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  • 09.02.2009 | Wohngebäudeversicherung

    Auslegung von Sicherheitsvorschriften - „nicht genutzter Gebäudeteil“

    von RiOLG Dr. Dirk Halbach, Köln

    Allgemeine Versicherungsbedingungen sind regelmäßig so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher VN bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Das gilt auch für sog. Sicherheitsvorschriften im Rahmen eines Wohngebäudeversicherungsvertrags, die bei schuldhafter Nichtbeachtung als vertragliche Obliegenheitsverletzung zu einem Haftungsausschluss des VR im (versicherten) Schadensfall führen (OLG Thüringen 30.7.08, 4 U 637/07, Abruf-Nr. 090299).

     

    Sachverhalt

    Der VN verlangt Entschädigung aus einer Wohngebäudeversicherung (VGB 2002). Versichert war ein Einfamilienhaus, das der Sohn des VN bewohnte. In der wegen Renovierungsarbeiten leer geräumten Küche kam es zu einem Rohrbruch. Der VN behauptet, der Rohrbruch habe sich nachts bei Abwesenheit des Sohns ereignet. Der VR hat sich auf Leistungsfreiheit berufen. Der VN habe gegen die Sicherungsobliegenheit verstoßen, in der nicht zu Wohnzwecken genutzten Küche hinreichend häufig - nämlich täglich - zu kontrollieren. Auch sei die Wasserleitung am separaten Abstellhahn nicht abgesperrt und entleert worden. Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des VN führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.  

     

    Entscheidungsgründe

    Der VN hat mit der nicht abgesperrten und entleerten Wasserleitung nicht gegen die Sicherheitsvorschrift des § 25 Nr. 1c VGB 2002 verstoßen, da die leer geräumte Küche keinen „nicht genutzten Gebäudeteil“ i.S. der Vorschrift darstellt. Der allgemeine Sprachgebrauch versteht unter dem Begriff „nutzen“, sich einer Sache ihrem Zweck entsprechend zu bedienen. Ein nicht seinem Nutzungszweck entsprechend gebrauchtes Gebäude ist daher i.S. des § 25 Nr. 1c VGB 2002 „nicht genutzt“. Steht ein Wohngebäude unbewohnt leer, so ist es danach „nicht genutzt“ und den VN treffen die Obliegenheiten nach der Vorschrift. Indem das LG darauf abgestellt hat, die leer geräumte Küche sei zum Schadenszeitpunkt nicht benutzt, hat es sich die Sache aber zu einfach gemacht. Hier geht es nicht um ein komplett leer gezogenes oder leer geräumtes Wohngebäude, sondern um ein weiterhin bewohntes Einfamilienhaus, in dem lediglich ein Raum zu Renovierungszwecken ausgeräumt war.  

     

    Den Status eines für längere Zeit gänzlich unbewohnten Hauses hat der VR zu keinem Zeitpunkt substanziiert behauptet, sondern lediglich eine mehrtägige Abwesenheit des Bewohners geltend gemacht. Mit einer solchen nur kurzzeitigen Abwesenheit verleiht der z.B. im Urlaub weilende Hausbewohner seinem Gebäude aber nicht den zum Absperren und Entleeren aller Wasserleitungen verpflichtenden Status der Nichtnutzung. Auch die zu Renovierungszwecken erfolgte Leerräumung des einen Raumes hat die Wohnzwecknutzung nicht aufgehoben. Die Auslegung der Sicherheitsvorschrift hat sich über den Wortlaut hinaus auch auf den Sinn und Zweck der Vorschrift zu erstrecken, wonach gerade in länger leer stehenden Gebäuden das erhöhte Risiko besteht, dass Leitungswasser (z.B. durch Materialermüdung oder Vandalismus) über einen längeren Zeitraum unbemerkt austritt. Ein solches erhöhtes Risiko besteht bei einem vorübergehend zu Renovierungszwecken leer geräumten Einzelraum in einem ansonsten weiterhin zu Wohnzwecken genutzten Einfamilienhaus nicht.