08.09.2009 | Unfallversicherung
Gesundheitszustand: Wann können Änderungen im Prozess noch geltend gemacht werden?
von VRiOLG A.D. Werner Lücke, Telgte
Im Rechtsstreit um die Erstfeststellung seiner Invalidität (hier nach § 11 Abs. 2 AUB 94) trifft den VN einer Unfallversicherung keine rechtliche Verpflichtung, bereits alle bis zum Abschluss der mündlichen Verhandlung eingetretenen Veränderungen seines Gesundheitszustands geltend zu machen. Kann deshalb die Vertragspartei, welche später die Neubemessung der Invalidität verlangt, darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass bestimmte Veränderungen im Gesundheitszustand des VN, auf die sich das Begehren stützt, noch nicht in die gerichtliche Erstbemessung eingeflossen sind, sind diese Veränderungen im Rahmen der Neubemessung zu berücksichtigen (BGH 22.4.09, IV ZR 328/07, Abruf-Nr. 092877). |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Der Kläger forderte aus einer Unfallversicherung die Zahlung einer Invaliditätsentschädigung und einer Rente. Letztere war ab einer Gesamtinvalidität von 50 Prozent geschuldet. Der VR hatte eine Invalidität von 49 Prozent errechnet und die dafür geschuldeten Leistungen gezahlt. Die dagegen erhobene Klage war aufgrund eines Gutachtens aus Februar 2005 auf die mündliche Verhandlung vom 10.10.05 rechtskräftig abgewiesen worden, weil der festgestellte Invaliditätsgrad 49 Prozent nicht übersteige.
Anschließend erhob der Kläger erneut Klage auf Zahlung der Leistungen nach einem Invaliditätsgrad von 59 Prozent. Er verwies auf § 11 Abs. 4 AUB 94 und die dort vorgesehene Möglichkeit einer Neubemessung. Das LG wies die Klage wegen der Rechtskraft des vorhergehenden Urteils als unzulässig ab. Die Berufung blieb erfolglos. Zwar sei die Klage entgegen der Auffassung des LG zulässig, weil in dem vorangegangenen Urteil zur Frage der Neubemessung nichts ausgeführt und dementsprechend auch nichts entschieden worden sei. Der Kläger habe erstinstanzlich aber keine Verschlechterung in dem Zeitraum zwischen der letzten mündlichen Verhandlung im Vorprozess und dem Ablauf der Dreijahresfrist für die Neufestsetzung am 28.6.06 nach den vereinbarten Bedingungen behauptet. Neuer Vortrag in der Berufungsinstanz sei nach § 531 Abs. 2 ZPO unbeachtlich. Der ungenügende Vortrag des Klägers beruhe nicht auf der fehlerhaften Rechtsauffassung des LG, weil diese mangels eines Hinweises für den Kläger nicht erkennbar gewesen sei.
Der BGH hat dieses Urteil (vgl. dazu VK 08, 9) aufgehoben. Die Klage sei, wie das OLG zutreffend erkannt habe, zulässig. Der Senat habe das Vorbringen des VN, wenn es denn überhaupt neu gewesen sein sollte, nicht als verspätet zurückweisen dürfen. In der ersten Instanz habe es überhaupt keinen Hinweis auf das angeblich unvollständige Vorbringen gegeben. Ein Hinweis in der Berufungsinstanz mache nur Sinn, wenn das darauf erfolgende Vorbringen auch zugelassen werde.
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