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  • 07.07.2011 | Krankenversicherung

    PKV: „Jede Kündigung durch den VR
    ist ausgeschlossen“: Gilt das wirklich?!

    von RA Marc O. Melzer, FA für Sozial- und Medizinrecht, Bad Lippspringe

    „Jede Kündigung“, so heißt es seit dem 1.1.09 in § 206 Abs. 1 S. 1 VVG, „einer Krankheitskostenversicherung, die eine Pflicht nach § 193 Abs. 3 S. 1 erfüllt, ist durch den VR ausgeschlossen“. Trotz dieses eindeutigen Wortlauts zeichnet sich in der obergerichtlichen Rechtsprechung und einem Teil der (VR-geneigten) Literatur (Langheid/Wandt/Hütt, VVG, § 206 Rn. 47 ff. m.w.N.) die Tendenz ab, dass dieses Kündigungsverbot (BVerfG VersR 09, 957) nicht ausnahmslos jede außerordentliche Kündigung ausschließen soll. Der Beitrag gibt einen Überblick zum aktuellen Stand.  

     

    Erste obergerichtliche Entscheidungen

    So hat das OLG Celle entschieden, dass das Kündigungsverbot ausnahmsweise nicht greifen soll, wenn der VN 47 gefälschte Rezepte zur Kostenerstattung einreicht, die Medikamente tatsächlich aber nicht bezogen hat (OLG Celle 24.2.11, 8 U 157/10, Abruf-Nr. 111177). Denn das Kündigungsverbot sei unter Hinweis auf die - eher dürftige - Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/4247, S. 68) wohl allein auf Fälle des Prämienverzugs zugeschnitten. Und da der Gesetzgeber selbst für den Zahlungsverzug, den der VN möglicherweise infolge Krankheit oder Arbeitslosigkeit gar nicht zu vertreten habe, Sanktionsmöglichkeiten vorsähe (§ 193 Abs. 6 VVG), müsse dies bei noch schwerwiegenderen Pflichtverletzungen - wie einem gezielten betrügerischen Verhalten - „erst recht“ gelten. Denn Gegenstand von Auslegung sei zwar der Gesetzestext als „Träger“ des gesetzgeberischen Willens. Daraus ergäbe sich aber nicht, dass mit der Wortlautauslegung die Auslegung von Gesetzen regelmäßig ein Ende finden könnte. Der Wortlaut sei lediglich Ausgangs-, nicht aber Endpunkt richterlicher Sinnesermittlung, so das OLG Celle.  

     

    Auch das OLG Brandenburg geht davon aus, dass der VR das versicherungsrechtliche Dauerschuldverhältnis (BGH NJW 91, 1828) gemäß § 314 BGB außerordentlich kündigen kann. In dem Fall wurde ein Serviceberater des VR, der den VN während dessen Bezug von Krankentagegeld „besuchte“, von diesem tätlich angegriffen (OLG Brandenburg 5.5.11, 12 U 148/10, Abruf-Nr. 112117). Denn wäre jede außerordentliche Kündigung - gleichgültig aus welchem Grunde - von § 206 Abs. 1 S. 1 VVG umfasst, bestünde für den VN kein Grund mehr zur Vertragstreue und es müssten selbst die für den VR unerträglichsten Vertragsverhältnisse durchgeführt werden. Dies widerspreche dem in § 314 Abs. 1 S. 1 BGB zum Ausdruck gebrachten elementaren Grundsatz, sich auch von Dauerschuldverhältnissen bei der Unzumutbarkeit seiner Fortführung lösen zu können.  

     

    Praxishinweis