· Fachbeitrag · Haftung
So haften Stiftungsvorstände und mit diesen Maßnahmen können sie die Haftung vermeiden
von Rechtsanwältin und Steuerberaterin Dr. Eva-Maria Kraus, Assoziierte Partnerin, Flick Gocke Schaumburg Partnerschaftsgesellschaft mbB, Bonn
| Die Arbeit (gemeinnütziger) Stiftungen lebt vom Engagement ihrer Organe, Mitarbeiter und Förderer. Mit der Übernahme des Vorstandsamts gehen aber auch eine große Verantwortung und Haftungsrisiken einher. Gleichwohl spielt das Thema Haftung bei vielen Stiftungen häufig erst dann eine Rolle, wenn tatsächlich eine Haftungsinanspruchnahme droht. Dabei könnten Haftungsrisiken durch verschiedene Maßnahmen im Vorfeld deutlich minimiert werden. |
Ausgangssituation: Umfangreiches Pflichtenprogramm
Oberste Richtschnur für das Handeln der Stiftungsvorstände ist der Wille des Stifters zum Zeitpunkt der Stiftungserrichtung. Der Vorstand ist verpflichtet, den Stifterwillen zu wahren, den Stiftungszweck dauerhaft zu erfüllen und gleichzeitig das Stiftungskapital dauerhaft zu erhalten. Die Erfüllung dieser Pflichten setzt voraus, dass der Vorstand den Stifterwillen und das jeweils aktuelle Stiftungskapital genau vor Augen hat.
Dies mag sich banal anhören, ist aber in vielen Fällen gar keine leichte Aufgabe. Gleichwohl ist es unbedingt notwendig. Denn eine sorgfältige Analyse der Satzung und Richtlinien ist der erste Schritt zur Haftungsvermeidung. Gute Stiftungssatzungen enthalten, ggf. ergänzt durch ein Kapitalerhaltungskonzept, Anlage- und Förderrichtlinien sowie Geschäftsordnungen, (ausdrückliche) Vorgaben dazu, welche Risiken bei der Mittelbeschaffung und der Mittelverwendung eingegangen werden dürfen.
Die Stiftungsaufsichtsbehörden sind gehalten, Organverschulden zivilrechtlich verfolgen zu lassen. Es kommt vor, dass die Stiftungsaufsicht auf eine Neubesetzung des Vorstands drängt, damit dieser mögliche Ansprüche der Stiftung gegen das alte Vorstandsmitglied prüft und ggf. gerichtlich geltend macht.
Vorstände gemeinnütziger Stiftungen müssen zudem sicherstellen, dass die Mittel ausschließlich und unmittelbar zur Verfolgung der gemeinnützigen Zwecke der Stiftung eingesetzt werden. In Bezug auf Gemeinnützigkeitsverstöße prüft vielfach die Finanzbehörde, ob ein Verstoß vorliegt. Das zwingt dann die Organe der Stiftung, ggf. Verantwortlichkeiten festzustellen.
Neben den stiftungsrechtlichen und ggf. gemeinnützigkeitsrechtlichen Anforderungen gibt es noch eine ganze Reihe weiterer Handlungs- und Sorgfaltspflichten des Vorstands. Das sind z. B. die Meldungen zum Transparenzregister, arbeitsrechtliche Schutzpflichten oder sozialversicherungsrechtliche Meldepflichten.
Sorgfaltsmaßstab und Handlungsrahmen
Der Vorstand hat die Geschäfte der Stiftung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers zu führen. Verletzt er dabei schuldhaft seine Pflichten, und entsteht der Stiftung daraus ein Schaden, ist er dieser gegenüber zum Schadenersatz verpflichtet. Der Vorstand haftet grundsätzlich bereits für leichte Fahrlässigkeit ‒ und zwar mit seinem gesamten Privatvermögen.
Die Haftungsbeschränkungen für den Stiftungsvorstand
Eine Beschränkung der Haftung des Stiftungsvorstands auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz ist gesetzlich vorgesehen (§§ 31a BGB, 86 BGB)
- für ehrenamtlich tätige oder
- für gering vergütete Vorstandsmitglieder (bis 2020: maximal 720 Euro/Jahr, seit 01.01.2021: maximal 840 Euro ‒ 7. Gesetz zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen, Abruf-Nr. 221565).
Wichtig | Für höher vergütete Stiftungsvorstände ist der Ausschluss der leichten Fahrlässigkeit möglich, wenn die Satzung dies ausdrücklich vorsieht. Durch die anstehende Stiftungsrechtsreform könnte dies nach derzeitigem Stand dahingehend verschärft werden, dass die Haftungsbeschränkung nur noch in der Errichtungssatzung möglich ist (Regierungsentwurf, Abruf-Nr. 220357). Damit könnte zwar künftig in Fällen, in denen sich die Stiftung weiterentwickelt hat, die Satzung dahingehend geändert werden, dass der zunächst ehrenamtliche Vorstand nunmehr eine Vergütung erhalten soll. Ein Haftungsausschluss für leichte Fahrlässigkeit könnte aber nicht aufgenommen werden.
Der haftungsfreie Ermessensspielraum
Eine Pflichtverletzung ist regelmäßig nur dann anzunehmen, wenn die Entscheidung des Vorstands den vertretbaren Rahmen überschritten hat. Innerhalb des vertretbaren Rahmens ist es Sache des Vorstands, eine von mehreren denkbaren Entscheidungen auszuwählen. Solange die Entscheidung aus der Ex-ante-Sicht vertretbar war, liegt keine Pflichtverletzung vor, auch wenn sich später herausstellt, dass es ggf. nicht die optimale Entscheidung war.
Hintergrund für den haftungsfreien Ermessensspielraum ist die sog. Business Judgment Rule. Danach stellt eine Vorstandsentscheidung keine Pflichtverletzung dar, wenn der Vorstand
- auf der Grundlage angemessener Informationen
- unter Beachtung der gesetzlichen und satzungsgemäßen Vorgaben
- vernünftigerweise annehmen durfte, zum Wohle der Stiftung zu handeln.
Die Business Judgment Rule wird im Rahmen der Stiftungsrechtsreform voraussichtlich ausdrücklich bei den Regelungen zur Stiftung ins BGB aufgenommen werden.
Die Business Judgment Rule trägt dem Umstand Rechnung, dass es regelmäßig nicht die eine richtige Entscheidung, sondern eine Bandbreite vertretbarer Entscheidungen gibt. Voraussetzung ist aber ‒ und daran scheitert es in der Praxis mitunter ‒, dass vor der Entscheidung eine angemessene Informationslage geschaffen wurde.
PRAXISTIPP | Es ist für den Vorstand deshalb essenziell, die Überlegungen und Informationen, die seiner Entscheidung zugrunde lagen, sorgfältig zu dokumentieren. Je weitreichender die Entscheidung, desto sorgfältiger sollten Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungsprozesse dokumentiert werden. Es muss ersichtlich sein, dass sich der Vorstand mit den Vor- und Nachteilen einer Entscheidung auseinandergesetzt und die Entscheidung sorgfältig abgewogen hat. Das gilt im Übrigen auch, wenn sachverständiger Rat eines Dritten eingeholt wurde, da dies den Vorstand nicht von einer eigenen Bewertung entbindet. |
Konzentration von Verantwortlichkeiten und effektive Kontrolle
Durch eine Geschäftsverteilung in einem mehrgliedrigen Vorstand kann die Verantwortlichkeit für bestimmte Bereiche bei einzelnen Vorstandsmitgliedern konzentriert werden. Existiert ein Aufsichtsgremium, kann dieses durch eine effektive Kontrolltätigkeit dazu beitragen, Fehlentscheidungen zu vermeiden und so das Haftungsrisiko zu minimieren.
Geschäftsverteilung im Vorstand
Durch eine Geschäftsverteilung im Vorstand werden den einzelnen Mitgliedern durch die Satzung oder die Geschäftsordnung einzelne Bereiche (Ressorts) zur alleinigen Verantwortung übertragen. Dadurch kann nicht nur die oft unterschiedliche Expertise der einzelnen Mitglieder optimal genutzt, sondern auch das Haftungsrisiko für die einzelnen Vorstandsmitglieder gesenkt werden. Die zu beachtenden Pflichten und die Verantwortlichkeit für deren Erfüllung beschränken sich grundsätzlich auf das eigene Ressort. Hinsichtlich der anderen Ressorts sinkt die Pflicht auf eine Überwachungspflicht ab.
PRAXISTIPP | Wichtig in der praktischen Umsetzung ist, dass im Protokoll über die Vorstandssitzungen sorgfältig unterschieden wird, ob nach Diskussion eine gemeinsame Entscheidung des Gesamtvorstands getroffen wurde oder ob der Ressortverantwortliche seine Kollegen über eine Angelegenheit aus seinem Ressort lediglich informiert hat. Im ersten Fall müssen alle Vorstandsmitglieder aufgrund angemessener Informationsgrundlage eine Entscheidung treffen und dafür einstehen, im zweiten Fall nur der Ressortverantwortliche. Der Ressortverantwortliche kann einen Vorgang ‒ zusammen mit den entsprechenden Informationen ‒ natürlich auch dem Gesamtvorstand zur Entscheidung vorlegen. Dies sollte ausdrücklich erfolgen und aus dem Protokoll hervorgehen. |
Eine Geschäftsverteilung sollte außerdem nicht dazu verleiten, sich blind auf die vermeintlichen Zuständigkeiten zu verlassen. In der Praxis kommt es nicht selten vor, dass im Glauben, ein anderer habe den Vorgang bereits geprüft, von einer eigenen Prüfung abgesehen wird.
PRAXISTIPP | Gegenseitige Kontrolle funktioniert nur, wenn die jeweiligen Verantwortlichkeiten klar definiert sind. Dies gilt natürlich auch für alle anderen Richtlinien zur Freigabe und Prüfung von Vorgängen. Ein Vier-Augen-Prinzip ist wertlos, wenn nicht klar geregelt ist, wer was zu prüfen und zu kontrollieren hat. |
Einrichtung eines Kontrollorgans
Die Kontrolle durch ein unabhängiges Gremium reduziert in der Praxis das Risiko, dass es tatsächlich zu Entscheidungen kommt, die den vertretbaren Rahmen überschreiten, weil dabei z. B. eine noch nicht ausreichende Informationsgrundlage offenbar wird. Dies gilt natürlich nur, wenn das Kontrollgremium effektiv kontrollieren kann und dies auch tatsächlich tut.
Ob dies gelingt, hängt auch vom Vorstand ab. Er sollte sorgfältig überlegen, welche Informationen er dem Gremium in welcher Form vorlegt, damit dieses fundierte Entscheidungen treffen kann. Dazu gehört nicht nur die Ermöglichung der Ex-post-Kontrolle. Fast noch wichtiger ist es, Entscheidungen, die für die Stiftung eine gewisse Tragweite haben, proaktiv zu begleiten. Im Idealfall sieht der Stiftungsvorstand das Aufsichtsgremium nicht als lästigen Aufpasser, sondern als hilfreichen Sparringspartner.
Wichtig | Dem Vorstand sollte bewusst sein, dass die eigene Haftung nicht dadurch herabgesetzt wird, dass das Kontrollorgan die Entscheidung mitgetragen hat. Denn das Verschulden des anderen Organs wird bei der eigenen Schadenersatzpflicht nicht schadensmindernd angerechnet.
Compliance-Management und Dokumentation
In der Praxis besteht für den Stiftungsvorstand die Herausforderung, die wachsende Zahl der zu beachtenden Vorschriften sowie die Rechtsprechung im Blick zu behalten und bei der täglichen Arbeit zu berücksichtigen. Vorstände gemeinnütziger Stiftungen müssen insbesondere sicherstellen, dass alle für die Gemeinnützigkeit relevanten Tatsachen bekannt sind und bei Entscheidungen entsprechend berücksichtigt werden. Dies erfordert Kenntnis der Rechtslage, wie sie sich aus Finanzverwaltungserlassen und der finanzgerichtlichen Rechtsprechung ergibt.
Der Nutzen eines Compliance-Management-Systems
Ein sog. Compliance-Management-System (CMS) kann dabei helfen. Mithilfe dieses internen Regelwerks soll systematisch verhindert werden, dass es zu Rechtsverstößen kommt. Das CMS sollte individuell auf die Stiftung zugeschnitten sein. Sein Erfolg hängt ganz wesentlich von der individuellen Risikoanalyse ab, die der Entwicklung interner Regelungen vorzuschalten ist.
Die Einführung eines CMS ist häufig weniger aufwändig als von manchem Vorstand befürchtet. In der Regel gibt es innerhalb der Stiftung bereits gelebte Strukturen, auch wenn sie nicht verschriftlicht sind. Diese Strukuren bilden eine gute Grundlage, weil sie sich in der Praxis bewährt haben. Das Gelebte braucht dann nur auf Lücken, die meist an den Schnittstellen von verschiedenen internen Zuständigkeiten bestehen, untersucht, ggf. ergänzt und ‒ mit Augenmaß ‒ verschriftlicht werden.
Wichtig | Wichtiger als eine Vielzahl von Richtlinien ist, dass insbesondere die zuvor identifizierten individuellen Risiken abgedeckt werden. Wird die Risikoanalyse sorgfältig und ehrlich durchgeführt, bringt ein CMS einen echten Mehrwert in puncto Haftungsvermeidung.
Auch im CMS ist Dokumentation das Mittel der Wahl
Zudem ist eine ordentliche Dokumentation zu empfehlen. Diese ist nicht nur essenziell, damit sich der Vorstand auf die Business Judgement Rule berufen kann. Sie erleichtert auch die regelmäßige Überprüfung der Risikoeinschätzung, der Richtlinien und sonstigen internen Anweisungen, sodass Anpassungen, die z. B. aufgrund von Wachstum oder anderen Veränderungen erforderlich werden, nicht übersehen werden.
Wichtig | Ein gutes Compliance Management prüft interne Regelungen und Prozesse regelmäßig und passt sie an. Wer es schafft, dass das CMS und dessen Überprüfung tatsächlich gelebt werden, wird Haftungsfallen zum großen Teil vermeiden. Ist ein CMS eingeführt, wird dem Stiftungsvorstand typischerweise kein Organisationsverschulden bei Verstößen einzelner Mitarbeiter mehr vorgeworfen werden können.
D&O-Versicherung und VSH
Trotz allem können in der täglichen Arbeit natürlich Fehler passieren. Damit der handelnde Vorstand bzw. die Stiftung vor Schäden geschützt sind, bietet es sich deshalb an, ergänzende Versicherungen abzuschließen. Es kommen zwei Arten von Versicherungen in Betracht:
- Die klassische D&O-Versicherung: Sie deckt den Schadenersatzanspruch, den die Stiftung gegen das Vorstandsmitglied hat. Die D&O-Versicherung schützt also unmittelbar das einzelne Vorstandsmitglied.
- Die Vermögensschadenshaftpflichtversicherung: Sie schützt die Stiftung.
Bei einer D&O-Versicherung ist zu berücksichtigen, dass diese ‒ anders als eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung ‒ nur eingreift, wenn das handelnde Organmitglied in Anspruch genommen wird. Typischerweise schützen D&O-Versicherungen nicht gegen vorsätzliches Handeln, oft auch nicht gegen Steuerrisiken.
PRAXISTIPP | Sieht die Stiftungssatzung eine Beschränkung der Haftung des Vorstands auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz vor, hilft die D&O-Versicherung des Unternehmens nur, wenn die Versicherung eine sog. (sublimitierte) Eigenschadendeckungsklausel aufweist. So bleibt die Stiftung bei leichter Fahrlässigkeit nicht auf dem Schaden sitzen. |
Weiterführende Hinweise
- Beitrag „Compliance-Management-System (CMS) nicht als lästige Pflicht, sondern als Chance sehen“, SB 9/2020, Seite 180 → Abruf-Nr. 46806089
- Beitrag „Persönliche Haftung von Vorstandsmitgliedern“, SB 4/2019, Seite 67 → Abruf-Nr. 45808503
- Beitrag „Compliance bei Stiftungen: Überlegungen zu Problemlösungen“, SB 3/2019, Seite 42 → Abruf-Nr. 45597649