· Fachbeitrag · Umsatzsteuerhinterziehung
Neues vom Strohmann - notwendige Feststellungen für eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung
von RA Dr. Markus Adick, FA StrR, Düsseldorf
| Der BGH konkretisiert erneut die Rechtsfolgen einer Einbindung von Strohmännern ( BGH 8.7.14, 1 StR 29/14, Abruf-Nr. 142683 ). Um revisionsfest insbesondere über die Täterschaft und den Steuerschaden entscheiden zu können, haben die Strafgerichte umfassende Feststellungen zu treffen. |
1. Schrotthändler und Strohmänner
Dem BGH-Urteil vom 8.7.14 (1 StR 29/14, Abruf-Nr. 142683) liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Angeklagte war ein „ambulanter Schrotthändler“. Um das Ausmaß seiner Geschäfte zu verschleiern und einer Besteuerung zu entgehen, setzte er Strohleute ein. Diese traten als Lieferanten gegenüber Schrotthandelsfirmen auf. Die Abrechnung erfolgte gegenüber den Strohleuten, welche die Beträge dem Angeklagten gaben. Für ihre Tätigkeit erhielten sie ein Handgeld.
Der Angeklagte gab keine Erklärungen zur USt, ESt oder GewSt ab. Das LG rechnete die Schrottlieferungen dem Angeklagten zu. Es sah ihn als verpflichtet an, die USt anzumelden. Zur Begründung führte es aus, der Angeklagte sei wirtschaftlich der wahre Einlieferer gewesen, die Strohleute hätten auf seine Rechnung gehandelt und nur der Angeklagte sei wirtschaftlich in der Lage gewesen, die Schrotthandelsfirmen in dem erforderlichen Umfang zu beliefern. Bei der Berechnung der verkürzten USt rechnete das LG die Umsätze der Strohmänner dem Angeklagten zu. Bei der Berechnung der ESt- und der GewSt-Verkürzung sah es die Einnahmen der Strohmänner als Betriebseinnahmen des Angeklagten an. Auf die Revision des Angeklagten hat der BGH das Urteil, soweit es den Angeklagten betraf, mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des LG zurückverwiesen.
2. Folgen für USt, GewSt und ESt
Unbeanstandet blieb die Feststellung der Strohmanneigenschaft. Als Strohmann ist anzusehen, wer nach außen als Unternehmer im eigenen Namen auftritt, aber auf Rechnung eines Dritten handelt und an dessen Weisungen gebunden ist. Als nicht von den Feststellungen getragen sah der BGH es jedoch an, die Schrottlieferungen dem Angeklagten zuzurechnen.
Umsatzsteuerlich gilt, dass ein Strohmann leistender Unternehmer sein kann. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass der Strohmann weisungsgebunden ist, am Gegenstand der Lieferung zuvor kein Eigentum erwirbt oder dass ihm der wirtschaftliche Erfolg nicht verbleibt. Entscheidend ist, ob er dem Abnehmer die Verfügungsmacht über den Liefergegenstand verschafft. An der Unternehmereigenschaft fehlt es erst, wenn ein Scheingeschäft (§ 41 Abs. 2 AO) vorliegt. Dies kommt in Betracht, wenn der Strohmann und der Leistungsempfänger sich einig sind, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts zwischen dem Leistungsempfänger und dem Hintermann eintreten sollen (BFH 10.11.10, XI R 15/09, 11, 237). Ob dies der Fall ist, hängt von den tatsächlichen Gegebenheiten des Einzelfalls ab, die das Tatgericht in einer Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände zu würdigen hat. Das LG hätte deshalb Feststellungen dazu treffen müssen, wen nach den Vorstellungen der Geschäftspartner die Rechtswirkungen des Geschäfts treffen sollen. Insbesondere hätte es erörtern müssen, ob es sich aus Sicht der Schrotthandelsfirmen um Eigenlieferungen des Angeklagten handelte.
Auch die ertragsteuerliche Zurechnung der Schrottlieferungen an den Angeklagten hielt der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Umstand, dass die Strohmänner nicht auf eigene Rechnung tätig geworden seien, führe nicht notwendig dazu, dass der Angeklagte ertragsteuerlich als alleiniger Gewerbetreibender anzusehen ist. In Betracht komme eine Mitunternehmerschaft mit abweichenden gewerbesteuerlichen Erklärungspflichten. Mitunternehmer (§ 15 EStG) ist, wer nach dem Gesamtbild der Verhältnisse eine (Mit-)Unternehmerinitiative entfalten kann und das (Mit-)Unternehmerrisiko trägt. Diese beiden Merkmale können unterschiedlich stark ausgeprägt sein, müssen jedoch beide vorliegen. Bei einem Strohmann kann die Mitunternehmerschaft daraus folgen, dass er nach außen eine Vertretungsmacht hat, die im Innenverhältnis nicht beschränkt werden kann. Entscheidend ist auch hier das Gesamtbild der Verhältnisse, das hier nach Ansicht des BGH nicht hinreichend gewürdigt worden war. Das LG hatte seine Wertung, der Angeklagte habe die GewSt und ESt geschuldet, allein auf das interne Verhältnis zu den von ihm eingeschalteten Strohleuten gestützt. Zwar sei die Frage, wer Unternehmer i.S. des UStG sei, unabhängig davon, wer Gewerbetreibender und damit zur GewSt sowie zur ESt zu veranlagen sei. Dies bedeute jedoch nicht, dass das Auftreten der Strohmänner nach außen bei der ertragsteuerlichen Zurechnung der Einnahmen von vornherein in jeder Hinsicht außer Betracht bleiben könne. Letztlich konnte der BGH nicht ausschließen, dass das LG auch die bei der ESt-Hinterziehung zugrunde gelegten Verkürzungsbeträge fehlerhaft berechnet hatte.
3. Umfang strafgerichtlicher Feststellungen
Für die neue Hauptverhandlung wies der BGH das LG auf einige Gesichtspunkte hin. Käme die neu berufene Strafkammer zu dem Schluss, dass dem Angeklagten die Umsätze der Strohmänner nicht zuzurechnen seien, wäre zu prüfen, ob der Angeklagte bei der Anlieferung an die Schrotthandelsfirmen zugleich eine umsatzsteuerrechtliche Lieferung an die Strohmänner bewirkte. Die verkürzte USt wäre dann auf der Grundlage der erzielten Preise abzüglich der von den Strohmännern einbehaltenen Beträge zu bestimmen. Es sei zu prüfen, ob ertragsteuerlich eine Mitunternehmerschaft zu den Strohmännern vorliege. Wenn ja, seien zur Ermittlung der verkürzten ESt die gewerblich erzielten Gewinne insgesamt entsprechend der tatsächlichen Teilhabe am betrieblichen Ergebnis einzustellen. Erforderlichenfalls seien sie zu schätzen. Bei der GewSt erstreckt sich die Pflicht zur Abgabe der Steuererklärung auf jeden einzelnen Gewerbebetrieb. Für den Fall, dass ertragsteuerlich den Strohmännern die Einkünfte aus den verfahrensgegenständlichen Schrottverkäufen in voller Höhe zuzurechnen sind, komme in Betracht, dem Angeklagten die Einkünfte dann als Einzelgewerbetreibendem zuzurechnen.
Zu den Konsequenzen der Einschaltung von Strohleuten hatte der BGH bereits in seiner Entscheidung vom 9.4.13 (1 StR 586/12, dazu Steinlein, PStR 13, 142) Stellung genommen. Ist ein Strohmann in eine Steuerhinterziehung eingebunden, kann dies zunächst die Frage aufwerfen, wer als Täter anzusehen ist. Denn eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) kann täterschaftlich nur begehen, wer eigene steuerliche Erklärungspflichten zu erfüllen hat. Dies kann ungeachtet wirtschaftlicher Abhängigkeit vom oder beherrschenden Einflusses des Hintermannes auch ein Strohmann sein. Tritt dieser gegenüber dem Vertragspartner als Unternehmer auf, kann er insbesondere Leistender i.S. des UStG sein. Allein dass er Strohmann ist, führt also nicht dazu, dass er kein Unternehmer ist.
Wie der BGH mit seiner vorliegenden Entscheidung betont, kommt es dabei maßgeblich auf die Sicht des Vertragspartners an. Allerdings kann der Hintermann durch die Einschaltung eines Strohmannes nicht alle steuerlichen Pflichten abstreifen. Jenseits einer in jedem Fall möglichen Strafbarkeit als Teilnehmer wegen Anstiftung (§ 26 StGB) oder Beihilfe (§ 27 StGB) kann er neben dem Strohmann als Täter in Betracht kommen. Ist er Verfügungsberechtigter i.S. des § 35 AO, treffen den Hintermann die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters (§ 34 Abs. 1 AO), soweit er sie rechtlich und tatsächlich erfüllen kann. Verfügungsberechtigt ist jeder, der nach dem Gesamtbild der Verhältnisse rechtlich und wirtschaftlich über Mittel, die einem anderen zuzurechnen sind, verfügen kann und als solcher nach außen auftritt. Lässt der Strohmann dem Hintermann freie Hand, kann dies bereits genügen, um eine Verfügungsberechtigung anzunehmen. Wenn und soweit dies auf einen Hintermann zutrifft und er z.B. die steuerliche Pflicht hat, als Verfügungsberechtigter zutreffende USt-Erklärungen abzugeben, kommt eine eigene Strafbarkeit nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO in Betracht. Ob Täterschaft oder Teilnahme vorliegt, ist Tatfrage.
Unter prozessualen Gesichtspunkten zeichnet sich die Entscheidung dadurch aus, dass sie die Aufklärungspflicht des Tatgerichts unterstreicht und eine präzise Feststellung der Tatsachen einfordert. Nach § 244 Abs. 2 StPO hat das Gericht zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind. Im Fall der Einschaltung von Strohmännern ist es das „Gesamtbild der Verhältnisse“, welches das Gericht bei einer Entscheidung über umsatzsteuerliche und ertragsteuerliche Konsequenzen zu berücksichtigen hat. Eine alleinige Betrachtung des Innenverhältnisses zwischen Hinter- und Strohmann genügt insoweit nicht. In welchem Verhältnis geliefert wurde, wo Mitunternehmerschaft bestand etc. hat unmittelbare Auswirkungen auf die Berechnung des Verkürzungserfolgs. Auch wenn das Gericht diesen gegebenenfalls schätzen darf, entsteht hier unter Umständen Verteidigungspotenzial, das auch in der Hauptverhandlung noch genutzt werden kann. Absehbar ist, dass die Neigung zunehmen dürfte, in entsprechend gelagerten Verfahren eine aufwendige Beweisaufnahme durch Verständigung (§ 253c StPO) oder Einstellung zu vermeiden oder abzukürzen.