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  • · Fachbeitrag · AGG: Entschädigung und Schadenersatz

    Kein Entschädigungsanspruch bei objektiver Nichteignung des Bewerbers

    Eine vermeintlich diskriminierende Absage des ArbG an einen Bewerber, die der ArbG in Unkenntnis der objektiv bestehenden Nichteignung vornimmt, kann keine Entschädigungsansprüche nach dem AGG auslösen. Das AGG soll nämlich vor ungerechtfertigten Benachteiligungen von ArbN oder Bewerbern schützen, nicht jedoch unredliche Gesinnungen des potenziellen ArbG sanktionieren (BAG 14.11.13, 8 AZR 997/12, Abruf-Nr. 143056).

     

    Sachverhalt

    Ein 1973 geborener Rechtsanwalt, der als angestellter und freiberuflicher Anwalt tätig war, bewarb sich auf eine Stellenanzeige des ArbG, der „ambitionierte und hoch qualifizierte Berufseinsteiger“ für ein „internationales Trainee-Programm“ suchte, um die Trainees für den Führungskräftenachwuchs zu gewinnen. U.a. verlangte der ArbG das Vorhandensein „eines überdurchschnittlich guten“ Abschlusses in der Studienrichtung Jura, BWL, Psychologie oder Pädagogik, wobei der Studienabschluss maximal ein Jahr zurückliegen sollte. Der Bewerber verfügte über ein befriedigendes erstes und ein ausreichendes zweites Staatsexamen. Er fügte der Bewerbung weder die Examensnoten bei, noch die entsprechenden Zeugnisse.

     

    Nach Erhalt einer Absage verlangte er vom ArbG - gestützt auf eine Diskriminierung wegen Alters - eine Entschädigung von mindestens 20.000 EUR. Die Klage blieb auch in der Revisionsinstanz erfolglos.

     

    Entscheidungsgründe

    Der 8. Senat betont, dass die einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 1 oder Abs. 2 AGG auszulösende rechtswidrige Diskriminierung voraussetzt, dass überhaupt die objektiven Kriterien erfüllt sind, die der ArbG redlicherweise bei der zu besetzenden Position erwarten darf.

     

    Insofern seien die vom ArbG in der Stellenausschreibung gestellten Anforderungen rechtmäßig. Das Unternehmen habe berechtigterweise von künftigen Führungskräften für spätere Managementaufgaben im In- und Ausland ambitionierte und hoch qualifizierte Hochschulabsolventen mit überdurchschnittlich guten Leistungen ansprechen dürfen. Diese Voraussetzungen erfülle der Bewerber hingegen in objektiver Sicht nicht.

     

    Zwar sei er Hochschulabsolvent. Die von ihm erzielen Examensnoten erfüllten aber objektiv nicht die Anforderungen eines „überdurchschnittlich guten Universitätsabschlusses“. Zwar seien die Besonderheiten des juristischen Examens, in dem traditionell streng benotet werde, zu berücksichtigen, sodass ein Examen mit „befriedigend“ eine respektable Note darstelle. Ein Examen mit 6,58 Punkten sei hingegen nicht „überdurchschnittlich gut“. Die Stellenanzeige sei so zu lesen, dass zunächst ein gutes und dann sogar ein überdurchschnittlich gutes Examen Einstellungsvoraussetzung sei. Dem werde bereits ein „bloß überdurchschnittliches“ Examen nicht gerecht.

     

    Es sei auch nicht entscheidend, dass der ArbG zum Zeitpunkt der Ablehnung der Bewerbung die objektiv bestehende Nichteignung des Bewerbers nicht kannte, da dieser weder Zeugnisse beigefügt, noch seine Examensnote mitgeteilt habe. Vielmehr reiche es, dass der Bewerber von vornherein objektiv die Anforderungen der ausgeschriebenen Stelle nicht erfüllt habe, wobei die Defizite so erheblich seien, dass eine weitere Prüfung der Bewerbung ohnehin nicht ernsthaft in Betracht gekommen wäre. Das AGG bezwecke einen Schutz vor ungerechtfertigter Benachteiligung und nicht die Sanktion etwaiger unredlicher Gesinnungen eines potenziellen ArbG. Daher könne bei objektiver Nichteignung des Bewerbers auch bei Nichtkenntnis des ArbG von der mangelnden Eignung kein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 1 und 2 AGG aufseiten des abgelehnten Bewerbers entstehen.

     

    Praxishinweis

    ArbG, die sich Entschädigungsansprüchen abgelehnter Bewerber gegenübersehen, können nach der neuen Rechtsprechung des BAG die objektive Ungeeignetheit des Bewerbers auch bezüglich Kriterien einwenden, zu denen die Bewerbung schweigt. Bei objektiver Nichteignung haben in solchen Fällen Zahlungsklagen auf Entschädigung keine Erfolgsaussicht. Dies bedeutet hingegen nicht, dass durch überzogene Anforderungsprofile rechtmäßigerweise Ansprüche der Bewerber bereits im Vorfeld geblockt werden können. Die objektive Eignung eines Bewerbers ist nicht von formellen Anforderungsprofilen abhängig. Entscheidend sind vielmehr die Anforderungen, die an die jeweilige Tätigkeit nach der im Arbeitsleben herrschenden Verkehrsauffassung gestellt werden dürfen. Zwar kann der ArbG über den der Stelle zugeordneten Aufgabenbereich und das davon abhängige Anforderungsprofil frei entscheiden. Er kann hingegen nicht die Vergleichbarkeit der Bewerber durch Aufstellen für die Stelle nicht erforderlicher Voraussetzungen manipulieren.

     

     

     

    Quelle: Ausgabe 11 / 2014 | Seite 188 | ID 43005340