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  • 01.04.2021 · IWW-Abrufnummer 221505

    Landesarbeitsgericht Düsseldorf: Beschluss vom 18.01.2021 – 13 Ta 364/20

    1. Die Vollstreckung aus einem Titel kann nur dann erfolgen, wenn hinreichend klar ist, welche konkrete Leistung von dem Schuldner gefordert wird; ob der zur Vollstreckung anstehende Titel hinreichend bestimmt ist, ist dabei unter Rückgriff auf die für das Erkenntnisverfahren maßgebliche Regelung des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu bestimmen.

    2. Bei einer Vollstreckung nach § 888 ZPO müssen nicht notwendig die konkret vorzunehmenden Handlungen im Titel festgelegt sein. Vielmehr reicht es aus, wenn der zu bewirkende Erfolg hinreichend bestimmt beschrieben wird; es ist dann Sache des Schuldners, auf welche Weise er den von ihm geschuldeten Erfolg herbeiführt.

    3. Die Formulierung in einem Vollstreckungstitel, wonach sich die Arbeitgeberin zur Erteilung eines Zeugnisses verpflichtet, dessen Inhalt einer bestimmten Notenstufe entspricht ("gute Beurteilung von Leistung und Verhalten"), erfüllt die vorgenannten Voraussetzungen (entgegen BAG 14.02.2017 - 9 AZB 49/16 -JurBüro 2017, 497). Es kann durch jede sachkundige Person beurteilt werden, welcher Stufe der Notenskala ein erteiltes Zeugnis zuzuordnen ist.


    Tenor:

    Auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers vom 30.10.2020 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Krefeld vom 20.10.2020 - 1 Ca 1740/19 - aufgehoben.

    Gegen die Schuldnerin wird zur Erzwingung der Verpflichtung aus dem Vergleich vom 19.11.2019, nämlich dem Gläubiger ein qualifiziertes Zeugnis mit dem im Vergleich bestimmten Inhalt zu erteilen, ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,-- € verhängt. Für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, wird für jeweils 500,-- € ein Tag Zwangshaft festgesetzt, zu vollstrecken an dem Geschäftsführer H. H. der persönlich haftenden Gesellschafterin der Schuldnerin.

    Die Vollstreckung der Zwangsmittel entfällt, sobald die Schuldnerin der genannten Verpflichtung nachkommt.

    Die Schuldnerin hat die Kosten des Zwangsvollstreckungsverfahrens zu tragen.

    Die Rechtsbeschwerde wird für die Schuldnerin zugelassen.

    Beschwerdewert: 3.500.-- €.



    Gründe



    A.



    Im Ausgangsverfahren haben die Parteien im Gütetermin vom 19.11.2019 einen Widerrufsvergleich geschlossen, in dem sich die Schuldnerin u.a. wie folgt verpflichtet hat:



    Der Vergleich ist von den Parteien nicht widerrufen worden. Am 23.12.2019 hat das Arbeitsgericht dem Gläubiger eine vollstreckbare Ausfertigung erteilt. Am 08.01.2020 hat der Gläubiger der Schuldnerin den Vergleich zugestellt.



    Die Schuldnerin hat dem Gläubiger verschiedene Zeugnisse zukommen lassen, welche aus seiner Sicht jedoch keine ordnungsgemäße Erfüllung des titulierten Anspruchs darstellen.



    Der Gläubiger hat die Festsetzung von Zwangsgeld zur Erzwingung der titulierten Verpflichtung beantragt. Hilfsweise beantragt er solches mit dem Ziel, dass die Schuldnerin ihm ein qualifiziertes Zeugnis erteilt.



    Mit Beschluss vom 20.10.2020 hat das Arbeitsgericht Haupt- und Hilfsantrag zurückgewiesen. Gegen den ihm am 23.10.2020 zugestellten Beschluss hat der Gläubiger mit einem am 03.11.2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 30.10.2020 sofortige Beschwerde eingelegt, welcher das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 12.11.2020 nicht abgeholfen hat.



    B.



    1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig: Sie ist nach §§ 62 Abs. 2 Satz 1, 78 Satz 1 ArbGG, 793, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch form- und fristgerecht (§ 569 ZPO) eingelegt worden.



    2. Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen liegen vor. Auch im Übrigen stehen der Vollstreckung keine durchgreifenden Bedenken entgegen.



    a) Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts hält die Beschwerdekammer Ziffer 3 des Vergleichs vom 19.11.2019 für ausreichend bestimmt.



    (1) Dagegen spricht zunächst nicht, dass die Schuldnerin ein "wohlwollendes" Zeugnis erteilen soll. Zwar ist die Wendung "wohlwollend" unbestimmt und deshalb ein Vergleich insoweit nicht vollstreckbar; dies hindert jedoch nicht die Vollstreckbarkeit des titulierten Anspruchs auf ein qualifiziertes Zeugnis an sich, da die Wendung nur deklaratorisch das wiedergibt, was nach allgemeinen Zeugnisgrundsätzen inhaltlich von einem Zeugnis zu fordern ist; sie ist deshalb vollstreckungsrechtlich ohne Bedeutung (LAG Köln 03.09.2013 - 11 Ta 202/13 - juris; Sächs. LAG 06.08.2012 - 4 Ta 170/12 (9) - NZA-RR 2013, 215 [LAG Sachsen 06.08.2012 - 4 Ta 170/12]; Beschwerdekammer 04.03.2014 - 13 Ta 645/13 - juris RN 21).



    (2) Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht daraus, dass das Zeugnis unter dem "Ausscheidungsdatum" erstellt werden soll. Damit ist fraglos das Datum des Ausscheidens gemeint. Ein konkretes Datum lässt sich dem Inhalt des Vergleichs zwar nicht entnehmen. Dies führt allerdings nicht zu dessen Unbestimmtheit. Vielmehr wird damit bewirkt, dass das Ausstellungsdatum nicht von dem Datum abweichen darf, welches die Schuldnerin in dem Zeugnis als Datum der Beendigung des Arbeitsverhältnisses angibt.



    (3) Anders als das Arbeitsgericht unter zutreffender Heranziehung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 14.02.2017 - 9 AZB 49/16 - JurBüro 2017, 497) angenommen hat, ist auch die Wendung "gute Beurteilung von Leistung und Verhalten" hinreichend bestimmt.



    aa) Das Bundesarbeitsgericht hat in der zitierten Entscheidung (unter RN 11) die Auffassung vertreten, ein Vollstreckungstitel, der den Arbeitgeber zur Erteilung eines Zeugnisses verpflichtet, dessen Inhalt einer bestimmten Notenstufe entspricht, nicht den zwangsvollstreckungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen genüge. Es bleibe Sache des Arbeitgebers, das Zeugnis im Einzelnen abzufassen, wobei die Formulierung in seinem pflichtgemäßen Ermessen stehe. Die Vereinbarung einer bestimmten Notenstufe lasse dem Arbeitgeber einen derart weiten Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Auswahl und Gewichtung einzelner Gesichtspunkte, des Umfangs des Zeugnistextes sowie der Formulierung der Leistungs- und Führungsbeurteilung, dass von einem konkreten Leistungsbefehl, der die Grundlage einer mit staatlichen Zwangsmitteln zu vollziehenden Vollstreckung bilde, nicht die Rede sein könne. Wolle man anders entscheiden, habe es der Arbeitnehmer in der Hand, durch die ungenaue Formulierung seines Leistungsbegehrens den Streit in das Vollstreckungsverfahren zu verlagern, in dem sich der Arbeitgeber unter der Androhung von Zwangsmaßnahmen seitens des Vollstreckungsgerichts unklaren Handlungspflichten ausgesetzt sehe.



    Allerdings teilt die Beschwerdekammer den Ansatz des Bundesarbeitsgerichts in der genannten Entscheidung, dass die Vollstreckung aus einem Titel nur in den Fällen erfolgen kann, in denen hinreichend klar ist, welche konkrete Leistung von dem Schuldner gefordert wird; ob der zur Vollstreckung anstehende Titel hinreichend bestimmt ist, ist dabei unter Rückgriff auf die für das Erkenntnisverfahren maßgebliche Regelung des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu bestimmen (BAG aaO RN 9). Aufgabe des Vollstreckungsgerichts ist es, zu klären, ob der Vollstreckungsschuldner seiner festgelegten Verpflichtung nachgekommen ist, nicht aber, worin diese besteht; diese Erwägungen fußen letztlich auf dem Rechtsstaatsprinzip, welches verlangt, dass für den Schuldner erkennbar sein muss, in welchen Fällen er mit einem Zwangsmittel zu rechnen hat (BAG aaO RN 10).



    Aus Sicht der Beschwerdekammer lässt das Bundesarbeitsgericht jedoch unberücksichtigt, dass nicht notwendig die konkret abzugebenden Erklärungen oder vorzunehmenden Handlungen nach den dargestellten Grundsätzen im Titel festgelegt sein müssen. Vielmehr reicht es aus, wenn der zu bewirkende Erfolg derartig beschrieben wird; es ist dann Sache des Schuldners, auf welche Weise er den von ihm geschuldeten Erfolg herbeiführt (vgl. insgesamt BAG 31.05.2012 - 3 AZB 29/12 - RN 18 mwN; vgl. auch LAG Düsseldorf 22.01.2020 - 12 Sa 580/19 - juris RN 128 mwN; für die entsprechende Fragestellung bei Unterlassungsansprüchen legt der BGH dies derart selbstverständlich zugrunde, dass er es nicht ausdrücklich erwähnt: BGH 13.12.2019 - V ZR 152/18 -). Es ist daher für die Bestimmtheit des Titels irrelevant, dass dem Schuldner verschiedene Handlungsmöglichkeiten dem Schuldner zur Verfügung stehen, um die Erfüllung zu bewirken. Erforderlich ist lediglich, dass er eindeutig erkennen kann, welchen Erfolg er schuldet.



    bb) Danach ist die Festlegung einer Notenstufe für Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers in einem Zeugnis hinreichend bestimmt. Der geschuldete Erfolg besteht in einer Zeugniserteilung, welche die festgelegte Notenstufe sowohl bei der Leistung als auch beim Verhalten erfüllt. Es kann durch jede sachkundige Person beurteilt werden, welcher Stufe der Notenskala ein erteiltes Zeugnis zuzuordnen ist (Ahmad/Horcher NZA 2019, 1234, 1239 [BGH 25.06.2019 - II ZB 21/18]). Der Arbeitgeber muss sich notfalls entsprechend kundigen Rat einholen. Dies muss er ohnehin tun, wenn er nicht in der Lage ist, seine Beurteilung in Worte zu fassen.



    Damit wird keineswegs der Streit über den genauen Zeugnisinhalt in das Zwangsvollstreckungsverfahren verlagert. Es geht nicht um einzelne Formulierungen, sondern um die "Note" für Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers. In der Vollstreckung nach § 888 ZPO ist der materiell-rechtliche Einwand der Erfüllung auch ansonsten grundsätzlich zu prüfen (vgl. nur BGH 06.06.2013 - I ZB 56/12 - NJW-RR 2013, 1336 RN 9), und zwar unabhängig davon, welchen Aufwand dies erfordert. Beispielsweise ist bei Weiterbeschäftigungstiteln ebenfalls oft streitig, ob die vom Arbeitgeber zugewiesenen Tätigkeiten eine nur rahmenmäßig (zB mit einer Berufsbezeichnung) vorgenommene Titulierung erfüllen. Von einer Überprüfbarkeit anhand der Notenskala geht letztlich auch das Bundesarbeitsgericht aus, wenn es meint, dem Arbeitnehmer stehe es frei, bei einem wie hier formulierten Vergleich seine Ansprüche in einem erneuten Erkenntnisverfahren durch die Gerichte für Arbeitssachen vollstreckungsfähig titulieren zu lassen (BAG 14.02.2017 aaO RN 12 a.E). Denn in diesem Rechtsstreit müsste ebenfalls geprüft werden, ob ein erteiltes Zeugnis den Anspruch des Arbeitnehmers auf Erteilung eines Zeugnisses mit der titulierten Notenstufe schon erfüllt hat. Organ einer Vollstreckung nach § 888 ZPO ist das Vollstreckungsgericht. Man darf einem Arbeitsrichter zutrauen, dass er die nötige Sachkunde hat, um zu beurteilen, ob ein erteiltes Zeugnis bezogen auf die Leistung und das Verhalten jeweils der titulierten Notenstufe entspricht.



    (4) Letztlich scheitert die Bestimmtheit des Vollstreckungstitels auch nicht daran, dass das Zeugnis "die übliche Dankes-, Wunsches- und Bedauernsformel" enthalten soll. Zwar sind auch hier verschiedene Formulierungen denkbar. Wie unter (3) aa) ausgeführt, ist aber nicht Voraussetzung für eine Bestimmtheit, dass die geforderte Handlung oder Erklärung eindeutig beschrieben wird. Ob aber der Handlungserfolg eingetreten ist, indem das Zeugnis eine Dankes-, Wunsches- und Bedauernsformel enthält, lässt sich leicht feststellen. Der Gläubiger hat mit der vereinbarten Verpflichtung lediglich keinen Anspruch auf eine bestimmte Formulierung.



    b) Die derart bestimmte Verpflichtung der Schuldnerin hat diese bislang nicht erfüllt.



    (1) Aus dem unter a) (2) genannten Grund stellt das Zeugnis, welches die Schuldnerin dem Gläubiger unter dem 31.01.2019 [sic!] für eine angegebene Tätigkeit bis zum 30.09.2019 erteilt hat, keine Erfüllung der übernommenen Verpflichtung dar.



    (2) Das weitere, unter dem 30.09.2019 erteilte Zeugnis enthält keine Wunsches- und Bedauernsformel und stellt daher keine Erfüllung dar.



    (3) Eine Teilerfüllung, wie sie womöglich das Bundesarbeitsgericht (14.02.2017 aaO RN 14) ohne weitere Begründung anzunehmen scheint, hält die Beschwerdekammer für ausgeschlossen. Der Arbeitnehmer kann sich nur mit einem einzigen Zeugnis bewerben, das die geschuldeten Inhalte insgesamt enthält.



    C.



    Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 891, 91 Abs. 1 ZPO.



    Der Wert des Beschwerdegegenstandes bestimmt sich nach §§ 3 ff. ZPO. Dabei ist der Wert des durchzusetzenden Anspruchs maßgebend, der hier mit dem Betrag des Monatsverdienstes des Gläubigers bemessen wurde.



    Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 574 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 ZPO.

    Nübold

    Vorschriften§§ 62 Abs. 2 Satz 1, 78 Satz 1 ArbGG, 793, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, § 569 ZPO, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, § 888 ZPO, §§ 891, 91 Abs. 1 ZPO, §§ 3 ff. ZPO, § 574 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 ZPO