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  • 07.04.2008 | Berufsunfähigkeitszusatzversicherung

    Sachverständigengutachten: Was Sie bei der Beweiserhebung beachten müssen

    von RiLG Nicole Schäfer, Berlin
    Der medizinische Sachverständige, der sich dazu äußern soll, ob der VN gesundheitlich in der Lage ist, einen Verweisungsberuf auszuüben, muss wissen, welchen für ihn unverrückbaren außermedizinischen Sachverhalt er zugrunde zu legen hat, also insbesondere welche Merkmale – Arbeitsbedingungen wie Arbeitsplatzverhältnisse und Arbeitszeiten, erforderliche Tätigkeiten und körperliche Kräfte, Einsatz von Hilfsmitteln – die Verweisungstätigkeit prägen (BGH 23.1.08, IV ZR 10/07, Abruf-Nr. 080718).

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Der VN, von Beruf Kraftfahrer, begehrt Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Er hatte eine Oberschenkelvenenthrombose erlitten und seinen Beruf aufgegeben. Der VR lehnte Leistungen ab, da der VN in seinem zuletzt ausgeübten Beruf nicht zu mindestens 50 Prozent berufsunfähig sei; jedenfalls könne er auf Alternativtätigkeiten verwiesen werden. Klage und Berufung des VN blieben erfolglos.  

     

    Seine Revision führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung: Die Annahme, bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit (BU) liege nicht vor, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Will der VR den VN auf eine andere berufliche Tätigkeit verweisen, muss er deren prägende Merkmale substanziiert darlegen und konkretisieren (BGH VersR 94, 1095 = r+s 94, 391). Hierzu gehören insbesondere: erforderliche Vorbildung, übliche Arbeitsbedingungen wie Arbeitsplatzverhältnisse und Arbeitszeiten sowie übliche Entlohnung, erforderliche Fähigkeiten oder körperliche Kräfte, Einsatz technischer Hilfsmittel. Soll sich der medizinische Sachverständige zu der Frage äußern, ob der VN gesundheitlich in der Lage ist, den Verweisungsberuf auszuüben, muss er wissen, welchen für ihn unverrückbaren außermedizinischen Sachverhalt er zugrunde zu legen hat (BGH VersR 92, 1386 = r+s 92, 427). Schon das Verfahren des LG genügte diesen Vorgaben nicht. Jedenfalls was die berufliche Tätigkeit eines Auslieferungsfahrers im Nahverkehr anbelangt, fehlte es vor der Einholung des ersten Gutachtens des medizinischen Sachverständigen an jedweder Substanziierung durch den VR. Der Beweisbeschluss des LG äußert sich ebenso nicht zu den Anforderungen von etwaigen Verweisungsberufen. Demgemäß entbehren schon die gutachterlichen Äußerungen des med. Sachverständigen mit Blick auf die Tätigkeit eines Auslieferungsfahrers im Nahverkehr einer ausreichenden tatsächlichen Grundlage.  

     

    Auch aus den Angaben der berufskundlichen Sachverständigen lassen sich die prägenden Merkmale für den Verweisungsberuf des Auslieferungsfahrers im Nahverkehr nicht ausreichend entnehmen. Daher hat der VR seiner Vortragslast auch nicht genügt, wenn er sich die Ausführungen dieser Sachverständigen zu eigen macht. Die Sachverständige beschränkte sich auf die abstrakte Beschreibung denkbarer Einsatzmöglichkeiten eines Auslieferungsfahrers im Nahverkehr, ohne auf die konkreten Verhältnisse am Arbeitsplatz wie etwa die Arbeitsbelastung, die Arbeitsabläufe sowie die Arbeitszeiten einzugehen. Angesichts der denkbaren Bandbreite der beruflichen Einsatzmöglichkeiten war auch danach für einen medizinischen Sachverständigen eine Beurteilung der Frage, ob und in welchem Umfang der VN die verschiedenen beruflichen Tätigkeiten gesundheitlich bewältigen kann, nicht möglich.