Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Betriebshaftpflichtversicherung

    Grenzen der Erfüllungsklausel: Mehrere verschiedene Aufträge in einem Vertrag

    von VRiOLG a.D. Werner Lücke, Telgte

    • 1. Der Erfüllungsausschluss (Ziff. 1.2 AHB) greift nur ein, wenn das unmittelbare Interesse des Bestellers am eigentlichen Leistungsgegenstand betroffen ist.
    • 2. Dies ist streng an dem erteilten Auftrag zu orientieren. Mehrere Aufträge können auch dann vorliegen, wenn mehrere Gewerke durch einen einzigen Vertrag an denselben Vertragspartner vergeben werden.

    (OLG Dresden 23.10.13, 7 U 548/13, Abruf-Nr. 141901)

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Der Bauherr hatte in einem Vertrag die Heizungs- und die Wasserinstallation an denselben Handwerker (VN) vergeben. Die Heizungsarbeiten waren abgeschlossen, abgenommen und bezahlt. Bei der späteren Arbeit an der Wasserversorgung trat wegen mangelhafter Arbeiten Wasser aus. Dabei wurde u.a. der Fußboden beschädigt. Zu dessen Sanierung musste auch die Fußbodenheizung herausgerissen und später erneut eingebracht werden. Der Betriebshaftpflicht-VR hat die geltend gemachten Schäden weitgehend ausgeglichen. Nicht bezahlt hat er die Kosten der Wiederherstellung der Fußbodenheizung. Hierzu hat er sich auf die Erfüllungsklausel (Ziff. 1.2 AHB) und die Herstellungsklausel (Ziff. 7.8 AHB) berufen. Damit hatte er vor dem LG Erfolg. Das OLG hat der Berufung des VN aus folgenden Gründen stattgegeben:

     

    • Die vom VN getragenen Aufwendungen für die Erneuerung der Fußbodenheizung sind nicht von der sog. Erfüllungsklausel erfasst.
    •  
    • Übersicht / Umfang der Erfüllungsklausel

      Die Ausschlussklausel betrifft die Erfüllung von Verträgen. Hauptleistungspflichten gehören danach nicht zum Leistungsumfang des Haftpflicht-VR. Gleiches gilt für Mangelnebenkosten, d.h. solche Schäden, die an Sachen des Bestellers verursacht werden müssen, um das Werk nachbessern zu können. Diese zählen insgesamt zum ausgeschlossenen Vertragserfüllungsinteresse.

       

      Die Erfüllungsklausel greift aber nur für das jeweils betreffende Gewerk ein. Entscheidend für die Beurteilung der Frage, ob Baumaßnahmen das nicht versicherte vertragliche Erfüllungsinteresse betreffen, ist nach der Rechtsprechung des BGH das unmittelbare Interesse des Vertragspartners - des Bestellers - am eigentlichen Leistungsgegenstand (BGH VersR 05, 110).

       

      Bei der Bestimmung des Leistungsgegenstands ist von einer vernünftigen Betrachtungsweise unter Berücksichtigung der natürlichen Lebensanschauung und der Verkehrsauffassung auszugehen. Wird der VN aufgrund von mehreren zeitlich nacheinander abgeschlossenen und damit zweifelsfrei rechtlich selbstständigen Aufträgen tätig, ist gewöhnlicherweise von mehreren Leistungsgegenständen auszugehen. Wenn er bei Ausführung eines späteren Auftrags das aufgrund eines früheren Auftrags fertiggestellte - von dem Vertragsgläubiger bereits abgenommene - andere Werk beschädigt, greifen die Risikoausschlüsse der Erfüllungs- und Herstellungsklausel nicht ein.

       
    • Da die zwei Gewerke hier aber durch einen einzigen Werkvertrag in Auftrag gegeben wurden, sind sie nicht ohne Weiteres rechtlich selbstständig.

     

    • Übersicht / Behandlung mehrerer Teilleistungen

      Werden in einer Leistung mehrere Gegenstände geliefert oder besteht die Werkleistung wie vorliegend in mehreren Teil-Leistungen, kommt es darauf an, ob die Zusammenfassung der mehreren Gegenstände in einem Vertrag zueinander in einem inneren Zusammenhang steht oder nicht. Soweit ein räumlicher, zeitlicher und funktionaler Zusammenhang besteht, ist von einem einzigen Liefer- oder Leistungsgegenstand auszugehen. Der funktionale Zusammenhang kann allerdings fehlen oder gänzlich in den Hintergrund treten, soweit sehr klare räumliche und/oder zeitliche Einschnitte zwischen den einzelnen Leistungsgegenständen vorliegen.

       

      Beispiel | Kein Versicherungsschutz wird anzunehmen sein bei einem Gesamtauftrag zur Errichtung eines Dachstuhls einschließlich Dacheindeckung. Gleiches gilt für die Errichtung eines schlüsselfertigen Hauses, da der Leistungsgegenstand durch einen einheitlichen Vertrag und durch den inneren Funktionszusammenhang - Schlüsselfertigkeit - geprägt ist.

       
    • Ein solcher innerer Funktionszusammenhang ist vorliegend aber nicht gegeben. Ausweislich des Vertragsbestandteil gewordenen Leistungsverzeichnisses handelt es sich bei den Gewerken „Abwasser-, Wasser- und Gasanlagen“ und „Wärmeversorgungsanlagen“ um unabhängig voneinander beauftragte Leistungsabschnitte, die keine Zweckeinheit bilden. Sie bauen nicht aufeinander auf und sind im Leistungsverzeichnis unabhängig voneinander beschrieben. Allein die Tatsache, dass sie in einem Vertrag zusammengefasst wurden, reicht unter Berücksichtigung der vorstehend aufgeführten Umstände jedenfalls nicht aus, um von einem einheitlichen Leistungsgegenstand auszugehen. Da die Arbeiten an dem selbstständigen Leistungsgegenstand „Fußbodenheizung“ unstreitig mangelfrei erbracht und auch abgenommen worden sind, ist das Risiko des zufälligen Untergangs auf den Besteller übergegangen. Es handelt sich damit um einen vom Versicherungsschutz erfassten Folgeschaden.

     

    • Auch die sog. Herstellungsklausel (Ziff. 7.8 AHB) ist nicht einschlägig. Schäden, die nicht am Leistungsgegenstand selbst entstanden sind, sondern nur „mittelbare“ Folgeschäden einer mangelhaften Leistung darstellen, werden durch die Klausel nicht vom Versicherungsschutz ausgeschlossen (OLG Köln VersR 85, 934; BGH VersR 85, 1153). Liegen mehrere Leistungsteile vor, ist ebenso wie bei der Erfüllungsklausel der eigentliche Leistungsgegenstand im Sinne der Rechtsprechung des BGH zu bestimmen (Späte, AHB, § 4 Rn. 260 ff.). Wie gezeigt, liegen mehrere Aufträge vor.

     

    Praxishinweis

    Das Urteil belegt, dass auch die Erfüllungsklausel ihre Grenzen hat. Ebenso wie die Herstellungsklausel greift sie nicht ein, wenn es um unterschiedliche Gewerke geht und der Schaden bei den weiteren Arbeiten an dem zuerst ausgeführten Gewerk eintritt, sofern dieses bereits abgenommen war. Seine besondere Bedeutung liegt darin, dass es mit überzeugenden Gründen klarstellt, dass auch in einem einzigen Vertrag verschiedene Aufträge vergeben werden können. Das Urteil wird deshalb für die Gas-, Wasser- und Heizungsinstallationsbranche große Bedeutung haben.

    Quelle: Ausgabe 07 / 2014 | Seite 113 | ID 42742172