01.02.2006 | Unfallversicherung
Unfallversicherung und Alkohol: Was Sie bei der Fallbearbeitung beachten müssen
von VRiOLG Werner Lücke, Hamm/Telgte
In der letzten Ausgabe hatten wir über eine Entscheidung des OLG Köln berichtet, nach der von einer Bewusstseinsstörung auszugehen ist, wenn der VN mit mindestens 2,67 Promille einen Klettersteig begeht und dabei verunglückt (VK 06, 16). Dann ist der Versicherungsschutz ausgeschlossen. Die folgenden Checklisten erläutern, was Sie im Themenkreis „Unfallversicherung und Alkohol“ berücksichtigen müssen.
Checkliste: Unfallversicherung und Alkohol |
Diese Ausschlussklausel trägt der Erfahrungstatsache Rechnung, dass bewusstseinsgestörte Menschen einer erhöhten Unfallgefahr unterliegen. Ihre Fähigkeit, Sinneseindrücke schnell und genau zu erfassen, sie zügig zu verarbeiten und auf sie sofort richtig zu reagieren, ist beeinträchtigt. Welchen Umfang diese Gefahrerhöhung hat, hängt jedoch nicht allein vom Maß der Blutalkoholkonzentration, sondern auch von der konkreten Lebenssituation ab, in der sich der VN beim Unfall befindet. Wer sich auf einem Klettersteig befindet, hat größere Schwierigkeiten zu bewältigen als der, der am Strand spazieren geht.
Absolute Verkehrsuntüchtigkeit wird angenommen
Die Beweislast für die Voraussetzungen des Ausschlusses liegt beim VR.
Die Beweislast des VR besteht auch für diese Umstände. Allerdings muss der VN bei feststehendem Fahrfehler erklären, wie es sonst dazu kommen konnte, wenn der Fehler als solcher als alkoholtypisch eingestuft werden kann. Insoweit trifft ihn eine Darlegungslast.Der VR muss widerlegen, wenn der Umstand den VN zu entlasten geeignet ist. Der VN muss aber keine Sachverhalte erfinden, wenn er dazu keine Angaben machen kann, weil etwa der Fahrer verstorben ist oder an einer Amnesie leidet (LG Potsdam NZV 04, 529).
|
Checkliste: Unfall durch Bewusstseinsstörung |
Lehnt der VR Ansprüche aus der Unfallversicherung wegen alkoholbedingter Bewusstseinsstörung ab, müssen folgende Punkte geprüft werden:
1. Hat sich der VR rechtzeitig auf den Ausschluss berufen (dazu BGH VersR 06, 57 zum vergleichbaren Problem des § 12 Abs. 3 VVG)?
2. Eignet sich der Fall für die Überprüfung der Rechtsfrage, ob die Klausel wirksam ist?
3. Ist die Blutprobe ordnungsgemäß entnommen worden? Anderenfalls ist eine sachverständige Beurteilung unumgänglich.
4. Ist die Blutprobe nach den standardisierten Regeln ausgewertet worden? Anderenfalls bleibt sie zwar verwertbar, aber nur mit höheren Sicherheitsabschlägen und nach Maßgabe sachverständiger Begutachtung.
5. Kommt ein Fall absoluter Verkehrsuntüchtigkeit in Betracht und ist der Grenzwert überschritten? Steht bei Radfahrern fest, dass sie gefahren sind und nicht etwa das Fahrrad geschoben haben?
6. Ist die alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit in einem solchen Fall zumindest mitursächlich für den Unfall geworden oder kommen Umstände in Betracht, die den Anscheinsbeweis für „Typizität“ des Alkohols für den Unfall im Einzelfall ernsthaft in Frage stellen?
7. Bei relativer Verkehrsuntüchtigkeit:
8. Ist der Alkohol unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt als dem der Bewusstseinsstörung von Bedeutung (vorsätzliches Begehen einer Straftat/Obliegenheitsverletzung)? |
Quelle: Ausgabe 02 / 2006 | Seite 19 | ID 94354