21.02.2025 · IWW-Abrufnummer 246736
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Beschluss vom 24.01.2025 – 5 Ta 1/25
Tenor: 1. Die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den Zwangsmittelbeschluss des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 18. Oktober 2024, Az. 1 Ca 672/23, wird auf seine Kosten zurückgewiesen. 2. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf € 3.500,00 festgesetzt. 3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Parteien streiten im Beschwerdeverfahren über die Vollstreckung eines Zeugnisanspruchs aus einem gerichtlich festgestellten Vergleich.
Die Gläubigerin war seit dem 1. August 2015 in der Zahnarztpraxis des Schuldners laut schriftlichem Arbeitsvertrag als Praxismanagerin zu einer Monatsvergütung von € 3.500,00 brutto beschäftigt. Die Parteien waren zerstrittene Eheleute. Am 23. August 2023 erhob die Gläubigerin vor dem Arbeitsgericht Kaiserslautern Klage gegen eine Kündigung des Schuldners vom 13. August 2023. Nach einigem Hin- und Her schlossen die Parteien einen Vergleich, dessen Zustandekommen das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 22. November 2023 gemäß § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt hat. Der Vergleichstext lautet auszugsweise wie folgt:
Am 19. Dezember 2023 wurde die Vollstreckungsklausel erteilt; der Titel am 1. August 2024 durch den Gerichtsvollzieher zugestellt.
Auf Antrag der Gläubigerin hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 18. Oktober 2024 gegen den Schuldner zur Erzwingung der Verpflichtung aus Ziff. 5 des Vergleichs vom 22. November 2023, nämlich der Gläubigerin ein wohlwollendes, qualifiziertes Arbeitszeugnis mit der Leistungsbewertung "stets zu unserer vollen Zufriedenheit" und der Verhaltensbewertung "stets einwandfrei", welches mit einer "Dankes-, Gruß- und Wunschformel" abschließt, zu erteilen, ein Zwangsgeld in Höhe von € 5.000,00 und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Zwangshaft bis zu sechs Monaten festgesetzt.
Gegen diesen am 5. November 2024 zugestellten Beschluss hat der Schuldner am 18. November 2024 sofortige Beschwerde eingelegt und diese mit gesondertem Schriftsatz vom 25. November 2024 begründet. Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 13. Dezember 2024 nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Der Schuldner ist der Ansicht, Ziff. 5 des Vergleichs sei mangels Bestimmtheit der Zwangsvollstreckung nicht zugänglich, denn der Text des Zeugnisses ergebe sich nicht aus dem Titel selbst.
II.
Die gemäß § 62 Abs. 2 ArbGG iVm. § 793 ZPO statthafte und gemäß § 78 Satz 1 ArbGG, § 569 ZPO auch sonst zulässige sofortige Beschwerde des Schuldners hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass Ziff. 5 des gerichtlich festgestellten Vergleichs vom 22. November 2023 der Zwangsvollstreckung zugänglich ist. Dem Vollstreckungstitel mangelt es, entgegen der Ansicht der Beschwerde, nicht an einer ausreichenden Bestimmtheit und damit einem vollstreckungsfähigen Inhalt.
1. Zu Recht hat die Gläubigerin einen Antrag gem. § 888 ZPO gestellt. Bei Nichterteilung des Zeugnisses, wie im Prozessvergleich vereinbart, handelt es sich um eine unvertretbare Handlung, zu der der Schuldner, wenn er sie nicht vornimmt, durch Zwangsgeld und Zwangshaft angehalten werden kann (§ 888 ZPO). Die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung liegen vor. Der gerichtlich festgestellte Vergleich vom 22. November 2023 stellt einen zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titel (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) dar. Eine vollstreckbare Ausfertigung wurde der Klägerin als Vollstreckungsgläubigerin erteilt (§ 724 Abs. 1 ZPO), die Zustellung ist erfolgt (§ 750 Abs. 1 ZPO).
2. Ziff. 5 des Vergleichs ist für die Zwangsvollstreckung hinreichend bestimmt.
a) Das Arbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, dass Ziff. 5 des Vergleichs dem Bestimmtheitsgrundsatz genüge. Der Zwangsvollstreckung zugänglich sei der Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses, das nach allgemeinen Zeugnisgrundsätzen grundsätzlich wohlwollend zu erteilen sei. Auch wenn der Begriff "wohlwollend" für sich genommen nicht vollstreckbar sei, werde dadurch nicht die gesamte Formulierung hinfällig. Der Arbeitgeber schulde vielmehr ein qualifiziertes Zeugnis, das dem Wohlwollensgebot unterliege. Es sei ausreichend, wenn sich die Parteien wegen der Formulierung des Zeugnisses auf für sie wichtige Eckpunkte konzentrierten und diese konkret ausformulierten, so zum Beispiel bei der Leistungs- und Verhaltensbeurteilung und ggf. einer Schlussformel. Genauere Formulierungen könne der Arbeitnehmer ohnehin nicht verlangen, weil es grundsätzlich Sache des Arbeitgebers sei, ein Zeugnis zu formulieren.
b) Dem folgt die Beschwerdekammer im Ergebnis und der Begründung. Der Vollstreckung aus Ziff. 5 des gerichtlich festgestellten Vergleichs vom 22. November 2023 stehen keine durchgreifenden Bedenken entgegen.
aa) Nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO findet die Zwangsvollstreckung aus Vergleichen statt, die zwischen den Parteien zur Beilegung eines Rechtsstreits geschlossen worden sind. Ein Prozessvergleich ist jedoch nur dann Vollstreckungstitel, wenn er einen vollstreckungsfähigen Inhalt hat. Fehlt es an einer hinreichenden Konkretisierung der den Schuldner treffenden Leistungspflicht, scheidet eine Vollstreckung aus. Die Vollstreckung aus einem Titel kann daher nur in den Fällen erfolgen, in denen hinreichend klar ist, welche konkrete Leistung von dem Schuldner gefordert wird. Ob der zur Vollstreckung anstehende Titel hinreichend bestimmt ist, ist unter Rückgriff auf die für das Erkenntnisverfahren maßgebliche Regelung des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu bestimmen (vgl. BAG 14.02.2017 - 9 AZB 49/16 - Rn. 9 mwN).
Verlangt ein Arbeitnehmer nicht nur ein einfaches oder qualifiziertes Zeugnis, sondern außerdem auch einen bestimmten Zeugnisinhalt, so hat er im Klageantrag genau zu bezeichnen, was das Zeugnis in welcher Form enthalten soll. Denn nur wenn der Entscheidungsausspruch bereits eine hinreichend klare Zeugnisformulierung enthält, wird verhindert, dass sich der Streit über den Inhalt des Zeugnisses vom Erkenntnis- in das Vollstreckungsverfahren verlagert (vgl. BAG 14.02.2017 - 9 AZB 49/16 - Rn. 10 mwN).
bb) Nach diesen Grundsätzen geht das Bundesarbeitsgericht, dem das Beschwerdegericht folgt, davon aus, dass ein Vollstreckungstitel, der den Arbeitgeber zur Erteilung eines Zeugnisses verpflichtet, dessen Inhalt einer bestimmten "Notenstufe" entspricht, nicht den zwangsvollstreckungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen genügt (vgl. BAG 14.02.2017 - 9 AZB 49/16 - Rn. 10 mwN). Die Beschwerde weist zutreffend darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein Klageantrag nicht dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entspricht, wenn eine Klägerin ein Zeugnis beantragt, "aus dem sich ergibt", dass sie stets zur vollsten Zufriedenheit der Beklagten tätig war und dass ihr Verhalten jederzeit und in jeder Hinsicht einwandfrei war (vgl. BAG 14.03.2000 - 9 AZR 246/99 - Rn. 14 mwN).
cc) Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der vorliegende Sachverhalt mit den von der Beschwerde herangezogenen Fällen nicht vergleichbar ist. Der Schuldner hat sich in Ziff. 5 des gerichtlich festgestellten Vergleichs verpflichtet, der Gläubigerin ein "wohlwollendes" qualifiziertes Zeugnis, mit der Leistungsbewertung "stets zu unserer vollen Zufriedenheit" und der Verhaltensbewertung "stets einwandfrei" zu erteilen, das mit einer "Dankes-, Gruß- und Wunschformel" abschließt. Es ist hinreichend klar, welche Leistung vom Schuldner gefordert wird.
(1) Bei der Auslegung der Ziff. 5 des gerichtlich festgestellten Vergleichs ist einerseits zu beachten, dass für den Schuldner aus rechtsstaatlichen Gründen erkennbar sein muss, in welchen Fällen er mit einem Zwangsmittel zu rechnen hat. Andererseits erfordern das Rechtsstaatsprinzip und das daraus folgende Gebot effektiven Rechtsschutzes, dass materiell-rechtliche Ansprüche effektiv, auch mit Hilfe der Zwangsvollstreckung, durchgesetzt werden können. Deshalb ist das Vollstreckungsgericht nicht der Notwendigkeit enthoben, eine möglicherweise schwierige Klärung der Frage herbeizuführen, ob die aus einem Titel folgende Verpflichtung erfüllt wurde (vgl. BAG 31.05.2012 - 3 AZB 29/12 - Rn. 16 mwN; 09.09.2011 - 3 AZB 35/11 - Rn. 14 mwN).
(2) Ausgehend hiervon enthält Ziff. 5 des Vergleichs einen vollstreckbaren Inhalt. Dies ergibt eine Auslegung des protokollierten Vergleichs nach den vorgenannten Grundsätzen unter Beachtung der gesetzlichen Regelung zum Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses nach § 109 GewO.
Es genügt für die ausreichende Bestimmtheit, dass der Schuldner ein "wohlwollendes" Arbeitszeugnis erteilen soll. Zwar ist die Wendung "wohlwollend" unbestimmt und deshalb ein Vergleich insoweit nicht vollstreckbar; dies hindert jedoch nicht die Vollstreckbarkeit des titulierten Anspruchs auf ein qualifiziertes Zeugnis an sich, da die Wendung nur deklaratorisch das wiedergibt, was nach allgemeinen Zeugnisgrundsätzen inhaltlich von einem Zeugnis zu fordern ist; sie ist deshalb vollstreckungsrechtlich ohne Bedeutung (vgl. LAG Düsseldorf 18.01.2021 - 13 Ta 364/20 - Rn. 10 mwN). Der Arbeitgeber hat ein qualifiziertes Zeugnis gemäß § 109 GewO zu erteilen, das nach allgemeinen Grundsätzen auch dem Wohlwollensgebot unterliegt.
Im Streitfall wurde keine "Notenstufe" vereinbart, sondern eine Leistungsbewertung mit "stets zu unserer vollen Zufriedenheit" und eine Führungsbeurteilung mit "stets einwandfrei". Diese in den Text aufgenommenen Kernformulierungen genügen den zwangsvollstreckungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen (vgl. LAG Hessen 08.09.2016 - 10 Ta 337/16 - Rn. 19 mwN). Die Parteien haben klar festgelegt, welche Leistungs- und Führungsbeurteilung das Zeugnis enthalten soll. Es kann in dem Verfahren nach § 888 ZPO durch das für die Festsetzung des Zwangsgelds zuständige Prozessgericht ohne weiteres überprüft werden, ob diese Formulierungen im Zeugnis enthalten sind.
Die Bestimmtheit des Vollstreckungstitels scheitert auch nicht daran, dass das Zeugnis mit einer "Dankes-, Gruß- und Wunschformel" abschließen soll. Es handelt sich um einen gängigen Begriff für eine abschließende Formulierung im Zeugnis. Es ist für das Vollstreckungsgericht einfach feststellbar, ob eine solche Dankes- und Wunschformel am Ende des Zeugnisses eingefügt wurde oder nicht. Soweit der verbleibende geringfügige Spielraum des Schuldners bezüglich der Formulierung einen gewissen Prüfungsaufwand des Vollstreckungsgerichts bedingen kann, ist dies unter Berücksichtigung des Gebotes effektiven Rechtsschutzes hinzunehmen. (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 05.04.2018 - 9 Ta 1625/17 - Rn. 19).
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 891, 97 Abs. 1 ZPO.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf eine Bruttomonatsvergütung in Höhe von € 3.500,00 festgesetzt.
Die Entscheidung ist unanfechtbar. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach §§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG besteht kein Grund.
Verkündet am 24.01.2025