· Fachbeitrag · Einkommensteuer
Veranlagung in Trennungs- und Scheidungsfällen
von RA und Notar a.D. Jürgen Gemmer, FA Steuerrecht, Magdeburg
| Trennen sich Eheleute, sind Fragen der Vermögensauseinandersetzung unausweichlich. Ein Hauptproblem ergibt sich aus der Frage, ob ein Ehepartner von dem anderen in der Trennungs-/Scheidungszeit die Mitwirkung an einer Zusammenveranlagung fordern kann. Die steuerliche Veranlagung wirkt sich auch auf andere familienrechtliche Kernfragen, z.B. den Unterhalt, aus und ist Teil einer umfänglichen anwaltlichen Beratung. |
1. Steuerrechtliche Rahmenbedingungen - Grundzüge
Nach § 26 Abs. 2 S. 1 EStG werden Ehegatten getrennt veranlagt, wenn ein Ehegatte getrennte Veranlagung wählt. Eine Zusammenveranlagung nach § 26b EStG oder besondere Veranlagung nach § 26c EStG erfolgt nach § 26 Abs. 2 S. 2 EStG, wenn beide Ehegatten die betreffende Art wählen.
Wichtig |
- Getrennte Veranlagung: Wahl durch einen Ehegatten
- Zusammenveranlagung: Wahl durch beide Ehegatten
Die Wahl der Veranlagungsart kann bis zur Bestandskraft des Zusammenveranlagungsbescheids oder bei getrennter Veranlagung beider Bescheide geändert werden. Wird getrennt veranlagt und hat nur ein Bescheid Bestandskraft, wird er bei Änderung der Wahl nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO aufgehoben. Es ergeht ein Zusammenveranlagungsbescheid (BFH DStR 05,1359).
2. Familienrechtliche Gesichtspunkte
Ist ein Ehegatte verpflichtet, der vom anderen Ehegatten gewünschten Zusammenveranlagung zuzustimmen oder kann er zu Recht ohne dessen Mitwirkung getrennte Veranlagung wählen? Es gelten folgende Grundsätze:
- Aus dem Wesen der Ehe ergibt sich für beide Ehegatten die Verpflichtung, die finanziellen Lasten des anderen zu vermindern, soweit dies ohne Verletzung eigener Interessen möglich ist, § 1353 BGB. Die Pflicht bleibt auch nach der Scheidung als Nachwirkung der Ehe bestehen (BGH FamRZ 77, 38).
- Der die Zustimmung verlangende Ehegatte ist zum internen Ausgleich verpflichtet, wenn sich bei dem anderen Ehegatten die Steuerschuld wegen der Zusammenveranlagung im Vergleich zur getrennten Veranlagung erhöht. Dies gilt nicht, wenn die Ehegatten eine andere Aufteilung zumindest konkludent vereinbart haben (BGH FamRZ 02, 1024).
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Besteht die Pflicht eines Ehegatten, der Zusammenveranlagung zuzustimmen, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft im Veranlagungszeitraum noch bestand und die Ehegatten nach den Steuerklassen III/V besteuert wurden? |
Die Parteien trennten sich im März 06, die Scheidung erfolgte im Juli 08. In den Jahren 03 bis 05 erzielten beide Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Entsprechend einer von ihnen in den Vorjahren gemeinsam getroffenen Wahl erfolgt beim Ehemann M der Abzug der Lohnsteuer nach der Steuerklasse III, bei der Ehefrau F nach der Steuerklasse V. Unmittelbar nach der Trennung beantragte F getrennte Veranlagung nach § 26a EStG für die Jahre 03 bis 05. Das Finanzamt erstattete ihr 6.000 EUR. Die Bescheide sind bestandskräftig. Daraufhin wurde auch M getrennt zur Einkommensteuer veranlagt. Für ihn ergab sich eine Nachzahlung von 10.000 EUR. Die Bescheide sind nicht bestandskräftig. Bei einer Zusammenveranlagung hätte sich für M eine Nachzahlung von 2.500 EUR ergeben - vorausgesetzt, die F würde die 6.000 EUR an das Finanzamt erstatten.
M verlangt von F die Zustimmung zur Zusammenveranlagung Zug um Zug gegen Freistellung von der Nachzahlungsverpflichtung in Höhe von 2.500 EUR, nicht jedoch in Höhe der weiteren, der F erstatteten 6.000 EUR. |
Der BGH hat der Klage stattgegeben und ausgeführt:
- Die Zustimmungspflicht besteht, wenn der die Zustimmung verlangende Ehegatte im Innenverhältnis die Steuerschuld des anderen übernimmt, soweit sie sich für diesen über die getrennte Veranlagung hinaus ergibt.
- Die Übernahmepflicht gilt nicht, wenn die Ehegatten eine andere Aufteilung der Steuerschuld konkludent vereinbart haben. Genau dies erfolgt aber durch die Steuerklassenwahl III/V. Wegen dieser Wahl nahm F in Kauf, dass das höhere Einkommen des M relativ niedrig und ihr niedrigeres Einkommen hoch besteuert wurden. Daran muss sie sich festhalten lassen.
- Etwas anderes würde gelten, wenn der Ehepartner mit der ungünstigen Steuerklasse von vornherein einen entsprechenden Vorbehalt (der natürlich einer ehelichen Lebensgemeinschaft fernliegt) ausgesprochen hätte.
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Die Eheleute haben sich im Oktober 08 getrennt. Beide erzielten in 08 Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit. M hatte die Lohnsteuerklasse III, F die Lohnsteuerklasse V. Diese Wahl war getroffen worden, weil M wesentlich höheres Einkommen hatte. F beantragte in 09 für 08 die getrennte Veranlagung. Sie erhielt eine Erstattung in Höhe von 3.000 EUR. Der Steuerbescheid ist bestandskräftig. M wurde ebenfalls getrennt zur Einkommensteuer veranlagt. Bei ihm ergab sich eine Nachzahlung von 4.000 EUR. Bei Zusammenveranlagung hätte sich lediglich ein Nachzahlungsbetrag von 300 EUR ergeben. Es wird vorausgesetzt, dass F die 3.000 EUR zurückgezahlt hätte.
M verlangt Zustimmung zu einer Zusammenveranlagung gegen Freistellung in Höhe des Nachzahlungsbetrags von 300 EUR. |
Der BGH hat folgende Grundsätze formuliert:
- Bis zum Zeitpunkt der Trennung gelten die Ausführungen zum ersten Beispiel. Die Ehegatten haben eine konkludente Vereinbarung getroffen, sodass keine Übernahmeverpflichtung besteht.
- Nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft besteht für einen Ehegatten kein Anlass mehr, an der früheren Übung festzuhalten (BGH DStR 06, 1455). Zwar kann argumentiert werden, dass mit dem aus den Steuerklassen III und V erzielten Einkommen gemeinsam gewirtschaftet worden ist, weil auf dieser Grundlage Ehegattenunterhalt gezahlt wurde. Ist dies aber nicht der Fall, besteht für den Ehegatten, der weiterhin die Steuerklasse V hat, kein Grund mehr, seine höhere Steuerlast zu tragen.
- Danach kann F nicht beanspruchen, einer Zusammenveranlagung nur gegen Zahlung des ihr erstatteten Betrags von 3.000 EUR zustimmen zu müssen. Sie hat aber Anspruch auf Ausgleich ihres steuerlichen Nachteils.
- Der Nachteil der F wäre abgegolten, wenn M auf der Grundlage der nach den Steuerklassen III und V erzielten Einkünfte der Ehegatten Trennungsunterhalt für Oktober bis Dezember 08 gezahlt haben sollte. Dann wäre F an dem Gesamteinkommen beteiligt worden und könnte über die Zusage des M hinaus, sie von einer Steuernachzahlung aufgrund der Zusammenveranlagung freizustellen, keinen weiteren Nachteilsausgleich verlangen.
- Ist dagegen kein Trennungsunterhalt gezahlt worden, entsteht für F für die Zeit nach der Trennung eine zusätzliche Belastung, von deren Ausgleich sie ihre Zustimmung zur Zusammenveranlagung abhängig machen kann. Denn sie hat ihr Einkommen nach Steuerklasse V anstatt nach Steuerklasse I versteuert und dadurch einen steuerlichen Nachteil getragen, den sie durch eine getrennte Veranlagung hätte vermeiden können. Sie kann deshalb verlangen, so gestellt zu werden, als wäre für die Zeit nach der Trennung eine getrennte steuerliche Veranlagung durchgeführt worden.
3. Wahl der Veranlagungsart
Der Steuerpflichtige kann das auf dem Mantelbogen zur ESt-Erklärung zutreffende Kästchen „getrennte Veranlagung“ oder „Zusammenveranlagung“ wählen. Außerhalb des Vordrucks muss dem Finanzamt der Wunsch nach Wechsel der Veranlagungsart schriftlich mitgeteilt oder zu Protokoll des Finanzamtes erklärt werden. Die Formulierung könnte wie folgt lauten:
Musterformulierung / Wechsel der Veranlagungsart |
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