· Fachbeitrag · Gebührenrecht
So rechnen Sie Schuldnerschutzanträge ab
von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz
| In der Praxis spielen Schutzanträge eines Schuldners eine bedeutende Rolle. Umso wichtiger ist es daher für beteiligte Rechtsanwälte, zu erkennen, ob sich hierdurch erstmals oder gegebenenfalls neue Gebührenansprüche ergeben. Der folgende Beitrag klärt hierüber auf. |
1. Vergütungsanprüche
Für Schutzanträge eines Schuldner gelten grundsätzlich die Vergütungsregelungen nach Nrn. 3309 f. VV RVG. Insofern können eine 0,3-Verfahrens- und gegebenenfalls eine 0,3-Terminsgebühr entstehen.
2. Schutzanträge lösen nur einmal Gebühren aus
Grundsätzlich zählen Vollstreckungsschutzanträge gebührenrechtlich zur selben Angelegenheit. Denn § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG bestimmt, dass jede Vollstreckungsmaßnahme zusammen mit den durch diese vorbereiteten weiteren Vollstreckungshandlungen bis zur Befriedigung des Gläubigers eine Angelegenheit darstellt. Insofern gilt:
War der (Gläubiger-)Rechtsanwalt bereits im Vollstreckungsverfahren tätig (z.B. Antrag auf Erlass eines PfÜB), ist die weitere Tätigkeit durch die bereits verdienten Gebühren mit abgegolten. Eine Ausnahme hiervon besteht bei noch nicht entstandenen Gebühren, z.B. Termins- oder Einigungsgebühren. Diese können zusätzlich anfallen, wenn sie erst im Schutzverfahren ausgelöst werden.
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Rechtsanwalt R. erwirkt für Gläubiger G. wegen einer titulierten Forderung von 5.000 EUR den Erlass eines PfÜB in Arbeitseinkommen des Schuldners S. S. beantragt daraufhin die Änderung des unpfändbaren Betrags nach § 850f Abs. 1 ZPO. S. und R. schließen daraufhin im Schutzverfahren einen Vergleich dahingehend, dass S. einmalig 3.000 EUR zahlt und damit die Pfändung erledigt ist.
Lösung: Für den Antrag auf Erlass des PfÜB entsteht eine 0,3-Verfahrensgebühr. Das Schutzverfahren löst gemäß §§ 18 Abs. 1 Nr. 1, 19 Abs. 1 S. 1 RVG keine weiteren Gebühren aus, zählt daher zu derselben Angelegenheit. Durch die im Schutzverfahren getroffene Vereinbarung entsteht allerdings eine 1,0-Einigungsgebühr.
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War der Rechtsanwalt hingegen im Vollstreckungsverfahren noch nicht tätig (i.d.R. Schuldneranwalt), löst das Tätigwerden im Vollstreckungsschutzverfahren erstmals die Gebühren nach Nrn. 3309 f. VV RVG aus.
Wichtig |Da in Verfahren über (Vollstreckungsschutz-)Anträge des Schuldners der Wert nach dem Interesse des Antragstellers nach billigem Ermessen zu bestimmen ist, ist dieser nicht unbedingt mit dem Wert der Vollstreckung identisch (vgl. § 25 Abs. 2 RVG). Regelmäßig werden hierfür ca. 20 Prozent der Vollstreckungsforderung in Ansatz gebracht (BGH NJW 91, 2280).
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Gläubiger G. erwirkt wegen einer titulierten Forderung von 5.000 EUR den Erlass eines PfÜB in Arbeitseinkommen des Schuldners S. S., vertreten durch Rechtsanwalt R., beantragt daraufhin die Änderung des unpfändbaren Betrags nach § 850f Abs. 1 ZPO. Das Gericht gibt dem Antrag statt und setzt den unpfändbaren Betrag auf monatlich 200 EUR herauf.
Lösung: R. wird erstmals im Vollstreckungsschutzverfahren tätig. Hierfür entsteht eine 0,3-Verfahrensgebühr. Der Wert hierfür entspricht allerdings nicht dem Wert der Vollstreckung von 5.000 EUR sondern 20 Prozent hieraus.
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Wenn nach Beendigung des Verfahrens über einen Vollstreckungsschutzantrag die Zwangsvollstreckung fortgesetzt wird, entstehen
- für den bereits zuvor in der Vollstreckung tätigen Rechtsanwalt keine weiteren Gebührenansprüche,
- für den bereits zuvor in der Vollstreckung noch nicht tätig gewesenen Anwalt keine neuen Gebühren. Allerdings erhöht sich regelmäßig der Streitwert auf die Höhe der zu vollstreckenden Forderung.
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Gläubiger G. erwirkt wegen einer titulierten Forderung von 5.000 EUR den Erlass eines PfÜB in Arbeitseinkommen des Schuldners S. S., vertreten durch Rechtsanwalt R., beantragt daraufhin die Änderung des unpfändbaren Betrags nach § 850f Abs. 1 ZPO. Das Gericht weist den Antrag zurück. Die Vollstreckung läuft zugunsten des G. weiter. R. versucht weiterhin außergerichtlich zugunsten des S. eine Vereinbarung herbeizuführen, die G. jedoch ablehnt.
Lösung: R. wird erstmals im Vollstreckungsschutzverfahren tätig. Hierfür entsteht eine 0,3-Verfahrensgebühr. Der Wert entspricht aber nicht dem der Vollstreckung von 5.000 EUR. Im weiteren Verfahren erhöhen sich die Gebührenansprüche infolge einer Streitwerterhöhung, da nun der Wert der Vollstreckungsforderung anzusetzen ist. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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3. Gesonderte Gebühren bei Schutzanträgen möglich
Was vielfach unbekannt ist: § 18 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 RVG sieht vor, dass bestimmte Schutzanträge neue Gebührenansprüche auslösen und zwar unabhängig davon, ob der Anwalt bereits zuvor eine Vollstreckungsgebühr gemäß Nr. 3309 VV RVG verdient hat. Besondere Gebühren löst jedes Verfahren über die folgenden Anträge aus:
- § 765a ZPO (Vollstreckungsschutz),
- § 851a ZPO (Pfändungsschutz für Landwirte),
- § 851b ZPO (Pfändungsschutz bei Miet- und Pachtzinsen), sowie jedes Verfahren über Anträge auf Änderung oder Aufhebung der getroffenen Anordnungen nach §§ 765a, 851a, 851b ZPO,
- § 1084 Abs. 1 ZPO (Anträge auf Verweigerung, Aussetzung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung nach Art. 21, 23 der VO (EG) Nr. 805/2004),
- § 1096 ZPO (Anträge auf Verweigerung der Zwangsvollstreckung nach Art. 22 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 1896/2006),
- § 1109 ZPO (Anträge nach Art. 22, 23 der VO (EG) Nr. 861/2007),
- § 31 AUG (Anträge auf Verweigerung, Beschränkung oder Aussetzung der Vollstreckung nach Art. 21 der VO (EG) Nr. 4/2009).
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Rechtsanwalt R. erwirkt für Gläubiger G. wegen einer titulierten Forderung von 5.000 EUR den Erlass eines PfÜB in die monatlichen Mietansprüche von 800 EUR des Schuldners S. S. beantragt daraufhin die Freigabe eines Teilbetrags der monatlichen Miete gemäß § 851b ZPO in Höhe von 200 EUR. Das Gericht gibt dem Antrag statt. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Lösung: Für den Antrag auf Erlass des PfÜB entsteht eine 0,3-Verfahrensgebühr. Daneben löst das Schutzverfahren gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 6 RVG weitere Gebührenansprüche aus. Während sich der Streitwert für den Erlass des PfÜB gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 9 ZPO auf den 3 1/2fachen Jahresbetrag der gepfändeten Miete beläuft (800 EUR x 36 Monate = 28.800 EUR), beträgt dieser für den Schutzantrag den 3 1/2fachen Jahresbetrag des Teils der Miete, die freigegeben wurde (§ 25 Abs. 2 RVG; 200 EUR x 36 Monate = 7.200 EUR).
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In Abwandlung zu Beispiel 4 beantragt S. in einem Folgeantrag die Freigabe eines Teilbetrags der monatlichen Miete gemäß § 851b ZPO in Höhe von 300 EUR und begehrt insoweit den bereits erlassenen Beschluss abzuändern. Das Gericht gibt dem Antrag statt.
Lösung: Das Schutzverfahren auf Änderung der zuvor getroffenen Entscheidung löst wiederum gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 6 RVG weitere Gebührenansprüche aus. Der Streitwert für dieses neue Abänderungsverfahren beträgt den 3 1/2fachen Jahresbetrag des Teils der Miete, die zusätzlich freigegeben wurde (§ 25 Abs. 2 RVG; 100 EUR x 36 Monate = 3.600 EUR).
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Schuldner S. wurde zur Räumung und Herausgabe verurteilt (monatliche Miete 1.000 EUR). Nachdem S. nicht freiwillig räumt, beauftragt Rechtsanwalt R. den Gerichtsvollzieher X. mit der Räumung. S. stellt gemäß § 765a ZPO den Antrag, die Vollstreckung für zunächst sechs Monate einstweilen einzustellen.
Lösung: Es liegen zwei gebührenrechtliche Angelegenheiten vor. Für das Räumungsverfahren fällt eine 0,3-Verfahrensgebühr aus einem Wert von 12.000 EUR an (§§ 25 Abs. 1 Nr. 2 RVG i.V.m. 41 Abs. 2 GKG); für das Vollstreckungsschutzverfahren nach § 765a ZPO entsteht eine weitere 0,3-Verfahrensgebühr gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 6 RVG. Der Wert beträgt hier 6.000 EUR (§ 25 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, § 41 Abs. 2 RVG)
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Weiterführende Hinweise
- Bedingter Vollstreckungsauftrag: Keine Gebühr für nicht erledigte Amtshandlung, VE 14, 124
- Gebühr für Einigungsversuch: Das sagt das BMJ, VE 14, 137
- EM-Anfrage und erneuter Vollstreckungsauftrag: mehrere Gebühren?, VE 14, 60
- Arrest und einstweilige Verfügung: So wird die Vollziehung abgerechnet, VE 14, 135
- Nur Mindestgebühr bei Forderungspfändung ins Leere? Nein!, VE 13, 206
- Erbringung der Sicherheitsleistung und deren Rückgabe: So rechnen Sie richtig ab, VE 13, 68
- Kosten und Gebühren bei Einzelaufträgen und bedingten Aufträgen, VE 13, 27
- Hebegebühr in der Zwangsvollstreckung, VE 12, 40
- Mehrere Gebühren bei Versteigerungsanträgen aus verschiedenen Rangklassen?, VE 12, 132