05.03.2009 | Prozessrecht
Was Sie bei widersprüchlichen Gutachten berücksichtigen müssen
von VRiOLG a.D. Werner Lücke, Telgte
Bei unterschiedlichen Ergebnissen von Gutachten mehrerer Sachverständiger ist den Widersprüchen unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten nachzugehen. Ggf. sind die Widersprüche mit den Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung zu erörtern (BGH 3.12.08, IV ZR 20/06, Abruf-Nr. 090653). |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Der VN, der unter Diabetes litt, hatte bei dem VR eine Unfallversicherung unter Geltung der AUB 94 genommen. Bei Holzarbeiten auf seinem Grundstück trat er mit der linken Ferse in einen rostigen Nagel. Der Krankheitsverlauf machte mehrere operative Eingriffe, unter anderem eine Gewebetransplantation erforderlich. Dabei kam es zu Störungen in der Wundheilung, die ca. ein halbes Jahr nach dem Unfall einen erneuten Krankenhausaufenthalt notwendig machten. Während dieser stationären Behandlung wurde unter anderem eine Infektion mit dem multiresistenten Staphylococcus aureus (MRSA) diagnostiziert. In der Folgezeit musste dem VN das Bein amputiert werden.
Der VR lehnte die Versicherungsleistungen unter anderem mit der Begründung ab, ein Kausalzusammenhang zwischen dem behaupteten Unfallereignis und der Beinamputation sei nicht gegeben. Vielmehr sei die Amputation ausschließlich auf die Diabetes-Erkrankung zurückzuführen.
Das LG hat den VR - im Wesentlichen antragsgemäß - zur Zahlung verurteilt. Dabei ist es nach sachverständiger Beratung von einem - nach § 8 AUB 94 unerheblichen - Mitverursachungsanteil von 20 Prozent ausgegangen. Das OLG hat nach Einholung eines Gutachtens eines anderen Sachverständigen den Mitwirkungsanteil der Diabetes-Vorerkrankung auf 90 Prozent geschätzt. Der BGH hat das Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das OLG zurückverwiesen: Das Gericht dürfe erst nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten zur Aufklärung der Widersprüche zwischen den Gutachten in erster und zweiter Instanz zu einer Entscheidung kommen. Der Hinweis, der vom OLG gehörte Sachverständige verfüge erkennbar über Sachkunde, belege eine solche Aufklärung nicht, schon gar nicht bei fehlender eigener Sachkunde des Gerichts und wenn tatsächlich im Gutachten Widersprüche enthalten seien. Die Annahme einer überlegenen Sachkunde des eigenen Sachverständigen setze tatsachenfundierte Aussagen dazu voraus, die ebenfalls fehlten.
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