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  • 22.08.2023 · IWW-Abrufnummer 236960

    Landesarbeitsgericht München: Beschluss vom 31.07.2023 – 3 Ta 121/23

    1. Der vorläufige Antrag auf Weiterbeschäftigung ist, wenn er im Bestandsschutzverfahren gestellt wird, werterhöhend nur dann zu berücksichtigen, wenn über ihn entschieden worden ist, wenn er in einem Vergleich durch eine ihn betreffende ausdrückliche oder konkludente Vereinbarung mitgeregelt wurde oder wenn er als unbedingter Hilfsantrag gestellt wird.

    2. Wendet sich die klagende Partei in einem Rechtsstreit gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses und macht zudem im Wege der objektiven Klagehäufung Ansprüche auf Vergütungsbestandteile geltend, deren Bestand von dem streitigen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses abhängt, besteht nach dem streitigen Beendigungszeitpunkt eine wirtschaftliche Identität zwischen der Bestandsstreitigkeit und dem Streit über die Annahmeverzugsvergütung (im Anschluss an BAG, Beschluss vom 01.03.2022 - 9 AZB 38/21 - ).


    Tenor:

    Auf die Beschwerde der Klägerinvertreterin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Kempten vom 03.05.2023 i. d. F. des Teilabhilfebeschlusses vom 26.05.2023 dahingehend abgeändert, dass der Gegenstandswert für das Verfahren und für den Vergleich auf jeweils 42.000,00 € abgeändert wird.

    Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

    Gründe

    I.

    1

    Die Parteien stritten um den Bestand des Arbeitsverhältnisses auf Grund einer außerordentlichen fristlosen Kündigung vom 10.02.2023, einer ordentlichen Kündigung vom 16.08.2022 zum 31.03.2023 und einer hilfsweise ordentlich erklärten Kündigung vom 10.02.2023 zum 30.09.2023, um hilfsweise geltend gemachte Weiterbeschäftigung, die Erteilung eines Zeugnisses sowie um Annahmeverzugsansprüche nach Wirksamwerden der außerordentlichen Kündigung. Widerklagend hatte die Beklagte hilfsweise die Auflösung des Arbeitsverhältnisses, verschiedene Auskunftsansprüche betreffend Besitz und Weiterleitung von Geschäftsunterlagen und Daten (Ziff. 1., 4. und 5.) sowie teilweise deren Herausgabe und Löschung (Ziff. 2. und 3.) geltend gemacht Das monatliche Bruttoeinkommen der Klägerin betrug 4.000,00 €. Im Jahr 2021 war ihr eine variable Vergütung in Höhe von 800,00 € gezahlt worden.

    2

    Das Verfahren endete durch in der Kammerverhandlung gerichtlich protokollierten Vergleich vom 02.05.2023. Darin einigten sich die Parteien u.a. auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.09.2023, eine Freistellung bis dahin (Ziff. 3) und die Erteilung eines guten Endzeugnisses (Ziff. 5). Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Vergleichs Bezug genommen (Blatt 388 f. d. A.).

    3

    Das Arbeitsgericht Kempten hat mit Beschluss vom 03.05.2023 den Gegenstandswert gem. § 33 RVG für das Verfahren bis zur Erhebung der Widerklage auf 24.000,00 € und danach auf 25.000,00 € auf sowie den überschießenden Vergleichswert aufgrund der Freistellungs- und Zeugnisregelung auf 8.000,- € festgesetzt. Eine Rechtsmittelbelehrungwar dem Beschluss nicht beigefügt. Der Beschluss war den Parteien und Parteivertretern formlos übersandt worden.

    4

    Hiergegen legte der Klägervertreter am 15.05.2023 Beschwerde ein. Das monatliche Bruttoeinkommen der Klagepartei habe unter Berücksichtigung der im Jahr 2021 gezahlten Provision durchschnittlich 4.066,67 € betragen. Für jede Kündigung seien jeweils drei Bruttomonatsgehälter anzusetzen, für den Weiterbeschäftigungsantrag und den Antrag auf Zeugniserteilung jeweils ein weiteres Monatsgehalt. Hinzukäme die eingeklagte Vergütung für Februar und März 2023 in Höhe der Klageanträge. Die fünf Widerklageanträge seien mit jeweils 5.000,00 € zu bewerten. Insgesamt ergebe sich ein Gegenstandswert für das Verfahren von 64.066,59 €. Für die im Vergleich vereinbarte Freistellung sei ein weiteres Monatsgehalt festzusetzen. Der überschießende Vergleichswert betrage somit 4.066,67 €.

    5

    Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 26.05.2023 teilweise abgeholfen und im Übrigen das Verfahren dem Landesarbeitsgericht München zur Entscheidung vorgelegt. Dabei hat es den Gegenstandswert für das Verfahren bis zur Erhebung der Widerklage auf 28.000,00 € und danach auf 33.000,00 € sowie den überschießenden Vergleichswert auf 4.000,00 € festgesetzt. Als Bruttomonatsvergütung seien 4.000,00 € zugrunde zu legen, da die in 2021 gezahlte Prämie für die Wertbemessung für die in 2022 ausgesprochenen Kündigungen irrelevant sei. Der Weiterbeschäftigungsantrag sei nicht zur Entscheidung angefallen und daher nicht zu bewerten. Wegen wirtschaftlicher Identität mit der außerordentlichen fristlosen Kündigung vom 10.02.2023 seien die Annahmeverzugsvergütungsanträge für Februar und März 2023 nicht zu berücksichtigen. Die Widerklage sei insgesamt mit dem Hilfswert zu berücksichtigen. Es sei nicht vorgetragen, dass sich bestimmte besonders wertvolle Unterlagen im Besitz der Klägerin befinden könnten. Den überschießenden Vergleichswert bewertete das Arbeitsgericht mit einem Monatsgehalt, weil sich der Hilfsantrag über die Weiterbeschäftigung werterhöhend auswirke, § 45 Abs. 4 GKG i. V. m. § 45 Abs. 1 S. 2 GKG . Der Wert für die Freistellungsvereinbarung gehe hierin auf.

    6

    Das Landesarbeitsgericht gab der Klägerin und deren Prozessbevollmächtigten Gelegenheit zur Stellungnahme insgesamt bis zum 07.07.2023. Die Klägerin gab keine Stellungnahme ab. Die Klägerinvertreterin hielt die Berechnung des durchschnittlichen Bruttomonatseinkommens und seine Begründung aufrecht. Der Weiterbeschäftigungsantrag sei werterhöhend für das Verfahren zu berücksichtigen, weil er durch den Vergleich sinngemäß miterledigt worden sei. Es liege keine wirtschaftliche Identität zwischen dem Kündigungsantrag und dem Antrag auf Annahmeverzugsvergütung i. S. d. § 45 Abs. 1 S. 3 GKG vor. Die Anträge aus der Widerklage seien nicht im Wege der Stufenklage gestellt worden. Da die Beklagte aufgrund der vorgelegten Anlagen K 31 bis K38 und K 40 die fristlose Kündigung ausgesprochen habe, habe sie zu erkennen gegeben, dass der Besitz dieser Unterlagen bei der Klägerin für sie von erheblichem Wert sei. Es sollen wettbewerbsrelevante Daten betroffen sein und die Klägerin solle einen großen Fundus von Daten über die Jahre andauernd und systematisch entwendet haben. Wegen der weiteren Begründung wird auf den Schriftsatz vom 04.07.2023 verwiesen.

    II.

    7

    Die Beschwerde ist zulässig und teilweise begründet.

    8

    1. Die Gegenstandswertfestsetzung im Urteilsverfahren richtet sich im Fall des Ver gleichsabschlusses nach § 33 RVG . Dies folgt aus dem Wortlaut des § 33 Abs. 1 RVG , dem Willen des Gesetzgebers und dem Sinn und Zweck des in § 33 RVG geregelten Verfahrens der "Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren" (vgl. LAG München, Beschluss vom 06.06.2023 - 3 Ta 59/23 - zur Veröffentlichung bestimmt).

    9

    2. Die nach § 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthafte Beschwerde ist zulässig. Sie ist formgerecht eingelegt worden. Mangels schriftlicher Rechtsmittelbelehrung hat die zweiwöchige Beschwerdefrist nach § 33 Abs. 3 Satz 2 RVG nicht begonnen, § 9 Abs. 5 S. 3 ArbGG ; die Jahresfrist des § 9 Abs. 5 S. 4 ArbGG wurde nicht überschritten. Der Beschwerdewert ist erreicht, § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG .

    10

    3. Die Beschwerde ist zum Teil begründet. Der Gegenstandswert für das Verfahren und für den Vergleich ist mit jeweils 42.000,00 € festzusetzen.

    11

    a) Die seit dem 01.06.2023 zuständige Kammer des LAG München für Beschwerden nach § 33 RVG und § 68 GKG folgt bei bestimmten typischen Fallkonstellationen im Interesse der bundesweiten Vereinheitlichung der Rechtsprechung zur Wertfestsetzung und damit verbunden im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit regelmäßig den Vorschlägen der auf Ebene der Landesarbeitsgerichte eingerichteten Streitwertkommission, die im jeweils aktuellen Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichte niedergelegt sind, derzeit in der Fassung vom 09.02.2018, NZA 2018, 498 (vgl. LAG München, Beschluss vom 06.06.2023 - 3 Ta 59/23 - zur Veröffentlichung bestimmt).

    12

    b) Der Gegenstandswert für das Verfahren war mit 42.000,00 € festzusetzen.

    13

    aa) Der Weiterbeschäftigungsanspruch war beim Verfahrenswert mit einer Bruttomonatsvergütung zu berücksichtigen.

    14

    (1) Kündigt ein Arbeitnehmer im Kündigungsrechtsstreit den Antrag an, den Arbeitgeber "für den Fall des Obsiegens" zur Weiterbeschäftigung zu verurteilen, liegt ein unechter oder uneigentlicher Hilfsantrag vor, für den Ziff. I.18 des Streitwertkatalogs 2018 bestimmt, dass § 45 Abs. 1 S. 2 GKG gilt. Diese Empfehlung folgt der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG 13.08.2014 - 2 AZR 871/12 Rn 4) und verschiedener Landesarbeitsgerichte (vgl. LAG Nürnberg, Beschluss vom 30.06.2022 - 2 Ta 12/22 - Rn. 16; LAG Niedersachsen 24.01.2020 - 8 Ta 13/20 - Rn 7 m.w.Nachw.; LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 24.01.2018 - 5 Ta 137/17 - Rn. 14, LAG Hamburg, Beschluss vom 09.01.2023 - 7 Ta 32/22 - Rn. 23; vgl. auch die Nachw. weiterer landesarbeitsgerichtlicher Rechtsprechung bei GK-ArbGG/Schleusener, Nov. 2020 § 12 Rn. 171), nach der der Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung streitwerterhöhend nur dann gemäß § 45 Abs. 4 iVm Abs. 1 Satz 2 GKG zu berücksichtigen ist, wenn über ihn entschieden worden ist oder die Parteien im Vergleich eine Vereinbarung treffen, die mit einer gerichtlichen Entscheidung im Rahmen des § 45 Abs. 1 S. 2 GKG vergleichbar ist (vgl. BAG, Beschluss vom 13.08.2014 - 2 AZR 871/12 - Rn. 5). Eine sachliche und nicht bloß verfahrensmäßige Regelung zum allgemeinen Weiterbeschäftigungsantrag wird dabei angenommen, wenn durch den Prozessvergleich ein über den Entlassungstermin der angegriffenen Kündigung hinausgehender Bestand des Arbeitsverhältnisses verabredet wurde und der vereinbarte spätere Beendigungszeitpunkt bei Vergleichsabschluss bzw. Ablauf der Widerrufsfrist noch nicht verstrichen ist; eine tatsächliche Beschäftigung sei nur für die Zukunft regelbar (vgl. LAG Niedersachsen, Beschluss vom 24.01.2020 - 8 Ta 13/20 - Rn. 16; LAG Nürnberg, Beschluss vom 04.08.2020 - 2 Ta 84/20 - Rn.15; 30.06.2022 - 2 Ta 12/22 - Rn. 18; Beschluss vom 30.09.2022 - 2 Ta 49/22 - ). Ob bereits mit diesen Voraussetzungen eine mit einer gerichtlichen Entscheidung im Rahmen des § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG vergleichbare Vereinbarung vorliegt, kann zweifelhaft sein. Denn im Urteil wird nicht bereits dann über den Weiterbeschäftigungsantrag entschieden, wenn dem Kündigungsschutzantrag überhaupt stattgegeben oder festgestellt worden ist, dass die Kündigung das Arbeitsverhältnis zu einem späteren Zeitpunkt auflöst. Es bedarf vielmehr der Verurteilung des Arbeitgebers zur Weiterbeschäftigung des klagenden Arbeitnehmers, damit über dessen entsprechenden Hilfsantrag entschieden worden ist. Dies spricht dafür, den hilfsweisen vorläufigen Antrag auf Weiterbeschäftigung werterhöhend nur dann zu berücksichtigen, wenn der Vergleich eine ihn betreffende Regelung enthält (zutreffend deshalb der 1. Leitsatz in LAG Niedersachsen, Beschluss vom 24.01.2020 - 8 Ta 13/20 -: "Der vorläufige Antrag auf Weiterbeschäftigung ist, wenn er im Bestandsschutzverfahren gestellt wird, werterhöhend nur dann zu berücksichtigen, wenn über ihn entschieden worden ist, wenn er in einem Vergleich mitgeregelt wurde und dort eine Regelung erhält oder wenn er ausdrücklich als unbedingter Hilfsantrag gestellt wird."). Neben der ausdrücklichen Vereinbarung der Beschäftigung über den ursprünglichen Kündigungstermin hinaus kann eine solche Regelung auch konkludent mit der Vereinbarung einer Freistellung ab dem Zeitpunkt des Vergleichsschlusses bis zum Beendigungstermin vorliegen (was der Fall in den o. g. Sachverhalten des LAG Nürnberg war). Denn die Regelung über die Freistellung ist das kontradiktorische Gegenteil des Beschäftigungsanspruchs (vgl. LAG München, Beschluss vom 06.06.2023 - 3 Ta 59/23 -; LAG Nürnberg, Beschluss vom 30.09.2021 - 2 Ta 89/21 - Rn. 16). Mit ihr liegt zugleich eine Regelung darüber vor, ob und in welchem Umfang während der restlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses noch eine Weiterbeschäftigung stattfinden soll (vgl. LAG Köln, Beschluss vom 10.11.2015 - 11 Ta 336/15 - Rn. 5).

    15

    (2) Danach war im vorliegenden Fall der hilfsweise gestellte Weiterbeschäftigungsantrag mit einem Monatsgehalt zu bewerten.

    16

    Zwar ist über ihn nicht gerichtlich entschieden worden, da das Verfahren durch Vergleich endete. Der Weiterbeschäftigungsantrag fiel wertmäßig aber gem. § 45 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 GKG an. Denn ihn betreffend haben die Parteien im Vergleich Vereinbarungen getroffen, die mit einer gerichtlichen Entscheidung im Rahmen des § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG vergleichbar sind. Die Parteien einigten sich am 02.05.2023 in Ziff. 1 des Vergleichs auf eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses bis zum Kündigungstermin der hilfsweisen ordentlichen Kündigung vom 10.02.2023 zum 30.09.2023 und damit über die Beendigungszeitpunkte der außerordentlichen fristlosen Kündigung vom 10.02.2023 und der ordentlichen Kündigung vom 16.08.2022 hinaus, die das Arbeitsverhältnis mit Zugang im Februar 2023 bzw. zum 31.03.2023 aufgelöst hätten (vgl. auch LAG Nürnberg, Beschluss vom 04.08.2020 - 2 Ta 84/20 - Rn. 16, das im Fall einer außerordentlichen, hilfsweisen ordentlichen Kündigung ebenfalls auf den Kündigungstermin der außerordentlichen Kündigung abstellt). Darüber hinaus vereinbarten sie in Ziff. 3 des Vergleichs, dass die Klagepartei unwiderruflich von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt werde, und trafen damit die Regelung, dass ein Anspruch auf Beschäftigung während der Zeit vom Vergleichsschluss bis zum Kündigungstermin 30.09.2023 nicht bestehe.

    17

    bb) Sowohl für den Weiterbeschäftigungsanspruch als auch für die Kündigungsschutzanträge war ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von 4.000,00 € zugrunde zu legen.

    18

    Nachdem die variable Vergütung von 800,00 € im Jahr 2022 nicht mehr gezahlt wird, ist sie bei der Berechnung des durchschnittlichen Bruttomonatsgehalts des Jahres 2022 auch nicht zu berücksichtigen. Gründe für ihre Auffassung hat die Klägerinvertreterin auch nicht genannt.

    19

    cc) Die Annahmeverzugsvergütungsansprüche für Februar und März 2023 waren nicht werterhöhend zu berücksichtigen.

    20

    Ziff. I. 6 des Streitwertkatalogs 2018 empfiehlt, dass dann, wenn in einer Bestandsstreitigkeit im Wege der Klagehäufung Annahmeverzugsvergütung geltend gemacht wird, bei der die Vergütung vom streitigen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses abhängt, nach dem Beendigungszeitpunkt eine wirtschaftliche Identität zwischen Bestandsstreit und Annahmeverzug anzunehmen sei. Dies hat zur Folge, dass nach § 45 Abs. 1 S. 3 GKG keine Wertaddition stattfindet, sondern der höhere Wert maßgeblich ist.

    21

    Diese Empfehlung ist durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Beschluss vom 01.03.2022 - 9 AZB 38/21 - Rn. 7 ff.) bestätigt worden. Danach besteht zwischen einer Bestandsschutzstreitigkeit und einem Anspruch auf Zahlung von Annahmeverzugsvergütung regelmäßig wirtschaftliche Identität, soweit die Bewertung des Kündigungsschutzantrags reicht. Da der Arbeitgeber durch den Ausspruch einer rechtsunwirksamen außerordentlichen Kündigung oder ordentlichen Kündigung mit Ablauf der Kündigungsfrist in Annahmeverzug kommt, ohne dass es eines - auch nur wörtlichen - Arbeitsangebots des Arbeitnehmers bedarf, §§ 295 , 296 S. 1 BGB (vgl. BAG, Urteil vom 14.12.2017 - 2 AZR 86/17 - ), stellt der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses im Regelfall die einzige zwischen den Parteien streitige Voraussetzung dar, von deren Vorliegen der Anspruch aus § 615 S. 1 BGB abhängt. In einem solchen Fall ist das Zahlungsbegehren nicht mehr als der wirtschaftliche Annex des Feststellungsantrags und begründet als solcher kein selbstständiges Interesse, das eine gesonderte Berücksichtigung im Rahmen der Streitwertfestsetzung rechtfertigen könnte (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 5.11.2020 - 8 Ta 75/20 - Rn. 36 ff. m.w.Nachw.; LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 09.09.2021 - 10 Sa 1340/20 - Rn. 2).

    22

    dd) Aus der Widerklage sind die Anträge zu Ziff. 1 bis 3. mit 5.000,00 € und die Anträge zu 4. und 5. mit je 2.500,00 € zu bewerten.

    23

    (1) Bei den Anträgen zu Ziff. 1 bis 3 handelt es sich um eine Stufenklage. Dies folgt aus der Auslegung der Anträge entsprechend §§ 133 , 157 BGB . Die Beklagte hat in Ziff. 2 und 3. die Herausgabe und Löschung derjenigen "Unterlagen und Daten" begehrt, die sich "aus der Auskunft ergeben(^)". Sie hat zudem in der Begründung der Widerklageanträge die Anträge zu 1. und 2. als "Stufenklage auf Auskunft und Herausgabe" umschrieben. Es bestand für sie folglich die Ungewissheit, in welchem Umfang die Klägerin unberechtigt noch im Besitz von Daten ist; in diesem Fall ist im Wege der Stufenklage zunächst Auskunft zu verlangen ( § 254 ZPO ) (vgl. Nübold in: Hamacher, Antragslexikon Arbeitsrecht, 3. Auflage 2019, "Dateien" Rn. 5). Der Beklagten kann nicht unterstellt werden, sie hätte wegen fehlender Bestimmtheit unzulässige Leistungsanträge auf Herausgabe und Löschung von Daten stellen wollen.

    24

    Die Wertberechnung der Anträge zu Ziff. 1 bis 3. hat deshalb nach § 44 GKG zu erfolgen, so dass nur einer der verbundenen Ansprüche, und zwar der Höhere, maßgebend ist. Da allein auf das im Zeitpunkt der Klageerhebung von der Klagepartei verfolgte Interesse an der erhobenen Stufenklage abzustellen ist (vgl. Müller in: Boecken/Düwell/Diller/Hanau, Gesamtes Arbeitsrecht, 2. Auflage 2022, § 44 GKG Rn. 6 m. w. Nachw.), sind der Inhalt der Widerklage und die dortigen Angaben und Vorstellungen der Klagepartei heranzuziehen. Danach scheint eine Bewertung mit 5.000,00 € ausreichend. Im Rahmen der eigenen Beschwerde hat der Beklagtenvertreter das Interesse der Beklagten an diesen Anträgen mit 5.000,00 € beziffert.

    25

    Entgegen der Auffassung der Klägerinvertreterin ging es in den Anträgen zu 1. bis 3. nicht um die Anlagen K 28 bis K 40, die Grund der außerordentlichen Kündigung gewesen waren, sondern ausweislich des Wortlauts des Antrags zu 1. um "Auskunft über Anlagen K 28 bis K 40 hinaus".

    26

    (2) Die Anträge zu 4. und 5. haben Auskunftsansprüche zum Gegenstand, die nach dem Interesse der Klagepartei an der Auskunftserteilung zu schätzen sind (vgl. Müller, a.a.O., § 44 GKG Rn. 10m. w. Nachw.). Für das Interesse ist maßgebend, in welchem Maß die Durchsetzbarkeit der Ansprüche der Klagepartei von der Auskunft der Beklagtenpartei abhängt; das Interesse ist umso höher zu bewerten, je geringer ihre Kenntnisse und ihr Wissen über die zur Begründung des Leistungsanspruchs maßgeblichen Tatsachen sind. Das Interesse an der beantragten Auskunft steigt folglich mit der Unkenntnis der Klagepartei bezüglich der zur Begründung des Leistungsanspruchs relevanten Tatsachen (vgl. Herget in: Zöller, ZPO, 34. Auflage 2022, § 3 ZPO Rn. 16.28 m. w. Nachw.).

    27

    Die Beklagte hat ihr Interesse an Auskunft mit möglichen Leistungsklagen gegen diejenigen Personen begründet, an die die Klägerin die Daten und Unterlagen weitergeleitet hat, und es je Antrag auf 2.500,00 € beziffert. Dies erscheint im Hinblick darauf, dass die Anträge zu 4. und 5. auch die Daten der Anlagen K 28 bis K 40 umfassten, vertretbar.

    28

    ee) Der Gegenstandswert des Verfahrens berechnet sich deshalb in Höhe von 42.000,00 € wie folgt:

    "Für die Kündigungsschutzanträge betreffend die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 10.02.2023 und für die ordentliche Kündigung vom 16.08.2022 sind jeweils 3 Bruttomonatsgehälter festzusetzen, d. h. insgesamt 24.000,00 €. Des Weiteren sind der Weiterbeschäftigungsantrag und der Zeugnisantrag mit jeweils einem Bruttomonatsgehalt 4.000,00 € hinzuzurechnen. Die Widerklage hat den Verfahrenswert um insgesamt 10.000,00 € erhöht (Ziff. 1-3: 5.000,00, Ziff. 4. und 5. jeweils € 2.500,00 €); dabei war der Auflösungsantrag unstreitig nicht zu bewerten."

    29

    Es bestand kein Anlass, den Verfahrenswert im vorliegenden Fall gestaffelt nach bestimmten Verfahrensabschnitten festzusetzen. Die Widerklage war Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit in der Kammerverhandlung, womit sich auch die Einigungs- und Terminsgebühr nach dem Wert der Klage und der später erhobenen Widerklage berechnen (vgl. OLG BStadt, Beschluss vom 16.10.2020 - 11 W 1436/20 - Rn. 10 ff.).

    30

    c) Der Gegenstandswert für den Vergleich war ebenfalls mit 42.000,00 € festzusetzen.

    31

    Die Einigung auf die Freistellung war hinsichtlich des Vergleichsmehrwerts nicht gesondert zu berücksichtigen. Dies gilt schon deshalb, weil der Weiterbeschäftigungsanspruch mit einem Monatsgehalt berücksichtigt wurde. Die Regelung über die Freistellung ist nur das kontradiktorische Gegenteil des Beschäftigungsanspruchs und damit kostenrechtlich ein Gegenstand im Sinne des § 45 Abs. 1 Satz 3 iVm Abs. 3 GKG. Dementsprechend sieht auch Ziffer I.25.1.4 des Streitwertkatalog 2018 vor, dass eine wertmäßige Anrechnung auf den Weiterbeschäftigungsanspruch erfolgt (vgl. LAG München, Beschluss vom 06.06.2023 - 3 Ta 59/23 - zur Veröffentlichung bestimmt).

    III.

    32

    Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil Kosten nicht erstattet werden, § 33 Abs. 9 RVG . Aufgrund der teilweisen Zurückweisung der Beschwerde hat der Klägervertreter die angefallene Gebühr, Nr. 8614 KV GKG , zu tragen.

    IV.

    33

    Diese Entscheidung, die gem. § 78 S. 3 ArbGG durch die Vorsitzende der Beschwerdekammer allein ergeht, ist unanfechtbar, § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG (vgl. zur Vorgängerbestimmung des § 10 Abs. 2 Satz 2 BRAGO BAG, Beschluss vom 17.03.2003 - 2 AZB 21/02 - ).

    Vorschriften§ 33 RVG, § 45 Abs. 4 GKG, § 45 Abs. 1 S. 2 GKG, § 45 Abs. 1 S. 3 GKG, § 33 Abs. 1 RVG, § 33 Abs. 3 S. 1 RVG, § 33 Abs. 3 Satz 2 RVG, § 9 Abs. 5 S. 3 ArbGG, § 9 Abs. 5 S. 4 ArbGG, § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG, § 68 GKG, § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG, §§ 295, 296 S. 1 BGB, § 615 S. 1 BGB, §§ 133, 157 BGB, § 254 ZPO, § 44 GKG, § 33 Abs. 9 RVG, Nr. 8614 KV GKG, § 78 S. 3 ArbGG, § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG