07.07.2009 | Rechtsschutzversicherung
Anwalt muss Mandanten über nicht gedeckte Honoraransprüche aufklären
von RA Dr. Friedrich Bultmann, Berlin
1. Ist der Mandant VN einer Rechtsschutzversicherung und ist dies dem Rechtsanwalt bekannt, darf der Mandant erwarten, ungefragt über nicht gedeckte Honoraransprüche aufgeklärt zu werden. |
2. Zur Verursachung von Kostenschäden des Mandanten durch verfrühte oder überflüssige Klageerhebungen im Arbeitsgerichtsprozess. |
(OLG Düsseldorf 8.5.08, 24 U 211/07, Abruf-Nr. 091678) |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe:
Wegen mangelnder Erfolgsaussicht beabsichtigt der Senat, die Berufung des klagenden RA gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Dem RA steht kein über das vom LG ausgeurteilte Honorar hinausgehender Anspruch zu. Der Mandant (= VN) kann sich auf Schadenersatzansprüche gem. § 280 Abs. 1 BGB aus anwaltlichem Geschäftsbesorgungsvertrag (§§ 611, 675 BGB) berufen. Damit hat er gegenüber den Honorarforderungen einen Freistellungsanspruch. Der RA hat den VN nicht rechtzeitig über die mit seiner Tätigkeit verbundenen und vom Rechtsschutz-VR nicht übernommenen Kosten aufgeklärt. Zudem hat er unnötige Kosten durch seine außergerichtliche Tätigkeit und die Erhebung zweier Kündigungsschutzklagen, die in einem Verfahren hätten verbunden werden können, verursacht.
Die Begründung des OLG |
Zum Leitsatz 1: Der Senat verkennt nicht, dass ein RA grundsätzlich nicht verpflichtet ist, den Mandanten über das Entstehen von gesetzlichen Gebühren und deren Höhe aufzuklären. Das System der gesetzlichen Gebühren beruht gerade auf dem Gedanken, ein Beratungsgespräch nicht mit Fragen der Honorierung zu belasten (OLG Düsseldorf NJW 00, 1650). Unabhängig von einer berufsrechtlich in § 49b Abs. 5 BRAO normierten Hinweispflicht (dazu BGH NJW 08, 371) gelten Besonderheiten bei erkennbar aufklärungsbedürftigen Mandanten. Derartige Besonderheiten bestanden hier, da der Mandant rechtsschutzversichert ist. Der VN einer Rechtsschutzversicherung hat regelmäßig ein Interesse an Kostenfragen insoweit, ob er Gebühren des Rechtsanwalts selbst zu begleichen hat, oder sie aus dem Deckungsschutzanspruch gegenüber dem VR befriedigt werden können. Der RA darf vor einer Kostenzusage des VR nur Klage erheben, wenn der Mandant ihn damit ausdrücklich in Kenntnis beauftragt hat, dass er damit Gefahr läuft, die Kosten des Rechtsstreits selber tragen zu müssen (OLG Düsseldorf VersR 76, 892; OLG Celle 19.3.08, 3 U 242/07 - juris; Sieg in Zugehör u.a. Handbuch der Anwaltshaftung , 2. Aufl., Rn. 652). Hier lag das Interesse des VN an der Aufklärung auf der Hand, weil
Über die Kosten der Verfolgung weiterer Ansprüche hat der RA den VN nicht aufgeklärt.
Zum Leitsatz 2: Der RA hat mit der Geltendmachung der Urlaubsabgeltungsansprüche pflichtwidrig gehandelt und dadurch beim VN einen Kostenschaden verursacht, von welchem dieser freizustellen ist. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung ist in der Klageschrift nicht schlüssig dargelegt. Eine erfolgreiche Geltendmachung schied bereits aus, weil die Zahlungsansprüche eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses voraussetzen (§ 7 Abs. 4 BUrlG) während der VN mit der Kündigungsschutzklage die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses festgestellt wissen wollte.
Der VR hat hierauf hingewiesen und den Deckungsschutz verweigert. Der RA hat den Zahlungsanspruch auch nicht als Hilfsanspruch für den Fall der Abweisung der Kündigungsschutzklage formuliert. Der Anspruch hätte auch nicht zu diesem Zeitpunkt geltend gemacht werden müssen, da ein Verfall der Ansprüche zum Zeitpunkt der Klageerhebung nicht drohte.
Ein Zuwarten wäre auch unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie sinnvoll gewesen. Vor den Arbeitsgerichten werden häufig Abfindungsvergleiche geschlossen unter Einbeziehung sämtlicher noch bestehender Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. Ein kostenbewusst handelnder RA hätte diese Möglichkeit in Betracht gezogen, solange Fristversäumnisse nicht drohen. Darüber muss er den Mandanten belehren und die erforderlichen Weisungen einholen.
Durch Erhebung zweier gesonderter Kündigungsschutzklagen gegen die Kündigung des Arbeitgebers vom 27.8.04 und die Kündigung des Insolvenzverwalters vom 2.9.04 hat der RA unnötige Kosten verursacht und ebenfalls pflichtwidrig gehandelt. Die zweite Kündigung hätte im Wege der Klageerweiterung in das erste Kündigungsschutzverfahren eingeführt werden müssen. Das hätte zu geringeren Kosten geführt. Die Verbindung beider Kündigungsschutzklagen war möglich. Der Insolvenzverwalter war wegen beider Klagen prozessführungsbefugt, da zum Zeitpunkt der ersten Kündigungsschutzklage bereits das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers des Beklagten eröffnet war. |
Praxishinweis
Das Urteil ist in einem Punkt nicht zu verallgemeinern: Der RA hat den Mandanten nicht ungefragt über Kosten zu informieren - meist kann er das auch gar nicht vorab. Das gilt auch, wenn der Mandant rechtsschutzversichert ist. Das Risiko einer Leistungsablehnung durch die RSV trägt der Mandant, nicht der RA. Besonderheiten, die nach dieser Entscheidung vom RA zu beachten sind:
- Solange keine Deckungszusage vorliegt, sollte der Mandant ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass er ggf. Kosten ganz oder teilweise selbst tragen muss (§ 12a Abs. 1 S. 2 ArbGG ist zu beachten).
- Die Erhebung einer Zweitklage statt einer möglichen Klageerweiterung bedarf grundsätzlich einer Begründung gegenüber dem Mandanten und auch gegenüber dem VR (z.B. Entscheidungsreife der Erstklage). Auch hier sollte der Mandant über Mehrkosten informiert werden.
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