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  • 17.08.2010 | Unfallversicherung

    AUB: So ist der Begriff „Schultergelenk“ im Sinne der Gliedertaxe zu verstehen

    von VRiOLG a.D. Werner Lücke, Telgte

    1. Als „Schultergelenk“ im Sinne der Gliedertaxe ist das Kugelgelenk zwischen Schulterblatt und Oberarmknochen zu verstehen, nicht die Gesamtheit des Schultergürtels einschließlich Schlüsselbein und Schulterblatt.  
    2. Es erfolgt keine Verzinsung nach § 11 IV AUB 88, wenn nur ein Vorschuss geleistet und keine Erstfeststellung der Invalidität getroffen wurde.  
    (OLG Koblenz 4.9.09, 10 U 1350/08, Abruf-Nr. 102294)

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Der VN (AUB 88) hatte sich bei einem Unfall die rechte Schulter gebrochen. Der vom VR beauftragte Sachverständige hat zum Ablauf des ersten Jahres eine noch nicht im Endzustand befindliche Invalidität von 1/4 Armwert begutachtet. Der VR zahlte daraufhin einen dem entsprechenden Abschlag. Die Begutachtung zum Ablauf des dritten Jahres ergab 2/5 Armwert, den der VR seiner abschließenden Entscheidung zugrunde legte. Der VN verlangte eine Entschädigung nach dem vollen Armwert mit bedingungsgemäßer Verzinsung nach § 11 IV AUB 88. Das LG hat der Klage teilweise stattgegeben. Die Berufung hatte (nur) in Bezug auf die Invaliditätsentschädigung Erfolg.  

     

    Die Gliedertaxe bestimmt in § 7 I Abs. 2 Nr. a AUB 88 (ebenso wie in AUB 94 und Nr. 2.1.2.2.1 AUB 99/2008) nach einem abstrakten und generellen Maßstab feste Invaliditätsgrade bei Verlust oder - dem Verlust gleichgestellt - Funktionsunfähigkeit der mit ihr benannten Glieder. Gleiches gilt bei Verlust oder Funktionsunfähigkeit eines durch die Gliedertaxe abgegrenzten Teilbereichs eines Glieds. Demgemäß beschreibt § 7 I Abs. 2 Nr. a AUB 88 abgegrenzte Teilbereiche eines Armes oder Beines und ordnet jedem Teilbereich einen festen Invaliditätsgrad zu, der mit der Rumpfnähe des Teilglieds steigt. Die Gliedertaxe stellt damit für den Verlust und für die Funktionsunfähigkeit der in ihr genannten Gliedmaßen oder deren Teilbereiche durchgängig allein auf den Sitz der unfallbedingten Schädigung ab. Bei der Beurteilung der Funktionsunfähigkeit des Arms im Schultergelenk (§ 7 I Abs. 2 Nr. a AUB 88) kommt es deshalb nicht auf die Funktionsunfähigkeit des Armes, sondern auf die des Schultergelenks an (BGH VK 06, 160 = VersR 06, 1117).  

     

    Im Streitfall war zwar das Schultereckgelenk, das Kugelgelenk, funktionsunfähig, nicht aber das zum Schultergürtel ebenfalls gehörende Schulterblatt nebst Schlüsselbein. Sachverständiger und LG haben alle Bestandteile des Schultergürtels im Anschluss an die medizinische Bewertung als Einheit angesehen und die Invalidität entsprechend bemessen. Dem ist der Senat entgegengetreten. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und dem herkömmlichen Verständnis ist das Schultergelenk das Gelenk (Kugelgelenk) des Schultergürtels zwischen Schulterblatt und Oberarmknochen, in dem sich die Vorderextremität bzw. der Oberarm dreht. Als Gelenk wird in der Anatomie die bewegliche Verbindung zwischen Körperteilen, die ihrerseits mehr oder weniger starr sind, definiert. Das Schulterblatt wird demgegenüber als Hauptknochen des Schultergürtels, der sich aus Schulterblatt, Schlüsselbein und Rabenbein zusammensetzt, bezeichnet (vgl. Brockhaus, Enzyklopädie, 19. Aufl.). Danach sind Schultergelenk und Schultergürtel mit Schulterblatt durchaus zu trennen. Zwar ist das Schultergelenk Bestandteil des Schultergürtels, an dessen äußerem Ende es sitzt, nicht aber Schultergürtel und Schulterblatt Bestandteil des Schultergelenks. Der in den Bedingungen verwandte Begriff Schultergelenk ist bei dieser Sachlage in seinem Wortsinn, nämlich als die bewegliche Verbindung zwischen Schulterblatt und Oberarmknochen, zu verstehen. Demnach hat der VR eine Invaliditätsentschädigung nach dem vollen Armwert zu zahlen.