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  • · Fachbeitrag · Mittelverwendung (Teil 2)

    Zeitnahe Mittelverwendung und Mittelfehlverwendung bei Stiftungen

    von RAin Gabriele Ritter, FAin für Steuer- und Sozialrecht, Ritter&Partner mbB, Rechtsanwälte und Steuerberater, Wittlich

    | Gemeinnützige Stiftungen haben ihre gesamten Mittel für die satzungsmäßigen Zwecke einzusetzen. Soweit keine zulässigen Rücklagen gebildet werden können, sind diese Mittel grundsätzlich zeitnah zu verwenden. Was genau darunter zu verstehen ist und welche Ausnahmen in der AO oder seitens der Finanzverwaltung bzw. der Gerichte zugelassen werden, damit beschäftigt sich selektiv dieser zweite Beitragsteil. |

    1. Rechtliche Grundlage

    Nach § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO muss die Körperschaft ihre Mittel vorbehaltlich der Bildung möglicher Rücklagen nach § 62 AO zeitnah für eigene steuerbegünstigte Zwecke verwenden.

     

    1.1 Eigene steuerbegünstigte Zwecke

    Grundsätzlich muss eine steuerbegünstigte Einrichtung sämtliche Mittel zur unmittelbaren Erfüllung der eigenen steuerbegünstigten Zwecke einsetzen. Die finanzielle Unterstützung einer anderen Gesellschaft verstößt im Kern gegen das Gebot der Selbstlosigkeit (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 AO). Dies gilt zunächst unabhängig davon, ob die unterstützte Gesellschaft gemeinnützig ist oder nicht und ob es sich z. B. um eine Beteiligungsgesellschaft handelt.

     

    Die AO sieht von dem Gebot des selbstlosen Handelns und der zeitnahen Mittelverwendung für eigene Zwecke Ausnahmen vor. Soweit es sich bei einer Stiftung (oder einer anderen steuerbegünstigten Körperschaft) um eine Förderkörperschaft i. S. d. § 58 Nr. 1 AO handelt, ist die finanzielle Unterstützung anderer steuerbegünstigter Körperschaften oder Körperschaften des öffentlichen Rechts unschädlich, wenn eine entsprechende „Beschaffung von Mitteln“ satzungsmäßige Aufgabe der Stiftung ist. Voraussetzung ist aber, dass die Mittel von der empfangenden Körperschaft für steuerbegünstigte Zwecke eingesetzt werden. Ferner ist Voraussetzung, dass die von der Förderkörperschaft erwirtschafteten Mittel an solche Körperschaften weitergeleitet werden, deren steuerbegünstigte Satzungszwecke denen der Förderkörperschaft entsprechen. Andernfalls liegt eine gemeinnützigkeitsgefährdende Mittelfehlverwendung vor (FG Hessen 26.4.12, 4 K 2239/09, Abruf-Nr. 121999).

     

    Ist die Stiftung nicht Förderkörperschaft, enthält ihre Satzung also keinen Hinweis auf Mittelweiterleitungen nach § 58 Nr. 1 AO, ist es ihr nur erlaubt, einen Teil ihrer Mittel nach § 58 Nr. 2 AO anderen steuerbegünstigten Einrichtungen oder einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zur Verfolgung derer steuerbegünstigter Zwecke zuzuwenden, nicht jedoch die gesamten Mittel. Die Zwecke der nach dieser Vorschrift begünstigten Einrichtung müssen nicht notwendigerweise den Zwecken der „Geberkörperschaft“ entsprechen.

     

    Das Ehrenamtsstärkungsgesetz hat eine weitere Ausnahme in § 58 Nr. 3 AO gebracht. Danach kann eine Körperschaft ihre Überschüsse aus der Vermögensverwaltung, ihre Gewinne aus dem wGB ganz oder teilweise und darüber hinaus höchstens 15 Prozent ihrer sonstigen nach § 55 Abs. 1 Nr. 5 zeitnah zu verwendenden Mittel einer anderen steuerbegünstigten Körperschaft oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts zur Vermögensausstattung zuwenden. Die aus den Vermögenserträgen zu verwirklichenden steuerbegünstigten Zwecke müssen allerdings den steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecken der zuwendenden Körperschaft entsprechen. Die nach dieser Nummer zugewandten Mittel und deren Erträge dürfen nicht für weitere Mittelweitergaben i. S. d. ersten Satzes verwendet werden.

     

    Die (endgültige) Mittelüberlassung an gewerbliche Unternehmen ist nach der AO nicht möglich, auch wenn diese gemeinnützige Zwecke erfüllen sollte. Eine Ausnahme sieht § 58 Nr. 4 AO für die Überlassung von Arbeitskräften vor.

     

    1.2. Zeitnahe Mittelverwendung

    Zeitnah bedeutet, dass die Mittel spätestens in den auf den Zufluss folgenden 2 Kalenderjahren für steuerbegünstigte Zwecke verwendet werden müssen (zur Rücklagenbildung, SB 18, 80).

     

    • Beispiel

    Ausgangsbeispiel: Eine Stiftung hat z. B. Spenden, die sie im Kalenderjahr 2018 erhält, spätestens bis zum 31.12.20 für steuerbegünstigte Zwecke einzusetzen.

     

    Abwandlung: Eine Stiftung hat in 2016 2.000 EUR, in 2017 5.000 EUR und in 2018 (bislang) 3.500 EUR erhalten. Die Beträge sind jeweils auf unterschiedlichen Konten eingegangen. Unstreitig hat die Stiftung bis Ende 2018 mindestens 2.000 EUR einzusetzen; doch von welchem Konto?

     

    Laut BFH (20.3.17, X R 13/15, Abruf-Nr. 195795) ist dem Gebot zeitnaher Mittelverwendung nicht nur Genüge getan, wenn das konkrete Guthaben, das auf einem projektbezogenen Bankkonto der gemeinnützigen Körperschaft durch Spendeneingänge entstanden ist, innerhalb der gesetzlichen Mittelverwendungsfrist für die gemeinnützigen Zwecke verwendet wird. Es genügt vielmehr, wenn die projektbezogenen Aufwendungen innerhalb der gesetzlichen Frist von einem anderen Bankkonto der gemeinnützigen Körperschaft bezahlt werden. Der BFH geht also von einer Globalbetrachtung aus, in die sämtliche vorhandenen ‒ bzw. zeitnah zu verwendenden ‒ Mittel, aber auch sämtliche Mittelverwendungen bzw. Investitionen einzubeziehen sind. Vor diesem Hintergrund ist es für den abgewandelten Fall unerheblich, von welchem Konto die Verwendung erfolgt.

    2. Besonderheiten für Stiftungen

    Speziell für steuerbegünstigte Stiftungen gelten weitere Befreiungstatbestände für den Mitteleinsatz.

     

    2.1 Unterhalt von Angehörigen des Stifters

    Nach § 58 Nr. 6 AO wird die Steuervergünstigung nicht ausgeschlossen, wenn die gemeinnützige Stiftung höchstens ein Drittel ihres Einkommens dazu verwendet, um in angemessener Weise den Stifter und seine nächsten Angehörigen zu unterhalten, ihre Gräber zu pflegen und ihr Andenken zu ehren. Allerdings müssen die Zahlungen angemessen sein. Es kommt deshalb auch auf die jeweiligen Lebensumstände der Begünstigten an. Einer speziellen Erwähnung in der Satzung bedarf es nicht.

     

    2.2 Thesaurierung von Mitteln

    Eine Stiftung kann im Jahr ihrer Errichtung und in den 3 folgenden Kalenderjahren Überschüsse aus der Vermögensverwaltung und die Gewinne aus wGB nach § 14 AO ganz oder teilweise ihrem Vermögen zuführen (§ 62 Abs. 4 AO).

    3. Dauerthema: Verlustausgleich im steuerpflichtigen Bereich

    Verluste im steuerpflichtigen wGB sind wegen (möglicher) satzungswidriger Mittelfehlverwendungen gemeinnützigkeitsrechtlich höchst problematisch. Grundsätzlich dürfen zum Ausgleich solcher Verluste keine gemeinnützigkeitsrechtlich gebundenen Mittel der Körperschaft eingesetzt werden. Dies gilt auch für Gewinne aus der Vermögensverwaltung oder freie Rücklagen, da diese Mittel dann endgültig zu nicht satzungsgemäßen Zwecken verbraucht sind.

     

    3.1 Verlustentstehung

    Als Verlust gilt allerdings nur das Negativergebnis des sog. einheitlichen steuerpflichtigen wGB, § 64 Abs. 2 AO. Die Vorschrift besagt, dass bei einer Körperschaft, die mehrere steuerpflichtige wGB unterhält, diese zu einem einheitlichen wGB zusammengefasst werden. Gewinne und Verluste der steuerpflichtigen Unternehmungen werden also zunächst saldiert. Erst wenn sodann ein Defizit verbleibt, stellt sich die Frage des Gemeinnützigkeitsverstoßes. Allerdings besteht die Gefahr, dass insofern ‒ bezogen auf den einzelnen steuerpflichtigen wGB ‒ durchaus eine nicht zulässige Drittbegünstigung vorliegen kann, § 55 Abs. 1 Nr. 3 AO.

     

    Damit ein Verlust im einheitlichen steuerpflichtigen wGB entsteht, kommt es also entscheidend auf eine zutreffende Einschätzung an, welcher Sphäre die Betätigung zuzuordnen ist. Auf die Gefahr der unzutreffenden steuerlichen Einschätzung einer wirtschaftlichen Tätigkeit (als steuerpflichtig oder als steuerfrei im Rahmen eines Zweckbetriebs) hat z. B. die OFD Nordrhein-Westfalen (26.1.15, S 0186-2014/0002-St 15) im Rahmen der steuerlichen Beurteilung von Zytostatikalieferungen im Krankenhausbereich wie folgt hingewiesen:

     

    „In der Praxis können Fälle auftreten, in denen die Umqualifizierung der (regelmäßig ertragreichen) Abgabe von Zytostatikapräparaten vom steuerpflichtigen wGB (§ 64 AO) in einen Zweckbetrieb (§ 67 AO) dazu führt, dass die Verluste übriger dauerdefizitärer Tätigkeiten nicht mehr im Wege des § 64 Abs. 2 AO ausgeglichen werden können. Der Ausgleich etwaiger Verluste aus steuerpflichtigen wGB mit Mitteln, die gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 AO gemeinnützigkeitsrechtlich gebunden sind, stellt eine Mittelfehlverwendung dar, die in dem betreffenden Jahr zum Entzug der Steuerbegünstigung führen kann.“

     

    Eine Fehleinschätzung der wirtschaftlichen Tätigkeit kann folglich für die Gemeinnützigkeit einer Körperschaft erhebliche Auswirkungen haben, da ggf. Verrechnungspotenzial verloren geht.

     

    3.2 Ausnahmen

    Nur in besonderen Ausnahmefällen ist der Einsatz zeitnah zu verwendender Mittel zum Verlustausgleich möglich. Bei dem Aufbau eines neuen Betriebs ist eine Verwendung von Mitteln des ideellen Bereichs für den Ausgleich von Verlusten unschädlich für die Steuerbegünstigung, wenn mit Anlaufverlusten zu rechnen war. In diesem Fall aber muss die Körperschaft i. d. R. innerhalb von 3 Jahren nach dem Ende des Entstehungsjahres des Verlusts dem ideellen Bereich wieder Mittel zuführen, die gemeinnützigkeitsunschädlich dafür verwendet werden dürfen (OFD Nordrhein-Westfalen 26.1.15, S 0186-2014/0002-St 15, AEAO Nr. 7 zu § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO, AEAO Nr. 3‒8 zu § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO).

     

    Im Ergebnis kommt es bei diesem Ausnahmefall wie auch bei den weiteren durch die Finanzverwaltung angenommenen Ausnahmefällen (s. dazu AEAO Nr. 3 bis 8 zu § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO) darauf an, dass die zum Verlustausgleich eingesetzten Mittel gemeinnützigkeitsunschädlich zurückgeführt werden. Ein sodann endgültig verbleibender Verlust kann die Gemeinnützigkeit gefährden.

     

    Diese Auffassung der Finanzverwaltung wird in der Literatur als zu eng abgelehnt. Nach Hüttemann (Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 3. Aufl., S. 451, Rn. 6.22) kann eine sachgerechte Lösung des Verlustthemas nur gefunden werden, wenn man das Problem der tatsächlichen Verlustentstehung weg hin zu der Entscheidung der Organe über die Aufnahme und Fortführung einer wirtschaftlichen Tätigkeit verlagert. Maßgebend soll sein, ob die Investition aus der Perspektive ex ante wirtschaftlich vertretbar war. Maßgebend ist also nicht der Verlust als solcher, sondern die Verlustursache. Treten z. B. unvorhergesehene Umstände auf, könnte dies für die Verlustentstehung „exkulpierend“ wirken.

     

    Der Beschluss des BFH vom 1.7.09, I R 6/08 könnte ein Indiz für dafür sein, dass er sich dieser Auffassung nicht prinzipiell entzieht. Im entschiedenen Fall bestätigte der BFH die Auffassung der Finanzverwaltung zum Entzug der Gemeinnützigkeit; dies aber nur deshalb, weil der Verein den (dauer-)verlustbringenden Betrieb fortgesetzt hatte. Der BFH hat sich somit nicht ausschließlich nur auf die Tatsache des Verlusts und seines Ausgleichs bezogen.

     

    Damit entspricht der BFH im Kern dem o. a. Ansatz in der Literatur, dem offensichtlich auch Kümpel (Leistungsbeziehungen zwischen verbundenen gemeinnützigen Körperschaften, FR 2014/ 51) in nicht dienstliche Eigenschaft als Vertreter der Finanzverwaltung folgt, wenn er darauf abstellt, dass es für die gemeinnützigkeitsrechtliche Betrachtung darauf ankommt, wann die wirtschaftliche Tätigkeit eingestellt wird.

     

    Beachten Sie | Sobald absehbar ist, dass durch den wGB zeitnah keine Überschüsse mehr erzielt werden können, ist ‒ so Kümpel ‒ die wirtschaftliche Tätigkeit einzustellen. Erfolgt dies nicht, sei die Gemeinnützigkeit abzuerkennen.

    4. Für Stiftungen wichtig: Vermögensverwaltung

    Die dargestellten gemeinnützigkeitsrechtlichen Restriktionen bei Verlusten im steuerpflichtigen wGB gelten entsprechend auch für die Vermögensverwaltung. Eine satzungswidrige Mittelverwendung liegt damit auch vor, wenn durch Vermietung oder Verpachtung von Immobilien oder durch Finanzanlagen entstehende Verluste durch gemeinnützigkeitsrechtlich gebundene Mittel ausgeglichen werden. Daran ändert der Umstand nichts, dass die Vermögensverwaltung in § 14 AO ausdrücklich von steuerpflichtigen wGB abgegrenzt und sie der steuerbefreiten Sphären zugeordnet wird. Mit der Vermögensverwaltung wird nämlich ‒ genauso wie bei steuerpflichtigen wGB ‒ gerade keine unmittelbar steuerbegünstigte (gemeinnützige) Tätigkeit ausgeübt. Der Einsatz satzungsmäßiger Mittel verbietet sich daher auch hier.

     

    Grundsätzlich unerheblich für den Mitteleinsatz und die Mittelverwendung ist die Frage der Anlagestrategie. Weder geben das Gemeinnützigkeitsrecht noch etwaige Verlautbarungen der Finanzverwaltung verbindliche Anlagestrategien vor. In Niedrigzinsphasen kann es daher aus der Sicht der AO unschädlich sein, wenn anstelle von rein konservativen Anlagen zugunsten höherer Ertragschancen auf Anlageprodukte zurückgegriffen wird, die ein höheres Risikopotenzial aufweisen, soweit die Investition nicht das Gesamtvermögen gefährdet. Eine ordnungsgemäße Geschäftsführung setzt insofern voraus, dass eine Anlagestrategie verfolgt wird, welche die Tragfähigkeit der Vermögensbasis als materielle Voraussetzung für die Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke stärkt (s. dazu FG Münster 11.12.14, 3 K 323/12 Erb). Werden Verluste erzielt, kann auch hier auf die Aussagen zum steuerpflichtigen wGB verwiesen werden. Handelt es sich bei einer ex ante-Betrachtung um eine vernünftige Anlagestrategie, so kann die Verlustentstehung ggf. exkulpiert werden. Empfehlenswert ist also auch die Entwicklung von Anlagestrategien.

    5. Folgen bei Verstoß gegen die Mittelverwendungspflicht

    Hat die Körperschaft ohne Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen Mittel angesammelt, kann das Finanzamt ihr eine angemessene Frist für die Verwendung der Mittel setzen. Die tatsächliche Geschäftsführung gilt als ordnungsgemäß i. S. d. Absatzes 1, wenn die Körperschaft die Mittel innerhalb dieser Frist für steuerbegünstigte Zwecke verwendet, § 64 Abs. 4 AO. Mit dieser durch das Ehrenamtsstärkungsgesetz eingeflossenen Regelung erfolgte eine Kodifizierung bereits zuvor gehandhabter Praxis, nicht unmittelbar bei jedem Verwendungsverstoß die Gemeinnützigkeit zu entziehen. Diese Regelung wird nicht nur auf unzulässige Mittelansammlungen, sondern auch auf unzulässige Mittelfehlverwendungen entsprechend angewendet.

     

    Grundsätzlich können vor allem freie Rücklagen dazu dienen, Mittelfehlverwendungen zu heilen. Auch können seitens der Finanzverwaltung konkrete Auflagen z. B. zum besseren Umgang mit Stiftungsvermögen gemacht werden. Erfolgt allerdings strategisch und bewusst eine Missachtung steuerlicher Vorschriften, wird der direkte Entzug der Gemeinnützigkeit wahrscheinlich(-er).

     

    Weiterführender Hinweis

    • Teil 1 der Beitragsreihe zur Mittelverwendung finden Sie in SB, 18, 80
    Quelle: Ausgabe 07 / 2018 | Seite 132 | ID 45347059