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  • 01.09.2005 | Schuldrecht

    Wann ist eine Ehegattenmithaftung bei Pachtverbindlichkeiten sittenwidrig?

    von RA Christian Stake, Werne
    Eine Ehegattenmithaftung für Pachtverbindlichkeiten des Ehepartners kann bei krasser finanzieller Überforderung sittenwidrig sein (OLG Celle 5.7.05, 16 U 1/05, Abruf-Nr. 052154).

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Der Ehemann hatte wegen schlechter finanzieller Verhältnisse das Haus, in dem er ein Pflegeheim betrieb, verkauft und vom Käufer zurückgepachtet. Seine Ehefrau übernahm eine Mithaftung für die Pachtschulden. Als der Ehemann mit seinen Pachtzahlungen in Verzug geriet, wurde sie vom Hauseigentümer in Anspruch genommen. Dieser betrieb die Zwangsvollstreckung aus einer vollstreckbaren Urkunde. Die Vollstreckungsgegenklage der Ehefrau hatte Erfolg. Das OLG Celle erklärte die Zwangsvollstreckung für unzulässig, da die Mithaftungsverpflichtung der Ehefrau wegen ihrer krassen finanziellen Überforderung sittenwidrig gewesen sei.  

     

    Praxishinweis

    Für die Frage der Sittenwidrigkeit der von der Ehefrau übernommenen Mithaftung für die Pachtschulden des Ehemanns sind mehrere Punkte ausschlaggebend:  

     

    • Zunächst kommt es auf ihre Eigentums- und Vermögensverhältnisse im Zeitpunkt der Mithaftungsübernahme an. Dabei ist auf die fest vereinbarte Pachtdauer abzustellen. Der über diesen Zeitraum anfallende Betrag muss ihren Vermögensverhältnissen bei Vertragsschluss gegenübergestellt werden.

     

    Beispiel

    Vorliegend betrug die Pachtdauer fünf Jahre. Hieraus ergab sich eine Verpflichtung der Ehefrau in Höhe von 660.000 DM. Demgegenüber standen Einkünfte von jährlich ca. 23.000 DM. Damit hatte die Ehefrau kaum pfändbares Einkommen. Nach der zu diesem Zeitpunkt geltenden Tabelle zu § 850c ZPO wäre bei einem Nettoverdienst von monatlich etwa 1.922 DM (23.065/12) ohne Unterhaltspflichten ein Betrag von 816,20 DM pfändbar gewesen. Demgegenüber stand die von ihr mitübernommene Pachtschuld von monatlich 11.000 DM auf wenigstens fünf Jahre. Selbst im günstigsten angenommenen Fall hätte die Ehefrau damit nicht einmal 10 Prozent der monatlichen Pachtschuld aus dem pfändbaren Einkommen aufbringen können.  

     

    Damit ist in diesem Fall die krasse finanzielle Überforderung der Ehefrau durch die Haftungsübernahme und Unterwerfungserklärung hinreichend belegt.  

    Entscheidend bei der Gegenüberstellung sind allein die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Ehefrau im Zeitpunkt der Haftungsübernahme. Auf spätere Entwicklungen kommt es dagegen nicht an. Irrelevant ist daher beispielsweise
    • der nachträgliche Ausbau oder die Renovierung des Hausgrundstücks,
    • später eingetragene Eigentümergrundschulden,
    • eine spätere Berufstätigkeit der Ehefrau mit einem höheren Einkommen.