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  • · Fachbeitrag · Haftungsrecht

    Einsatz des Privatfahrzeugs bei Dienstfahrten: Ein von Arbeitgebern unterschätztes Risiko?

    von RAin Dr. Cornelia Hansen, LL.M., FA Arbeitsrecht, Münster

    | Wird das Privatfahrzeug des ArbN bei einer dienstlichen Fahrt beschädigt, ohne dass ein Dritter einstandspflichtig ist, kann der ArbN vom ArbG unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne entsprechende vertragliche Regelung Aufwendungsersatz analog § 670 BGB für den erlittenen Schaden verlangen. |

    1. Anwendbarkeit des § 670 BGB analog

    Zwar scheitert eine direkte Anwendung des § 670 BGB am Fehlen eines 
unentgeltlichen Auftragsverhältnisses. Eine analoge Anwendung ist aber 
wegen der vergleichbaren Interessenlage - Fremdnützigkeit des Arbeitsverhältnisses - und der bestehenden Regelungslücke allgemein anerkannt. Zu den ersatzfähigen Aufwendungen zählen auch die unfreiwillig bei Ausführung der Arbeit wegen Beschädigung eigener Sachen erlittenen Sach- und Vermögensschäden. Der ArbG darf nämlich das Schadensrisiko nicht auf den ArbN abwälzen, wenn er sich dessen eingebrachter Sachen als Arbeitsmittel bedient. Als nach § 670 BGB analog grundsätzlich erstattungsfähige Schäden gelten daher auch solche, die der ArbN an seinem privaten PKW bei einer Dienstfahrt erleidet.

    2. Anspruchsvoraussetzungen bei Schäden am Privatfahrzeug

    Das BAG (NJW 81, 702) hat die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch im Falle eines Pkw-Unfalls statuiert. Grundsätzlich können nur solche Schäden ersetzt werden, für die der ArbN keine Vergütung erhielt und die dem Betätigungsbereich des ArbG zuzuordnen sind. Nicht zu erstatten sind dem privaten Lebensbereich des ArbN zuzuordnende Schäden. Diese Grundsätze gelten auch für Schäden an Kraftfahrzeugen.

     

    Checkliste / Ersatzanspruch bei Pkw-Schäden

    Zusammengefasst kommt ein Ersatzanspruch wegen Schäden am Pkw also (nur) in Betracht, wenn:

     

    • a)der Schaden auf einer Fahrt eintrat, die der betrieblichen Sphäre zuzuordnen ist und nicht dem privaten Lebensbereich,
    • b)ein Schaden am eigenen PKW des ArbN entstanden ist, für den kein Dritter ersatzpflichtig ist,
    • c)der ArbG dem ArbN keine besondere Vergütung zur Abgeltung etwaiger Schäden zahlt, und
    • d)dem ArbN nach den allgemeinen Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs allenfalls leichte oder mittlere Fahrlässigkeit zur Last fällt.
     

     

    a) Betriebliche Sphäre

    Bei der Einstufung als „betriebliches Risiko“ oder „allgemeines Lebensrisiko“ ist eine Einzelfallbewertung anhand der allgemeinen Definition des BAG vorzunehmen. Es (a.a.O.) stellt darauf ab, ob der ArbG ohne den Einsatz des Kraftfahrzeugs des ArbN ein eigenes Fahrzeug einsetzen und das damit verbundene Unfallrisiko tragen müsste. Zudem hat es den Anwendungsbereich des Erstattungsanspruchs wie folgt erweitert (NZA 07, 870): „Im Betätigungsfeld des ArbG wird das Fahrzeug des ArbN auch dann eingesetzt, wenn der ArbN aufgefordert wird, das eigene Fahrzeug zu nutzen, statt eines Fahrzeugs des ArbG. (…) Die Benutzung eines eigenen Fahrzeugs durch den ArbN fällt in den Risikobereich des ArbG, wenn sie auf dessen Verlangen erfolgt.“

     

    Dagegen sind dem allgemeinen Lebensrisiko zuzuordnen:

     

    • die Benutzung des eigenen Pkw auf Dienstreisen oder Fahrten zu auswärtigen Arbeits- oder Lehrgangsorten, die nur der persönlichen Arbeitserleichterung oder der persönlichen Zeitersparnis dient (BAG NJW 79, 1423),
    • die Erledigung von Dienstaufgaben, die der ArbN ebenso gut oder fast ebenso gut ohne Auto hätte erledigen können und das Auto nur zur persönlichen Erleichterung benutzt (BAG NJW 81, 702).

     

    Trotz der Versuche der Rechtsprechung, durch allgemeine Abgrenzungskriterien die Ersatzfähigkeit für Pkw-Schäden zu regeln, bleibt es im Einzelfall schwer einzuordnen, wann der ArbG ein eigenes Fahrzeug hätte einsetzen müssen, und wann der Einsatz nur der persönlichen Erleichterung diente.

    • Beispiel

    Fraglich ist z.B., ob ein erstattungsfähiger Schaden anzunehmen wäre, wenn der ArbN sich auch zwecks persönlicher Erleichterung zur Nutzung des eigenen Pkw entscheidet, diese Nutzung jedoch dem ArbG zugutekommt, weil sie mit einer Zeitersparnis verbunden ist und so beispielsweise mehr Aufträge erledigt bzw. vergütungspflichtige Überstunden vermieden werden können. Bei strikter Anwendung der Abgrenzungskriterien der Rechtsprechung könnte die Erstattungsfähigkeit in diesem Fall daran scheitern, dass der ArbG alternativ kein eigenes Fahrzeug einsetzen müsste. Andererseits dürfte dieses Ergebnis weder den Interessen des ArbG noch denen des ArbN gerecht werden.

     

    Nur eine weite Auslegung der Voraussetzung, dass „die Arbeitsleistung nicht anders erbracht werden kann“, kann dem Sinn und Zweck des Aufwendungsersatzanspruchs nach § 670 BGB analog gerecht werden. Dieser muss - im Interesse des ArbG und ArbN - auch auf die Fälle erstreckt werden, dass die Nutzung des Privat-Pkw aus der Sicht des ArbG vorteilhaft bzw. gewünscht und nicht „notwendig“ ist. Auch dann ist eine Überbürdung des Schadensrisikos auf den ArbN nicht interessengerecht. So scheint es auch die Rechtsprechung zu sehen. Dafür spricht zum einen die o.g. Ergänzung des Anwendungsbereichs durch das BAG (NZA 07, 870). Zum anderen hat das BAG (DB 11, 2382) klargestellt, dass es für den Anspruch keine Rolle spiele, ob der Schaden während oder außerhalb der Arbeitszeit eingetreten ist.

     

    Zudem hat das BAG in der letzten Entscheidung zwei weitere Punkte angesprochen, die den Anwendungsbereich erweitern.

     

    • So hat es ausgeführt, dass es genügt, wenn die Nutzung des Privatfahrzeugs auch im Interesse des ArbG liegt. Wie ausgeprägt das Interesse des ArbG sein muss, bleibt leider offen.

     

    • Und ohne dies weiter zu vertiefen, spricht das BAG der Tatsache eine Bedeutung zu, dass der ArbG die Benutzung des Privatwagens gebilligt hatte.

     

    • Über den Umfang der Bedeutung kann man nur mutmaßen. Im Ergebnis dürfte es jedoch richtig sein, dann einen Erstattungsanspruch zu bejahen, wenn die Nutzung des privaten Pkw objektiv im Interesse des ArbG liegt und dieser keinen gegenteiligen subjektiven Willen kundgetan hat, obgleich er die Nutzung des Privatwagens hätte erkennen können oder sie kannte und ggf. sogar billigte. Ob die Rechtsprechung diese eher „erstattungsfreundliche“ Auslegung bestätigt oder sogar erweitert, bleibt abzuwarten. Das LAG Rheinland-Pfalz hat in Anbetracht der vorgenannten Entscheidung auch für einen Unfall auf der Heimfahrt nach einem Einsatz im Rahmen einer Rufbereitschaft einen Ersatzanspruch analog § 670 BGB bejaht (23.4.13, 6 Sa 559/12).

     

    b) Kein Erstattungsanspruch gegenüber Dritten

    Mangels „Schadens“ besteht keine Ersatzpflicht des ArbG, wenn ein Dritter für den Schaden einstandspflichtig ist. Verursacht der ArbN mithin bei einer betrieblichen Fahrt Schäden an Fahrzeugen oder Gegenständen Dritter, so hat dafür der Haftpflichtversicherer des ArbN einzustehen. Ein Regressanspruch gegenüber dem ArbG besteht jedenfalls dann nicht, wenn der ArbG zumindest die steuerlich privilegierte Kilometerpauschale zur Fahrtkostenerstattung zahlt. Nach der Rechtsprechung sind damit u.a. die laufenden 
Betriebskosten des Pkw, d.h. die Anschaffungs- und Unterhaltungskosten sowie die Beiträge zur gesetzlichen Haftpflichtversicherung und damit verbundene Rückstufungen abgegolten (BAG NZA 93, 262).

     

    Ein Erstattungsanspruch dürfte ebenso wenig bestehen, wenn der ArbN eine Vollkaskoversicherung für den betroffenen PKW abgeschlossen hat, die im konkreten Fall einstandspflichtig wäre. Auch dann ist entweder bereits ein Schaden zu verneinen oder die Grundsätze des § 254 BGB gebieten die Inanspruchnahme des Versicherers. Allerdings wird der ArbN dann die Differenz der Versicherungsprämie verlangen können, die entsteht zwischen der bisherigen Versicherungsprämie und der infolge einer etwaigen Rückstufung nach dem Unfall zu zahlenden Prämie. Gleichermaßen wird er eine etwaige Selbstbeteiligung vom ArbG ersetzt verlangen können. Nach der (zum Teil kritisierten) Rechtsprechung besteht bei Zahlung des Versicherers keine Regressmöglichkeit des Versicherers gegenüber dem ArbG.

     

    c) Keine besondere Vergütung

    Hat der ArbN vom ArbG eine besondere Vergütung zur Abgeltung des Unfallrisikos erhalten, ist ein Ersatzanspruch nach § 670 BGB analog trotz fehlender Einstandspflicht eines Dritten ausgeschlossen.

     

    Wann eine solche „besondere Vergütung“ anzunehmen ist, bleibt offen. Fest steht nur, dass die Zahlung der dem Steuerrecht entnommenen Kilometerpauschale (derzeit 0,30 EUR) keine „besondere Vergütung“ darstellt (BAG NZA 96, 417). Darüber hinaus gibt die Rechtsprechung nur wenig Orientierungshilfe zur erforderlichen Höhe der „besonderen Vergütung“. Das LAG Baden-Württemberg (NZA 92, 458) hat eine anspruchsausschließende „besondere Vergütung“ bejaht, als der ArbG einem angestellten Pharmareferenten für die Nutzung des privaten Pkw über die Kilometerpauschale hinaus eine monatliche Kfz-Pauschale von 400 DM zahlte. Maßgeblich für die erforderliche Höhe dürfte die Konsequenz der zusätzlichen Vergütung sein, nämlich die Verlagerung des Risikos von Schäden vom ArbG auf den ArbN. Die zu gewährende Vergütung muss also den ArbN wirtschaftlich in die Lage versetzen, eine Kaskoversicherung zwecks Risikoversicherung abzuschließen und das Risiko durch Selbstbeteiligungen abzudecken. Die „besondere Vergütung“ muss also eine adäquate Gegenleistung zur Abdeckung des Unfallrisikos sein. Überzeugend ist, dass eine solche wirtschaftliche Beteiligung des ArbG ausreicht, die ermöglicht, dass die dienstlich regelmäßig anfallenden Kilometer bei einem für den entsprechenden Beruf „erforderlichen“ Kfz vollkaskoversichert werden können. Besondere Aufwendungen wegen des Haltens einer Luxuslimousine oder eines Liebhaberwagens dürften regelmäßig der privaten Lebensentscheidung zuzuordnen sein.

     

    d) Keine grobe Fahrlässigkeit

    Dem Erstattungsanspruch des § 670 BGB analog sind Grenzen durch ein etwaiges Verschulden des ArbN gezogen. Der ArbN soll durch die Einbringung eigener Sachmittel nicht besser gestellt sein, als er bei der Beschädigung betriebseigener Sachmittel stünde. Ein Ersatzanspruch kann daher nur in dem Umfange bestehen, in dem der ArbG eine Beschädigung seiner Sachmittel hinzunehmen hätte (BAG NZA 11, 406).

     

    Bei der Bewertung, wann und ggf. in welchem Umfange ein Verschulden des ArbN den Ersatzanspruch ausschließt oder mindert, finden die Grundsätze über den innerbetrieblichen Schadensausgleich Anwendung. Daher entfällt nur im Falle leichter Fahrlässigkeit eine Mithaftung des ArbN. Bei mittlerer Fahrlässigkeit ist der Schaden anteilig unter Berücksichtigung von Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkten zu verteilen, in Fällen grober Fahrlässigkeit haftet der ArbN alleine. Dabei muss der ArbN darlegen und beweisen, dass ihm keine grobe bzw. mittlere Fahrlässigkeit zur Last fällt.

    3. Konsequenzen

    Nutzt der ArbN im Zusammenhang mit der Ausübung seiner Arbeitspflichten sein Privatfahrzeug, kann der ArbG im Ergebnis kaum sicher ausschließen, sich im Falle eines Unfalls an den Schäden des ArbN beteiligen bzw. diese ggf. sogar vollständig übernehmen zu müssen. Ein Haftungsausschluss kann wirksam nur gegen eine ausreichende „besondere Vergütung“ vereinbart werden. Alternativ kann der ArbG auch für die Privatfahrzeuge der ArbN eine Dienstkaskoversicherung abschließen oder dem ArbN Firmenfahrzeuge unter Ausschluss der Nutzung des Privatfahrzeugs zur Verfügung stellen.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2013 | Seite 212 | ID 42299760