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  • 09.02.2009 | Haftpflichtversicherung

    Das müssen Sie bei der Haftpflichtversicherung zur Frage der BAK prüfen und vortragen

    von VRiOLG a.D. Werner Lücke, Telgte

    Die Vernehmung benannter Zeugen und die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage eines behaupteten Vollrausches dürfen nicht deshalb unterbleiben, weil keine Blutprobe entnommen worden ist, und weil bei einer Gesamtschau die Erbringung des Nachweises eines Vollrausches als ausgeschlossen erscheint (BGH 29.10.08, IV ZR 272/06, Abruf-Nr. 090296).

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Der VN hatte in alkoholisiertem Zustand ohne erkennbaren Grund einen Passanten attackiert, der dabei verletzt wurde. Der Privathaftpflicht-VR berief sich auf den Ausschluss einer vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls (§ 103 VVG, § 152 VVG a.F.). Der VN hielt den VR für eintrittspflichtig. Er habe den Geschädigten im Vollrausch, mithin in einem die freie Willensbetätigung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit i.S. von § 827 BGB angegriffen.  

     

    Das OLG hat die Klage ohne Beweisaufnahme abgewiesen. Da dem VN keine Blutprobe entnommen worden sei, stehe seine Blutalkoholkonzentration (BAK) zur Tatzeit nicht fest. Er habe den Geschädigten verfolgt und ihn mehrfach gezielt und mit erheblicher Wucht angegriffen. Zwar sei er nach dem ersten Angriff infolge seiner Alkoholisierung zunächst am Boden liegen geblieben und habe dort unkontrolliert um sich geschlagen. Er sei aber noch in der Lage gewesen, „ich reiß dich nieder“ zu äußern. Insgesamt könne das Verhalten des VN damit als willensgesteuert und logisch nachvollziehbar eingestuft werden. Für eine sachverständige Begutachtung der Trunkenheit des Klägers fehle es an verlässlichen Anknüpfungstatsachen. Neuer Vortrag zur Alkoholmenge sei verspätet.  

     

    Der BGH hat das Urteil aufgehoben und zur erneuten Verhandlung an das OLG zurückverwiesen. Die Vernehmung der Zeugen zum Alkoholkonsum des VN habe nicht mit der Begründung verweigert werden dürfen, es sei nicht ersichtlich oder lebensfremd, dass die Zeugen die in ihr Wissen gestellten Beobachtungen gemacht hätten. Darin liege eine vorweggenommene Beweiswürdigung, die im Prozessrecht keine Stütze finde und die Art. 103 Abs. 1 GG verletze. Die erstmals in der Berufungsinstanz erfolgte nähere Bezeichnung des genossenen Alkohols habe auch nicht nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO als verspätet zurückgewiesen werden dürfen. Das sei unzulässig, wenn die Verspätung des Vortrags auf einem Verfahrensfehler des Gerichts (hier dem unterlassenen Hinweis nach § 139 Abs. 1 S. 2 ZPO) beruhe. Die Würdigung des OLG, der Beweis für Vollrausch sei nicht zu erbringen, sei lückenhaft. Sie begründe die Besorgnis, dass das OLG ohne sachverständige Hilfe und ausreichende eigene Sachkunde einzelnen wenigen Beweisanzeichen eine zu große Aussagekraft beimesse.