein Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom erkennenden Gericht auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen (13 Sa 42/11). Das Urteil ist nach erfolgloser Nichtzulassungsbeschwerde rechtskräftig.

    Mit Schriftsatz vom 4. Mai 2012 beantragte die Beklagte Kostenfestsetzung gegen die Klägerin nebst Zinsen für den 2. Rechtszug wie folgt:

    1,6 Verfahrensgebühr §§ 2, 13 RVG, Nr. 3200 VV (Wert: 4.200,00 €)

    436,80 €

    1,2 Terminsgebühr §§ 2, 13 RVG, Nr. 3202 VV (Wert: 4.200,00 €)

    327,60 €

    Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV

    20,00 €

    Reisekosten zum Termin vom 12.07.2011 (Flug, Taxi), Nr. 7004 VV

    547,14 €

    Abwesenheitsgeld zum Termin vom 12.07.2011 (mehr als acht Stunden), Nr. 7005 VV

    60,00 €

    Zwischensumme

    1.391,54 €

    Umsatzsteuer (MwSt) Nr. 7008 VV (19,00%)

    0,00 €

    Endsumme

    1.391,54 €

    Am 19. Juni 2012 setzte der Rechtspfleger beim Arbeitsgericht die der Beklagten von der Klägerin zu erstattenden Kosten auf 1069,74 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. Mai 2012 fest.

    Die Verminderung im Vergleich zu dem beantragten Betrag ergab sich durch eine Kürzung der Reisekosten von 574,14 € auf 225,37 €, zusammengesetzt aus den Kosten für einen Flug in der Economy-Class von A nach B und zurück für 169,27 € und Taxikosten zum Flughafen und zurück in Höhe von 56,07 €. Dabei ging der Rechtspfleger davon aus, dass sich die Beklagte zur Geringhaltung der Kosten eines Prozessbevollmächtigten an ihrem Sitz hätte bedienen müssen. Die Mehrkosten für die Beklagtenvertreter mit Sitz in C seien deshalb nicht erstattungsfähig.

    Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 19. Juni 2012 wurde den Klägervertretern am 27. Juni 2012 zugestellt. Der von diesen für die Klägerin am 10. Juli 2012 mit Hinweis auf eine Niederlassung der Beklagten in D erhobenen sofortigen Beschwerde hat der Rechtspfleger am 12. Juli 2012 nicht abgeholfen. Er hat die Sache vielmehr dem Hessischen Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

    Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Beschwerdeverfahren wird auf den Akteninhalt im Übrigen verwiesen.

    II. Die gem. den §§ 104 Abs. 3, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2 ZPO; 11 Abs. 1 RPflG; 78 Satz 1 ArbGG statthafte sofortige Beschwerde der Klägerin ist nach einem Beschwerdewert von mehr als 200.- Euro wie auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.

    Der Rechtspfleger hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen (§ 572 Abs. 2 ZPO).

    Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.

    Die Beklagte kann die in dem Kostenfestsetzungsbeschluss zugestandenen Reisekosten von der Klägerin verlangen.

    Gemäß § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO hat die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, vor allem die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Dazu gehören auch gemäß § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO die gesetzlichen Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts der obsiegenden Partei.

    In diesem Sinne stellt auch die Zuziehung eines am Wohn- oder Geschäftsorts ansässigen Rechtsanwalts durch eine an einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte Partei im Regelfall eine Maßnahme zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dar (vgl. BGH, aaO.; BGH vom 18. Dezember 2003, NJW-RR 2004,855; BGH vom 17. Februar 2004, AGS 2004, 359; BGH vom 21. Januar 2004, BGHReport 2004, 706; BGH vom 6. April 2004, JurBüro 2004, 548; ihm folgend: OLG Zweibrücken v. 25. März 2003 - 4 W 28/03 -, zitiert nach Juris; OLG Düsseldorf v. 12. Mai 2003 - 10 W 34/03 -, RPfleger 2003, 538; OLG Koblenz v. 16. Juni 2003 - 14 W 396/03 und 14 W 397/03 -, RPfleger 2003, 689; Kammerbeschlüsse vom 8. März 2004 - 13 Ta 90/04 -; vom 17. Mai 2004 -13 Ta 121/04-; vom 25. Mai 2004 -13 Ta 207/04 -; vom 2. November 2004 -13 Ta 444/04 -; vom 20. Mai 2005 -13 Ta 58/05 -; vom 27. November 2006 -13 Ta 525/06 -; vom 25. April 2007 - 13 Ta 59/07 -; Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 18. Aufl. 2008, Nr. 7005-7007 VV RVG, Rdz 16 m.w.N.). Davon ging auch der Rechtspfleger ersichtlich aus, wenn er die Reisekosten der Beklagtenvertreter so berechnet hat, als seien sie am Geschäftsort der Beklagten ansässig.

    Eine Partei, die einen Rechtsstreit zu führen beabsichtigten oder selbst verklagt ist und die ihre Belange in angemessener Weise wahrgenommen wissen will, wird nämlich vernünftigerweise einen Rechtsanwalt in der Nähe ihres Wohn- oder Geschäftsorts aufsuchen, um dessen Rat in Anspruch zu nehmen und ihn gegebenenfalls mit der Prozessvertretung zu beauftragen. Sie wird dies wegen der räumlichen Nähe und in der Annahme tun, dass zunächst ein persönliches Gespräch erforderlich ist. Diese Erwartung ist berechtigt, denn für eine sachgemäße gerichtliche oder außergerichtliche Beratung und Vertretung ist der Rechtsanwalt zunächst auf die Tatsacheninformationen der Partei angewiesen. Diese kann in aller Regel nur in einem persönlichen Gespräch erfolgen und üblicherweise auch noch weiteren, wenn nämlich die Schriftsätze der Gegenseite vorliegen (BGH aaO.; BGH vom 12. Dezember 2002 - I ZB 29/02 -, NJW 2003, 901; BGH vom 11. Februar 2003 - VIII ZB 92/02 -, NJW 2003, 1534).

    Die Klägerin verkennt mit ihren Einwendungen, dass die Beklagte unbestritten schon seit 2002 keine Niederlassung mehr in D hat und deshalb nicht nur Reisekosten erstattet bekommen kann, die für Fahrten zwischen D und B anfallen.

    Weitere Einwendungen, insbesondere zur Berechnungsweise der zugesprochenen Reisekosten, sind nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich.

    Die Kostenentscheidung folgt, soweit sie die außergerichtlichen Kosten betrifft, aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die Gerichtskosten folgt aus Nr. 8614 der Anlage 1 zu § 34 GKG.

    VorschriftenZPO § 91 Abs. 1 S. 1, VV RVG Nr 7004, ZPO § 91 Abs. 2 S. 1