· Fachbeitrag · Geschwindigkeitsüberschreitung
Neue Rechtsprechung zur Geschwindigkeitsüberschreitung aus den Jahren 2011 - 2015, Teil 2
von RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D. Münster/Augsburg
| Zu den im Straßenverkehr am häufigsten begangenen Verkehrsordnungswidrigkeiten gehört die Geschwindigkeitsüberschreitung (§ 3 StVO). Das zeigt die große Zahl der dazu veröffentlichten Entscheidungen. Wir haben die dazu in den Jahren 2011 bis 2015 ergangene Rechtsprechung für Sie zusammengestellt. Dieser Teil des Beitrags beschäftigt sich mit dem (standardisierten) Messverfahren. |
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Verfahren | Rechtsfolge? | Fundstelle |
Es steht fest, dass die Bauartzulassung des Messgeräts erfolgen wird, der Zulassungsschein hierüber wird aber nicht am Tag der Eichung, sondern erst eine Woche danach ausgestellt. | Dennoch standardisiertes Messverfahren. | OLG Stuttgart DAR 12, 274 |
Messung mit einem standardisierten Messverfahren. | Im Regelfall genügt es, wenn sich die Verurteilung wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf die Mitteilung des Messverfahrens und die nach Abzug der Messtoleranz ermittelte Geschwindigkeit stützt.
Praxishinweis | Bei einem standardisierten Messverfahren muss das Urteil insbesondere auch die Mitteilung enthalten, dass die Bedienungsvorschriften beachtet worden sind und das Gerät geeicht war (OLG Oldenburg NZV 13, 512). | OLG Bamberg OLG Jena VA 11, 207 |
Das Urteil enthält keine Angaben zum Messverfahren und zum Toleranzabzug. | Nicht zu beanstanden, wenn der Betroffene sich vollumfänglich geständig eingelassen hat. | OLG Hamm VA 11, 101 |
Abweichung von der Gebrauchsanweisung des Geräteherstellers. | Wird im konkreten Einzelfall von der Gebrauchsanweisung abgewichen, handelt es sich nicht mehr um ein standardisiertes Messverfahren. | OLG Düsseldorf VA 12, 10; ähnlich AG Biberach VA 14, 13 |
ESO ES 3.0. | Standardisiert, auch wenn der Hersteller nicht sämtliche technische Daten zur Messwertbildung zur Verfügung stellt und der gerichtlich beauftragte Sachverständige sich daher zur vollumfänglichen Bewertung der Messung außerstande sieht. | OLG Hamm OLG Zweibrücken AG Saarbrücken VA 12, 29 |
ESO ES 3.0. | Nicht standardisiert. | AG Kaiserslautern zfs 12, 407; AG Kempten VA 13, 138; AG Landstuhl VA 12, 136; AG Meißen VA 15, 209 |
ESO ES 3.0 - Fotolinie. | Bei Geschwindigkeitsmessungen mit dem System eso ES 3.0 bedarf es keiner Dokumentation einer durch zwei Punkte definierten Fotolinie. Eine Markierung reicht. Die Fotolinie stellt bei der Geschwindigkeitsmessung mit dem Geschwindigkeitsüberwachungsgerät ES 3.0 lediglich ein Mittel der eindeutigen Zuordnung der Messung zu einem bestimmten Fahrzeug dar, ist aber — anders als die Messlinie — selbst kein Fixum für die Messung. | OLG Hamm VA 12, 210; AG Lüdinghausen VA 12, 174; VA 13, 119 |
Lasermessung. | Bei einer Lasermessung gibt es nach oberlandesgerichtlicher Rechtsprechung kein Vier-Augen-Prinzip. Existiert keine von dem technischen Messsystem selbst hergestellte fotografisch-schriftliche Dokumentation des Messergebnisses, sind die Fragen nach dem vom Gerät angezeigten Messwert und nach der Zuordnung des Messergebnisses zu einem bestimmten Fahrzeug nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung zu klären. Hierbei sind die im jeweiligen Einzelfall vorhandenen Beweismittel (z.B. Zeugenaussagen der beteiligten Polizeibeamten, Messprotokoll) heranzuziehen. | OLG Düsseldorf VA 12, 190; OLG Hamm NStZ-RR 12, 377; VA 12, 211; OLG Stuttgart VA 15, 83 a.A. AG Sigmaringen VA 13, 85 |
Geschwindigkeitsmessung eines Motorrads mit einem Messgerät vom Typ LAVEG VL 101. | Bei einer Messung aus 199 Metern Distanz liegt keine standardisierte Messmethode vor, da ein Motorrad kein reflektierendes vorderes Kennzeichen hat. Wird der Messstrahl auf Karosserieteile ausgerichtet, schränkt die Bedienungsanleitung dieses Messgeräts den Messbereich auf 30 bis 150 Meter ein. | KG |
Messung mit Multanova. | Messung mit einem standardisierten Messverfahren. Es sind aber Feststellungen zur Eichung erforderlich, wenn besondere Umstände vorliegen. | OLG Oldenburg VA 11, 161 |
PoliScan Speed. | Standardisiert.
Praxishinweis | Das OLG Karlsruhe (VA 14, 192) neigt zu der Ansicht, dass bei der Anwendung des PoliScan-Speed-Messverfahrens eine verlässliche Geschwindigkeitsmessung auch allein auf den sog. Smear-Effekt gestützt werden kann. | OLG Bamberg OLG Bremen 28.9.15, 1 SsBs 12/15; 1.10.15, 1 SsRs 4/15; OLG Düsseldorf VA 14, 193; VA 15, 209; OLG Frankfurt a.M. VA 15, 101 |
PoliScan Speed. | Nicht standardisiert. | AG Aachen VA 13, 68; AG Berlin-Tiergarten VA 13, 254; AG Emmendingen 26.2.14, 5 OWi 530 Js 24840/12; 13.11.14, 5 OWi 530 Js 17298/13; AG Friedberg VA 14, 193; AG Herford DAR 13, 399;AG Rostock DAR 13, 717 |
PoliScan Speed: Betroffener bestreitet, dass mit einer Softwareversion ausgewertet wurde, die von der PTB zugelassen war. | Es müssen nähere Feststellungen getroffen werden. | OLG Karlsruhe VA 15, 210 |
Der Tatrichter teilt nicht ausdrücklich mit, welche der verschiedenen Betriebsarten des verwendeten Messsystems ProVida 2000 bei der Messung zum Einsatz gekommen sind. | Das reicht grundsätzlich nicht aus.
Praxishinweis | Allerdings nicht zu beanstanden, wenn sich den Urteilsgründen gleichwohl entnehmen lässt, dass die durchgeführte Messung durch Nachfahrt sowie durch Ermittlung der Durchschnittsgeschwindigkeit erfolgt ist und der Richter den Tatnachweis nicht etwa aufgrund einer manuellen Weg-/Zeitberechnung als erbracht angesehen hat (OLG Bamberg VA 14, 101). | OLG Bamberg OLG Jena VA 11, 207
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Die Eichbehörde hat bei „ProViDa 2000 Modular“ die Kabellänge zwischen Signalverstärker und Eingang zum Videonachfahrsystem als sog. Zusatzgerät nicht selbst untersucht. | Kein eichrechtliches Verwertungsverbot (§ 25 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 EichG a.F.). | OLG Bamberg VA 15, 172 |
Messung mit „Provida 2000 Modular“. | Es reicht die Mitteilung, dass ein standardisiertes Verfahren zum Einsatz gekommen ist, die Messung ordnungsgemäß durchgeführt wurde, sowie die gewonnenen Messergebnisse und die in Ansatz gebrachte Messtoleranz mitgeteilt wird. | OLG Frankfurt a.M. |
Traffistar S 330. | Standardisiertes Messverfahren. | OLG Köln VA 15, 210 |
Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren mit ungeeichtem Tachometer. | Kein standardisiertes Messverfahren.
Praxishinweis | Der Tatrichter muss grundsätzlich mitteilen, wie lang die Messstrecke und wie groß der Verfolgungsabstand war. | KG |
Die Rechtsprechung nimmt an, dass Verkehrsteilnehmer ordnungsgemäß aufgestellte Verkehrsschilder in aller Regel wahrnehmen. Daher braucht die Möglichkeit, dass der Betroffene das Vorschriftszeichen übersehen hat, nur berücksichtigt zu werden, wenn sich hierfür Anhaltspunkte ergeben (OLG Celle VA 14, 33 im Anschluss an BGHSt 43, 214). Maßgeblich für die dem Schuldspruch wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung zugrunde zu legende Schuldform ist nicht die gemessene Tatzeitgeschwindigkeit und das aus dieser resultierende exakte Maß der sog. relativen Geschwindigkeitsüberschreitung, sondern die Überschreitung der am Tatort zulässigen Höchstgeschwindigkeit als solcher (OLG Bamberg DAR 14, 37).
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