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  • 30.09.2024 · IWW-Abrufnummer 244019

    Landesarbeitsgericht Bremen: Beschluss vom 19.08.2024 – 2 Ta 17/24


    Tenor: 1. Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Beteiligten zu 2. wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 29. Mai 2024 - 11 BV 1106/24 - teilweise unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen wie folgt abgeändert: Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfahren wird auf EUR 2.500,00 festgesetzt. 2. Die angefallene Gebühr nach Nr. 8614 der Anlage 1 zum GKG wird auf die Hälfte ermäßigt.

    Gründe

    I.

    1

    Die Beteiligte zu 1. hat mit Schriftsatz vom 14. Februar 2024 beantragt, die vom Beteiligten zu 2. verweigerte Zustimmung zur Versetzung einer Mitarbeiterin aus dem Bereich Betreuung in den Bereich Pflege zu ersetzen. Im Rahmen eines zwischen den Beteiligten am 25. März 2024 vor dem Arbeitsgericht geschlossenen Vergleichs hat der Beteiligte zu 2. seine Zustimmung zu der Versetzung erteilt.

    2

    Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 29. Mai 2024 den Gegenstandswert für das Verfahren zum Zwecke der anwaltlichen Gebührenberechnung auf EUR 1.900,00 festgesetzt. Die Wertfestsetzung sei unter Berücksichtigung des Streitwertkatalogs der Arbeitsgerichtsbarkeit erfolgt und mit einem Bruttoentgelt angenommen worden. Unter Verweis auf frühere Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Bremen ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass für die Gegenstandswertermittlung bei personellen Einzelmaßnahmen an die Vergütung der jeweils betroffenen Arbeitnehmer anzuknüpfen und nicht der Hilfswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG heranzuziehen sei.

    3

    Gegen den am 05. Juni 2024 zugestellten Beschluss hat der Prozessbevollmächtigte des Beteiligten zu 2. mit einem am 19. Juni 2024 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, dass für die Wertermittlung der Hilfswert gem. § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG maßgeblich sei und der Gegenstandswert daher auf EUR 5.000,00 festzusetzen sei.

    4

    Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 20. Juni 2024 der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

    II.

    5

    1. Die Beschwerde ist gemäß § 33 Abs. 3 RVG statthaft und zulässig, sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und übersteigt den Wert des Beschwerdegegenstandes von EUR 200,00.

    6

    2. Die Beschwerde ist teilweise begründet. Abweichend von der Entscheidung des Arbeitsgerichts ist der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit für das Beschlussverfahren auf EUR 2.500,00 festzusetzen.

    7

    Die Bewertung des Antrags richtet sich vorliegend nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG . Nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG ist der Gegenstandswert nach billigem Ermessen zu bestimmen. Mangelt es an genügenden tatsächlichen Anhaltspunkten für eine Schätzung des konkreten Werts oder handelt es sich um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit ist der Gegenstandswert mit dem in § 23 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 RVG genannten Hilfswert von EUR 5.000,00, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über EUR 500.000,00 Euro anzunehmen.

    8

    a) Bei Anträgen auf Zustimmungsersetzung nach § 99 Abs. 4 BetrVG handelt es sich um nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten. Der Antrag beruht auf keiner vermögensrechtlichen Beziehung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat und ist weder auf Geld noch auf Geldeswert gerichtet. Die Beteiligten streiten über den kollektiven Anspruch des Betriebsrats auf Verweigerung der Zustimmung zu einer personellen Einzelmaßnahme und damit über ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach dem BetrVG.

    9

    Soweit bereits die Einordnung als nichtvermögensrechtlicher Streit dazu führt, dass § 23 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 RVG zur Anwendung kommt, sind darüber hinaus auch keine besonderen Anhaltspunkte ersichtlich, die für eine Schätzung des Werts herangezogen werden könnten. Die Monatsvergütung der von der personellen Einzelmaßnahme betroffenen Arbeitnehmerin entspricht weder dem wertmäßigen Interesse des Betriebsrats oder der Arbeitgeberin an der Durchsetzung der Maßnahme noch Bedeutung oder Umfang der Sache und kann daher nicht als Bezugsgröße für eine Schätzung dienen.

    10

    b) Von dem Hilfswert war allerdings im Hinblick auf Bedeutung und Auswirkungen der personellen Maßnahme ein Abschlag vorzunehmen. Nach § 23 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 RVG ist der Hilfswert von EUR 5.000,00 nicht statisch, sondern je nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über EUR 500.000,00 anzusetzen.

    11

    Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass Versetzungen nicht den Bestand eines Arbeitsverhältnisses oder -wie bei Einstellungen i.S.d. § 99 Abs. 1 BetrVG - die grundsätzliche Frage der Eingliederung in die betrieblichen Abläufe berühren, sondern lediglich die inhaltliche Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses. Die unterschiedliche Wertigkeit der verschiedenen personellen Einzelmaßnahmen spiegelt sich auch in den Vorschlägen der auf Ebene der Landesarbeitsgerichte eingerichteten Streitwertkommission wieder, die im jeweils aktuellen Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit niedergelegt sind, derzeit in der Fassung vom 01.02.2024. Ziffer II Nr. 14.2.1 Streitwertkatalog 2024 empfiehlt für Beschlussverfahren betreffend die Einstellung von Mitarbeitern eine Wertfestsetzung nach Maßgabe des Hilfswerts des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG . In Beschlussverfahren wegen Versetzungen schlägt der Streitwertkatalog 2024 in Ziffer II Nr. 14.4 eine Wertfestsetzung je nach Bedeutung der Maßnahme nach dem Hilfswert oder einem Bruchteil davon vor. Die Beschwerdekammer geht hierbei davon aus, dass für die Wertbestimmung in Beschlussverfahren wegen einer Versetzungsmaßnahme grundsätzlich vom hälftigen Hilfswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 RVG auszugehen ist. Anhaltspunkte für eine werterhöhende Bedeutung der im Ausgangsverfahren streitgegenständlichen Versetzungsmaßnahme bestehen nicht. Weder ergibt sich aus dem Sachverhalt eine besonders schwerwiegende Belastung der von der Versetzungsmaßnahme betroffenen Mitarbeiterin noch stellt sich die Versetzungsmaßnahme etwa als herausgehobener Teil eines für die Arbeitgeberin besonders bedeutsamen Personalkonzepts dar. Vor diesem Hintergrund war bei der Bewertung des vorliegenden Verfahrens ein regelhafter Abschlag vom Hilfswert auf EUR 2.500,00 vorzunehmen.

    III.

    12

    Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil Kosten nicht erstattet werden, § 33 Abs. 9 RVG . Aufgrund des teilweisen Erfolgs der Beschwerde wird die angefallene Gebühr nach Nr. 8614 der Anlage 1 zum GKG auf die Hälfte ermäßigt.

    13

    Die Entscheidung ist unanfechtbar ( § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG ).

    VorschriftenAnlage 1 zum GKG, § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG, § 33 Abs. 3 RVG, § 23 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 RVG, § 99 Abs. 4 BetrVG, § 99 Abs. 1 BetrVG, § 33 Abs. 9 RVG, § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG