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  • · Fachbeitrag · Vergütungsvereinbarung

    Was muss der Mandant nach Kündigung des Mandatsverhältnisses zahlen?

    von RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg

    Die Klausel in einer Vergütungsvereinbarung, die dem Rechtsanwalt für den Fall einer nicht von ihm zu vertretenden Kündigung des Mandatsverhältnisses durch den Mandanten stets und unabhängig vom Umfang der bislang erbrachten Dienste das gesamte vereinbarte Pauschalhonorar belässt, ist grundsätzlich nicht sittenwidrig. Handelt es sich bei der Pauschalvereinbarung jedoch um allgemeine Geschäftsbedingungen i.S. der §§ 305 ff. BGB, führt die danach vorzunehmende Inhaltskontrolle zur Unwirksamkeit der Klausel gemäß §§ 308 Nr. 7a, 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB (OLG Köln 17.10.12, 17 U 7/12, Abruf-Nr. 132258).

     

    Sachverhalt

    Gegen den Kläger war mit Haftbefehl des AG vom 11.12.04 Untersuchungshaft wegen des Verdachts auf verschiedene Steuerdelikte angeordnet worden. In unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit seiner Inhaftierung beauftragte er den Beklagten mit seiner Verteidigung. Am 20.12.04 schlossen die Parteien eine vom Beklagten erstellte schriftliche Vergütungsvereinbarung betreffend die Verteidigung im Ermittlungsverfahren und im Verfahren erster Instanz. Für die anwaltliche Tätigkeit des Beklagten wurde eine pauschale Nettovergütung von 150.000 EUR vereinbart. In Nr. 6 der Vergütungsvereinbarung heißt es, dass es bei vorzeitiger, nicht von dem Beklagten zu vertretender Mandatsbeendigung bei der vereinbarten Vergütung bleibe.

     

    Der Kläger wurde am 9.3.05 gegen eine Kaution von 800.000 EUR von der Haft verschont. Nachdem ein danach neu erlassener/erweiterter Haftbefehl am 10.12.07 aufgehoben worden war und der Kläger sich bereits zuvor durch weitere Anwälte hatte vertreten lassen, kündigte er mit Schreiben vom 9.1.08 das Mandatsverhältnis. Mit seiner Klage verlangte er von den bereits an den Beklagten gezahlten 98.321 EUR (netto 85.000 EUR) einen Betrag von 92.221 EUR zurück. Dies hat er damit begründet, dass das vereinbarte Honorar für die erbrachte Tätigkeit unangemessen überhöht sei. Geschuldet werde nur die gesetzliche Vergütung; die Honorarvereinbarung sei im Hinblick auf die Kündigungsklausel unter Nr. 6 gemäß § 308 Nr. 7 BGB unwirksam.

    Entscheidungsgründe

    Das LG hat nach Einholung eines Gebührengutachtens der Rechtsanwaltskammer die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg.

     

    Wirksamkeit der Pauschalvereinbarung

    Die Pauschalhonorarvereinbarung ist nicht wegen Verstoßes gegen die guten Sitten gemäß § 138 BGB nichtig. Die Sittenwidrigkeit der Vereinbarung ergibt sich nicht aus deren Nr. 6. Diese belässt - in Abweichung von der gesetzlichen Regelung in § 628 Abs. 1 S. 1, § 626f BGB - dem Beklagten für den Fall einer von ihm nicht zu vertretenden Kündigung des Mandatsverhältnisses durch den Mandanten stets und unabhängig vom Umfang der bislang erbrachten Dienste das gesamte vereinbarte Pauschalhonorar.

     

    Zwar kann § 628 Abs. 1 S. 1 BGB individualvertraglich abbedungen werden. Bei der hier vorliegenden Pauschalvereinbarung handelt es sich jedoch um AGB i.S. der §§ 305 ff. BGB. Dafür spricht bereits der äußere Anschein der offenkundig in allgemeiner Form vorformulierten Vereinbarung, in die jeweils nur noch der Name des Mandanten, das Datum und die Unterschriften einzufügen waren. Auch ergibt sich nicht hinlänglich, dass die Vertragsklauseln, insbesondere die unter Nr. 6, im Zusammenhang mit der Unterzeichnung der Honorarvereinbarung ernsthaft zur Disposition gestellt worden sind. Die danach vorzunehmende Inhaltskontrolle gemäß §§ 306 ff. BGB führt vorliegend zur Unwirksamkeit der Klausel gemäß § 308 Nr. 7a, § 307 Abs. 2 S. 1 BGB. Insoweit gilt zunächst, dass eine formularmäßige Honorarvereinbarung, die - ohne Rücksicht auf eine alsbaldige Beendigung des Mandats den Mandanten verpflichtet die volle Vergütung zu zahlen - in der Regel standeswidrig ist. Sie steht nicht im Einklang mit Treu und Glauben, da sie dem Dienstverpflichteten bei vorzeitiger Beendigung des Auftrags die volle Vergütung belässt, selbst wenn er nur ganz geringfügige Tätigkeiten entfaltet hat. Eine solche Regelung widerspricht der Billigkeit und der wirtschaftlichen Wechselwirkung des Vertragsverhältnisses. Denn der Auftraggeber darf nicht aus wirtschaftlichen Gründen von einer Kündigung des auf besonderem Vertrauen basierenden Dienstvertrags abgehalten werden.

     

    Gesamtnichtigkeit?

    Dies führt indes nicht zu einer Gesamtnichtigkeit der Honorarvereinbarung i.S. von § 139 BGB. Dem steht nämlich § 306 BGB als lex specialis entgegen. Eine Sittenwidrigkeit der streitgegenständlichen Honorarvereinbarung ergibt sich ferner nicht unter dem Gesichtspunkt der Knebelung. Bei der insoweit vorzunehmenden Bewertung der Gesamtumstände ist nämlich zu berücksichtigen, dass der Kläger offenbar angesichts der nicht unerheblichen Tatvorwürfe und der Befürchtungen um seine private wie berufliche Existenz gerade eine Verteidigung durch einen renommierten Strafverteidiger wünschte, für dessen Tätigkeit er für den Fall der vollständigen Leistungserbringung grundsätzlich bereit war, eine Vergütung in der vereinbarten Höhe zu bezahlen, ohne dass die Aufbringung dieses Betrages ihn in seiner wirtschaftlichen Selbstständigkeit insgesamt oder zu einem wesentlichen Teil beschränkt hätte. Eine Sittenwidrigkeit der streitgegenständlichen Honorarvereinbarung lässt sich auch nicht aus der Höhe des vereinbarten Verteidigerhonorars ableiten. Da Vergütungsvereinbarungen und insbesondere die Vereinbarung eines Pauschalhonorars für einen Rechtsanwalt als solche nicht sittenwidrig sind, führt eine mögliche Unangemessenheit des Honorars allenfalls zu dessen Reduzierung.

     

    Reduzierung der Vergütung?

    Eine Reduzierung ist jedoch nicht gerechtfertigt. Trotz der außergewöhnlich hohen Überschreitung der gesetzlichen Höchstgebühr teilt der Senat die Auffassung des LG und der RAK, dass unter Berücksichtigung aller für die Höhe des Pauschalhonorars maßgeblichen Umstände eine zu einer gebotenen Reduzierung führende Unangemessenheit der vereinbarten Vergütung nicht angenommen werden kann. Zutreffend hat das LG darauf hingewiesen, dass für eine Herabsetzung gemäß § 3a Abs. 2 RVG nur Raum gegeben ist, wenn es unter Berücksichtigung aller Umstände unerträglich und mit den Grundsätzen des § 242 BGB unvereinbar wäre, den Mandanten an seinem Honorarversprechen festzuhalten. Auch ist dem LG zuzustimmen, dass im konkreten Fall von einem überdurchschnittlichen Arbeitsaufwand auszugehen ist. Insofern ist bereits zum Zeitpunkt der Honorarvereinbarung absehbar gewesen, dass es aufgrund der Inhaftierung des Klägers und in Ansehung der fast 5.000 Seiten starken Ermittlungsakte sowie des Tatvorwurfs zu einer zeit- und arbeitsintensiven Anwaltstätigkeit kommen wird. Da der Beklagte somit aufgrund der uneingeschränkten Verbindlichkeit der Honorarvereinbarung den tatsächlichen Gegenwert der bis zur Beendigung des streitgegenständlichen Mandates von ihm erbrachten anwaltlichen Leistungen aus der Pauschalhonorarvereinbarung in Verbindung mit § 626f., § 628 Abs. 1 S. 1 BGB beanspruchen kann, muss er nichts zurück zahlen. Der Betrag von 85.000 EUR entspricht 56 Prozent des zulässig vereinbarten Gesamthonorars. Eine solche prozentuale Aufteilung ist bei Gegenüberstellung des zum Zeitpunkt der Mandatskündigung sich ergebenden Verfahrensstandes und der von der Honorarvereinbarung erfassten weiteren künftigen Tätigkeit nicht zu beanstanden.

     

    Praxishinweis

    Die erst jetzt bekannt gewordene Entscheidung ist, obwohl schon etwas älter, der Berichterstattung wert. Sie behandelt einen Bereich, der für Rechtsanwälte „gefährlich“ sein bzw. werden kann. Nämlich die Frage: Was der Mandant eigentlich zahlen muss, wenn eine Vergütungsvereinbarung mit der Vereinbarung eines Pauschalhonorars vorliegt, das Mandat dann aber vorzeitig gekündigt wird. Das OLG legt überzeugend dar, dass eine formularmäßige Vereinbarung, wonach der Mandant unabhängig vom Umfang der erbrachten Tätigkeiten das gesamte vereinbarte Pauschalhonorar zahlen muss, gegen § 308 Nr. 7a, § 307 Abs. 2 S. 1 BGB verstößt. Das liegt m.E. auf der Hand.

     

    Auf der anderen Seite zeigt die Entscheidung aber auch auf, wie sich der Rechtsanwalt/Verteidiger gegen Einkommenseinbußen bzw. eine zu starke Reduzierung des Honorars schützen kann. Er muss, um den späteren Angriff seines Mandanten auch auf die Höhe seiner Vergütung abwehren zu können, im Einzelnen festhalten, welche Tätigkeiten er für den Mandanten erbracht hat. Nur so lässt sich später gegenüber einer Rückzahlungsforderung des Mandanten argumentieren bzw. eine eigene Zahlungsklage begründen. Und: Auf diese Aufstellung sollte der Rechtsanwalt Mühe verwenden und nicht nur allgemein die Tätigkeiten festhalten, sondern im Einzelnen den Zeitaufwand nachhalten, um so mit einer Stundenberechnung des verbleibende (Pauschal-)Honorar zu rechtfertigen.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Zu den Voraussetzungen einer anwaltlichen Vergütungsklage, RVG prof. 13, 117
    • Zur Vergütungsvereinbarung im Strafverfahren Burhoff/Burhoff (Hrsg.), RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl., Teil A. Vergütungsvereinbarung (§ 3a).
    Quelle: Ausgabe 08 / 2013 | Seite 139 | ID 40320490