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  • · Fachbeitrag · Personenbedingte Kündigung

    Kündigung wegen Untersuchungshaft

    RA Dr. Christian Velten, Jota Rechtsanwälte Schultze-Rhonhof, Woltmann, Lang Partnerschaft, Gießen

    Voraussetzung einer Kündigung wegen haftbedingter Arbeitsverhinderung ist, dass der ArbN aller Voraussicht nach für eine verhältnismäßig erhebliche Zeit nicht in der Lage sein wird, seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen (BAG 23.5.13, 2 AZR 120/12, Abruf-Nr. 133952).

     

    Sachverhalt

    Der ArbN war seit 1997 bei dem ArbG als Fahrzeugpolsterer beschäftigt. Bereits im Jahr 2008 war der ArbN wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) in Untersuchungshaft genommen und anschließend zu einer zweijährigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Im Jahr 2010 wurde er erneut in Untersuchungshaft genommen. Es bestand der Verdacht, dass der Kläger mit einer weiteren Person eine „Haschisch-Plantage“ betrieben hatte. Die Ehefrau des ArbN unterrichtete den ArbG von der Untersuchungshaft.

     

    Der ArbG versuchte daraufhin erfolglos Kontakt zum Prozessbevollmächtigten des ArbN aufzunehmen. Schließlich forderte er ihn schriftlich auf, zum Sachstand Stellung zu nehmen. Zwischenzeitlich erfuhr der ArbG aus der Zeitung weitere Einzelheiten über die bestehenden Verdachtsmomente, insbesondere die aufgefundene Menge Cannabis. Nach der Mitteilung des Prozessbevollmächtigten des ArbN, ein Ende der Inhaftierung sei derzeit nicht absehbar, und erfolgter Anhörung des Betriebsrats, kündigte der ArbG das Arbeitsverhältnis im Oktober 2010 zunächst fristlos, kurz darauf ordentlich. Das Strafverfahren endete im Februar 2011 mit einer Verurteilung des ArbN zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe. Diese wurde im Juli 2011 für maximal zwei Jahre zur Behandlung des ArbN in einer Therapieeinrichtung zurückgestellt.

     

    Entscheidungsgründe

    Das BAG entschied, dass die Kündigung aus personenbedingten Gründen im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG gerechtfertigt sei. Einen personenbedingten Kündigungsgrund sieht das BAG in ständiger Rechtsprechung in solchen Umständen, die auf einer in den persönlichen Verhältnissen oder Eigenschaften des ArbN liegenden „Störquelle“ beruhen. Hindert eine Haftstrafe den ArbN daran, seine Arbeitsleistung zu erbringen, so kommt eine personenbedingte Kündigung in Betracht. Das BAG stellt aber klar, dass die Dauer der Freiheitsstrafe und ihre Auswirkungen im Einzelfall zu berücksichtigen sind. Nicht jede Haftstrafe kann daher automatisch eine Kündigung rechtfertigen.

     

    Vielmehr müsse der ArbN für eine verhältnismäßig erhebliche Zeit nicht in der Lage, seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. Entscheidend sei insofern die anhand der objektiven Gegebenheiten zum Zeitpunkt der Kündigung anzustellende Prognose. Eine danach eintretende Entwicklung könne nur noch in engen Grenzen berücksichtigt werden.

     

    Auch im Falle einer Untersuchungshaft kann die berechtigte Erwartung bestehen, dem ArbN werde die Erbringung seiner Arbeitszeit für einen längeren Zeitraum unmöglich sein. Es bedarf hierzu nicht zwingend einer bereits erfolgten - gegebenenfalls bereits rechtskräftigen - Verurteilung. Jedoch bleibt bei der zunächst erfolgten Verhängung einer Untersuchungshaft eine Unsicherheit im Hinblick auf den Ausgang des Strafverfahrens. Deshalb hält das BAG den ArbG jedenfalls für verpflichtet, dem ArbN die Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen.

     

    Im entschiedenen Fall genügte dem BAG für die erforderliche Prognose, dass der ArbG aufgrund der aufgefundenen Menge Cannabis und der Vorstrafe des ArbN von zwei Jahren auf Bewährung davon ausgehen durfte, dass die zu erwartende Haftstrafe dieses Mal höher und damit ohne Bewährung ausfallen würde. Zudem berücksichtigte das Gericht, dass der ArbN die Tat nie bestritten hatte.

     

    Eine längerfristige Nichterfüllung der Arbeitsleistung kann eine personenbedingte Kündigung nach der Rechtsprechung des BAG nur rechtfertigen, wenn sie sich negativ auf das Arbeitsverhältnis auswirkt. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung ist mit einzubeziehen, dass der ArbG während einer Untersuchungshaft des ArbN regelmäßig von der Lohnzahlungspflicht befreit ist und somit wirtschaftlich nicht belastet ist. Dem ArbG muss insbesondere unzumutbar sein, die Abwesenheit des ArbN durch organisatorische Maßnahmen zu überbrücken. Von einer Unzumutbarkeit geht das BAG erst bei einer mehrjährigen Haftstrafe aus.

     

    Praxishinweis

    Die Entscheidung des BAG zeigt dem ArbG mustergültig auf, wie er sich im Fall einer Inhaftierung eines Mitarbeiters verhalten sollte. Wird gegenüber einem ArbN eine Untersuchungshaft angeordnet, sollte der ArbG nicht vorschnell zur fristlosen und / oder fristgerechten Kündigung greifen. Voraussetzung für eine Kündigung ist jedenfalls, dass dem ArbN die Möglichkeit zur Stellungnahme einräumt wird. Dies ist im Fall der Untersuchungshaft nicht ganz einfach zu bewerkstelligen. Der einfachste Weg ist in der Regel, die Aufforderung zur Stellungnahme an den Prozessbevollmächtigten des ArbN zuzustellen, sofern dieser eine entsprechende Vollmacht vorgelegt hat. Alternativ muss versucht werden, den ArbN in der Haftanstalt zu erreichen.

     

    Zudem muss der ArbG prüfen, ob die zu erwartende Abwesenheit des ArbN gegebenenfalls durch organisatorische Maßnahmen überbrückt werden kann, ohne dass es zu Betriebsablaufstörungen kommt. Als grobe Richtschnur lässt sich festhalten, dass dem ArbG jedenfalls bei einer zu erwartenden Haftstrafe von mehr als zwei Jahren Überbrückungsmaßnahmen nicht mehr zumutbar sind.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Diese Regeln gelten bei einer Kündigung wegen Alkoholsucht: AA 13, 93
    Quelle: Ausgabe 01 / 2014 | Seite 5 | ID 42458047