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  • 09.05.2011 | Unfallversicherung

    Psychoklausel: Auf die medizinische Nachvollziehbarkeit kommt es an

    von VRiOLG a.D. Werner Lücke, Telgte

    Psychische Leiden, die im Anschluss an eine traumatisch bedingte physische Schädigung eintreten, unterliegen gleichwohl dem Ausschluss nach Nr. 5.2.6 AUB 2000 (sog. Psychoklausel), wenn die psychische Reaktion in Anbetracht der Schwere der erlittenen körperlichen Beeinträchtigung medizinisch nicht nachvollziehbar ist und die durch den unfallbedingten Körperschaden mittelbar hervorgerufenen psychischen Beschwerden deshalb nur mit ihrer psychogenen Natur erklärt werden können (OLG Oldenburg 17.11.10, 5 U 108/09, Abruf-Nr. 111498).

     

    Sachverhalt

    Die 39 Jahre alte VN hatte eine Unfallversicherung unter Geltung der AUB 2000 abgeschlossen. Bei einem Sturz hatte sie sich eine, was die körperlichen Schäden betrifft, innerhalb weniger Monate folgenlos ausgeheilte Infraktion am Übergang vom Kreuz- zum Steißbein zugezogen. Sie entwickelte aber Schmerzsyndrome am gesamten Bewegungsapparat und eine Persönlichkeitsstörung, die trotz intensiver Behandlungen nicht zurückgingen und die zu ihrer Verrentung geführt haben. Die VN hält sich für zu 100 Prozent invalide. Der VR hat sich auf die Psychoklausel Nr. 5.2.6 AUB 2000 berufen. Danach ist der Versicherungsschutz ausgeschlossen für krankhafte Störungen infolge psychischer Reaktionen, auch wenn diese durch einen Unfall verursacht worden sind.  

     

    Entscheidungsgründe

    Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der VN blieb erfolglos. Nach der Beweisaufnahme stehe fest, dass sich die physischen Folgen des Unfalls auf eine folgenlos ausgeheilte Infraktion (inkompletter Bruch) am Kreuz-/Steißbeinübergang beschränkt habe. Organische Erkrankungen, die die von der Klägerin glaubhaft vermittelten chronischen Schmerzen nachvollziehbar erscheinen lassen, seien dagegen nicht erkennbar. Insbesondere sei die Verletzung des Steißbeins durch den Sturz keinesfalls ausgeprägt genug, um die jetzigen Schmerzen und deren Folgebeschwerden zu erklären. Auslöser der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung sei der besagte Sturz gewesen. Er habe eine psychische Reaktion in Gang gesetzt, die zu der Schmerzchronifizierung geführt habe. Die mit dem Sturz einhergegangene körperliche Störung (Verletzung des Steißbeins) habe die Schmerzsymptomatik, so der Sachverständige, nicht verursacht.  

     

    Unter den Ausschluss fallen unter anderem alle auf einer psychischen Reaktion beruhenden Gesundheitsschädigungen, bei denen es entweder überhaupt an einem durch Einwirkung von außen entstandenen körperlichen Trauma fehlt, oder die ganz oder teilweise auf einer unfallbedingten Fehlverarbeitung beruhen, d.h. nur mit ihrer psychogenen Natur erklärbar sind (vgl. BGH NJW 04, 2589; NJW-RR 05, 32; Jannsen, in: Schubach/Jannsen, Private Unfallversicherung, Ziffer 5.2.6 AUB, Rn. 103 f. m.w.N.).