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  • · Fachbeitrag · Scheidungsfolgenvereinbarung

    BGH: Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPOersetzt die notarielle Beurkundung

    von VRiOLG a.D. Dr. Jürgen Soyka, Meerbusch

    | Der BGH hat kürzlich entschieden, dass auf einen gerichtlich festgestellten Vergleich (§ 278 Abs. 6 ZPO) § 127a BGB entsprechend anzuwenden ist. |

    Sachverhalt

    Im Scheidungsverfahren schlossen die Beteiligten einen Scheidungsfolgenvergleich, dessen Zustandekommen das AG mit Beschluss gem. § 113 Abs. 1 FamFG i. V. m. § 278 Abs. 6 ZPO feststellte. Darin wurde u. a. ein wechselseitiger Verzicht auf ZGA-Ansprüche geregelt. Zuvor hatte die Antragsgegnerin (F) Auskunft zu ihrem Anfangs- und Endvermögen (AV und EV) erteilt. Dabei hatte sie nicht angegeben, dass sie Eigentümerin zweier Stammblätter bei einem Handballverein (Wert ca. 3.500 EUR) war. Der Antragsteller (M) focht gegenüber der F die Scheidungsfolgenvereinbarung wegen arglistiger Täuschung im Zusammenhang mit der Auskunft der F zu ihrem EV an. Er begehrt erfolglos im Wege des Stufenantrags von der F Auskunft und Abgabe der eidesstattlichen Versicherung (BGH 1.2.17, XII ZB 71/16, Abruf-Nr. 194132).

    Entscheidungsgründe

    Die Zurückweisung des gesamten Stufenantrags ist zulässig, wenn dem Hauptanspruch die materiell-rechtliche Grundlage fehlt. Diese Voraussetzung ist gegeben, weil durch den gerichtlich festgestellten Vergleich M und F wechselseitig auf ZGA-Ansprüche verzichtet haben.

     

    Scheidungsfolgenvereinbarung ist formgerecht errichtet worden

    Diese Scheidungsfolgenvereinbarung entbehrt nicht der nach § 1378 Abs. 3 S. 2 BGB erforderlichen Form. Nach § 127a BGB wird die notarielle Beurkundung bei einem gerichtlichen Vergleich dadurch ersetzt, dass die Erklärungen in einem nach den Vorschriften der ZPO errichteten Protokoll ersetzt werden. Hier ist der Vergleich im schriftlichen Verfahren festgestellt worden. Ein nach § 278 Abs. 6 ZPO zustande gekommener Vergleich ersetzt ebenfalls die notarielle Beurkundung. Denn ein nach § 278 Abs. 6 ZPO zustande gekommener Vergleich ist ein vollwertiger Vergleich. Deswegen wird die notarielle Beurkundung entsprechend § 127a BGB ersetzt.

     

    Es besteht eine planwidrige Regelungslücke

    Zwar steht bei unmittelbarer Anwendung des § 127a BGB der Wortlaut der Vorschrift entgegen. Bei einem nach § 278 Abs. 6 ZPO errichteten Vergleich fehlt eine Protokollierung. Die Feststellungen des Gerichts, dass ein Vergleich zustande gekommen ist, stellen kein Protokoll i. d. S. dar. Daher ist § 127a BGB analog anzuwenden. Es liegt eine planwidrige Regelungslücke vor. Die Sachverhalte sind vergleichbar, die der Gesetzgeber geregelt hat.

     

    Als § 127a BGB geschaffen wurde, gab es nur diese eine Möglichkeit, einen gerichtlichen Vergleich abzuschließen. Für den Gesetzgeber bestand bei der damaligen Neugestaltung des Beurkundungsrechts kein Anlass, § 127a BGB auf andere Formen eines Vergleichsabschlusses zu erstrecken.

     

    Unerheblich ist, dass der Gesetzgeber nach Einführung des § 278 Abs. 6 ZPO § 127a BGB nicht entsprechend geändert hat. Dies steht einer nachträglich entstandenen Regelungslücke nicht entgegen. Der Gesetzentwurf geht nicht darauf ein, ob § 278 Abs. 6 ZPO die notarielle Beurkundung ersetzt. Vielmehr wird aus den Gesetzesmaterialien der Wille des Gesetzgebers erkennbar, den Beschlussvergleich in seinen Wirkungen einem gerichtlich protokollierten Vergleich gleichzustellen. Der Gesetzgeber hat den Beschlussvergleich bewusst nicht vom Anwendungsbereich des § 127a BGB ausgenommen. Mit der Einführung des § 278 Abs. 6 ZPO sollte den Verfahrensbeteiligten eine Möglichkeit geschaffen werden, unter erleichterten Voraussetzungen eine einvernehmliche Regelung herbeizuführen, um ihren Rechtsstreit zu beenden. Dabei ist nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber ohne eine entsprechende gesetzliche Regelung von dieser Möglichkeit rechtsgeschäftliche Erklärungen ausnehmen wollte, die nach materiellem Recht der notariellen Beurkundung bedürfen.

     

    Die Interessenlage ist vergleichbar

    Die Sachverhalte sind vergleichbar. Insbesondere fehlt es nicht an der erforderlichen Funktionsäquivalenz zu einer notariellen Beurkundung. Die Verfahrensgarantien für die Beteiligten durch einen im Beschlusswege zustande gekommenen Vergleich sind ausreichend gewahrt.

     

    Die Anforderungen an notarielle Beurkundungen nach dem BeurkG richten sich an den Notar und an andere für öffentliche Beurkundungen zuständige Urkundspersonen, nicht aber Gerichte. Seit § 128 BGB a.F. abgeschafft worden ist, nehmen die Gerichte keine Beurkundungstätigkeiten mehr vor. Daher ist ein ordnungsgemäß protokollierter Vergleich einer notariellen Beurkundung gleichwertig, ohne dass besondere Anforderungen gegeben sein müssen.

     

    Bei § 278 Abs. 6 ZPO darf deswegen nicht darauf abgestellt werden, welche Förmlichkeiten einer notariellen Beurkundung erfüllt sind. Entscheidend ist vielmehr die Gleichwertigkeit mit einem protokollierten Vergleich. Mit Einführung des Beschlussvergleichs sollte nur eine erleichterte Möglichkeit zur Verfügung gestellt werden, ein Gerichtsverfahren mit einem Vergleichsabschluss zu beenden. Die mit einer notariellen Beurkundung verbundenen Schutzzwecke werden in gleicher Weise durch den Beschlussvergleich wie durch eine gerichtliche Protokollierung eines Vergleichs erfüllt. Dabei ist insbesondere auf die Schutzzwecke Übereilung und besondere Bedeutung des Rechtsgeschäfts abzustellen. Was den Schutzzweck der Übereilung angeht, ist der Vergleichsabschluss nach § 278 Abs. 6 ZPO bedeutsam, weil viel mehr Zeit besteht, den Vergleich durch Schriftsätze vorzubereiten. Im Übrigen wird die Bedeutung des Beschlussvergleichs dadurch gewahrt, dass erst durch den gerichtlichen Beschluss das wirksame Zustandekommen eines Vergleichs bewirkt werden kann.

     

    Auch im Hinblick auf die Beratungs- und Warnfunktion bestehen keine Abweichungen. Sowohl bei dem protokollierten als auch bei dem Beschlussvergleich prüft das Gericht lediglich, ob der unterbreitete Vergleich nicht gegen die guten Sitten, die gesetzlichen Verbote oder die öffentliche Ordnung verstößt.

     

    Unerheblich ist, ob der Vergleichsvorschlag vom Gericht stammt oder von den Parteien zur Feststellung vorgelegt wurde. Da in § 278 Abs. 6 ZPO beide Möglichkeiten des Vergleichsabschlusses gleichgestellt sind, darf daher nicht differenziert betrachtet werden, soweit es um die formersetzende Wirkung geht.

     

    Keine wirksame Anfechtung der Scheidungsfolgenvereinbarung

    Der M hat die Scheidungsfolgenvereinbarung auch nicht wirksam nach § 123 Abs. 1 BGB angefochten. Dass die F in der Auskunft zu ihrem EV tatsächliche Vermögenswerte nicht angegeben hat, erfüllt den Anfechtungstatbestand des § 123 Abs. 1 BGB nur, wenn der Täuschende die Unrichtigkeit der falschen Angaben gekannt hat. Er muss gleichzeitig das Bewusstsein und den Willen gehabt haben, durch die irreführenden Angaben und das Unterlassen der Aufklärung über die wahre Sachlage einen Irrtum zu erregen oder aufrechtzuerhalten und den Getäuschten damit zu einer Willenserklärung zu bewegen, die er sonst nicht, oder mit anderem Willen abgegeben hätte. Bloße Fahrlässigkeit reicht nicht aus. Wenn der Erklärende fahrlässig davon ausging, dass der Erklärungsempfänger von den nicht offenbarten Umständen ohnehin selbst Kenntnis hat, liegt deswegen keine vorsätzliche Täuschung vor. Diese Kenntnis hatte der M, da er während der Ehezeit wiederholt die Freistellungsaufträge für die fragliche Fondsbeteiligung unterschrieben hat.

     

    Den Vortrag des M, er habe die Freistellungsaufträge jeweils „blind“ unterschrieben, hat die F bestritten. Der M trägt die dazu erforderliche Beweislast. Gleiches gilt bei der unterbliebenen Angabe der Stammblätter für die Handballmannschaft. Der M hat die F während der Ehezeit mehrfach zu Heimspielen des Handballvereins begleitet, sodass die F davon ausgehen konnte, dass er hiervon Kenntnis hatte. Im Übrigen haben Stammblätter nur einen geringen Wert.

    Relevanz für die Praxis

    Der BGH hat die wichtige Frage beantwortet, ob ein gerichtlich festgestellter Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO die notarielle Form ersetzt, die nach § 127a ZPO nur bei einem gerichtlich protokollierten Vergleich möglich ist. Bis dahin wurde die Auffassung vertreten, dass im Hinblick auf den Wortlaut des § 127a ZPO ein Beschlussvergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO die Voraussetzungen nicht erfüllt.

     

    Eine andere Meinung hat die Ansicht vertreten, dass dies nur der Fall ist, wenn der Vergleichsvorschlag vom Gericht stammt, während eine dritte Auffassung die Meinung vertreten hat, dass beide Vergleichsarten gleichstehen. Für letzteres hat der BGH sich entschieden.

    Quelle: Ausgabe 08 / 2017 | Seite 130 | ID 44711172