08.03.2010 | Berufsunfähigkeitszusatzversicherung
VR kann Informationen aus unwirksamer Schweigepflichtsentbindung verwerten
1. Der anlässlich der Beantwortung von Gesundheitsfragen bei Anbahnung des Versicherungsvertrags arglistig getäuschte VR ist bei einer Anfechtung nach § 123 BGB, § 22 VVG a.F. nicht darauf beschränkt, den abgeschlossenen Versicherungsvertrag insoweit bestehen zu lassen, als er ihn auch ohne die Täuschung abgeschlossen hätte. Vielmehr kann er sich insgesamt vom Vertrag lösen, ohne dass es etwa auf eine Kausalität i.S. des § 21 VVG a.F. ankäme. |
2. Erlangt der VR im Vertrauen auf die Wirksamkeit einer zu weit gefassten und deshalb unwirksamen Schweigepflichtsentbindung (vgl. dazu BVerfG VersR 06, 1669) Informationen über den Gesundheitszustand des Versicherten, die eine arglistige Täuschung durch die unrichtige Beantwortung von Gesundheitsfragen bei der Anbahnung des Versicherungsvertrags aufdecken, führt dies nicht in jedem Fall zur Unverwertbarkeit dieser Erkenntnisse. Vielmehr kann die insoweit gebotene Güterabwägung ergeben, dass der VR weder unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) an der Anfechtung, noch wegen eines prozessualen Verwertungsverbots an der Einführung der gewonnenen Erkenntnisse in einen Rechtsstreit gehindert ist. |
(BGH 28.10.09, IV ZR 140/08, Abruf-Nr. 094162) |
Entscheidungsgründe
Entgegen der Ansicht des VN ist der VR in seinem Anfechtungsrecht nicht darauf beschränkt, den Versicherungsvertrag auf einen Vertrag unter Ausschluss der verschwiegenen Erkrankungen zu reduzieren. Er kann ihn auch insgesamt vernichten. Hierfür sprechen nach BGH-Ansicht zwei Gründe:
- So hat der zur Anfechtung Berechtigte nach § 142 Abs. 1 BGB die Möglichkeit, entweder am betroffenen Rechtsgeschäft festzuhalten oder dieses insgesamt und mit Rückwirkung (ex tunc) unwirksam zu machen. Dass dies auch für das Versicherungsrecht gilt, hat der BGH bereits früher bestätigt (BGHZ 163, 148). Unerheblich ist dabei, dass dem VR trotz der anfänglichen Unwirksamkeit gem. § 40 Abs. 1 VVG a.F. die vereinbarten Prämien verbleiben (nach § 40 Abs. 1 VVG n.F.: anteilig bis zum Wirksamwerden der Anfechtungserklärung). Auch auf eine Kausalitätserwägung kommt es hier nicht an. Der VR kann also einen Teil des Rechtsgeschäfts als wirksam bestehen lassen - muss es aber nicht.
- Eine Beschränkung der Anfechtungswirkung würde das vom arglistig täuschenden VN zu tragende Aufdeckungsrisiko sachwidrig auf den VR verlagern. Dieser bliebe im Falle der Nichtaufdeckung der Falschangaben durch einen Vertrag verpflichtet, den er ohne die Täuschung nicht mit diesem Inhalt abgeschlossen hätte. Demgegenüber bliebe dem Täuschenden selbst im Falle der Aufdeckung seines arglistigen Verhaltens immer noch ein Vertrag erhalten, zu dessen Abschluss der VR nur bei ordnungsgemäßen Angaben bereit gewesen wäre. Die Versuchung eines Antragstellers, Vorerkrankungen zu verschweigen, würde hierdurch in nicht hinnehmbarer Weise gesteigert.
Selbst wenn die Schweigepflichtsentbindungserklärung unwirksam ist, führt dies vorliegend nicht dazu, dass der VR seine Arglistanfechtung nicht auf die erlangten Informationen stützen kann. Auch sind die Angaben, die der Hausarzt als Zeuge gemacht hat, prozessual verwertbar.
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