· Fachbeitrag · Privathaftpflichtversicherung
Benzinklausel: Auch wer nur mit dem Zündschlüssel spielt führt das Fahrzeug
von VRiOLG a.D. Werner Lücke, Telgte
| In der Privathaftpflichtversicherung ist regelmäßig die Haftpflicht u.a. des Führers eines Kraftfahrzeugs wegen Schäden ausgeschlossen (Ziff. 3 BB-PHV; kleine Benzinklausel), die durch den Gebrauch eines Kfz entstehen. Ein Jugendlicher, der spielerisch mit dem Zündschlüssel den Motor startet, führt das Kfz. Es besteht deshalb kein Versicherungsschutz. |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Das LG Ellwangen (24.4.15, 1 S 3/15, Abruf-Nr. 146060) hatte über den Versicherungsschutz eines 13-jährigen Jugendlichen zu befinden. Dieser hatte auf einem Hof gespielt und sich dabei auf einen Traktor gesetzt. Als er dabei am Zündschlüssel drehte, setzte sich der Traktor in Bewegung und beschädigte ein Gebäude. Das LG hat die Deckungsklage abgewiesen.
- Ein Gebrauch eines Fahrzeugs liegt insbesondere vor, wenn die für das Fahrzeug typischen Funktionen in Tätigkeit gesetzt werden (OLG Hamm VersR 91, 1399; Knappmann in Prölss/Martin, VVG 29. Aufl. 2015 zu A.1.1 Nr. 7 AKB 08). Hat der Sohn des VN die Zündung des Traktors betätigt und hat sich daraufhin das Fahrzeug vorwärts bewegt, sodass es in weiterer Folge zu dem streitgegenständlichen Schaden gekommen ist, so wurde von dem Kfz „Gebrauch“ gemacht. Es ist der Hauptanwendungsfall des Gebrauchs eines Kfz, wenn der Motor gezündet wird und das Fahrzeug sich dadurch fortbewegt.
- Der Jugendliche war auch Führer des Kfz. Es ist umstritten, ob Fahrer nur derjenige sein kann, dessen Handlung subjektiv auf die Fortbewegung des Fahrzeugs gerichtet war (bejahend: OLG Celle VersR 06, 256; LG Hildesheim VersR 02, 750; LG Freiburg 22.2.90, 6 O 629/89; a.A: LG Koblenz r+s 94, 256; LG Dortmund NJW-RR 10, 1472; OLG Hamm VersR 88, 457 L). Dies kann aber dahinstehen. Selbst wenn man zugrunde legt, dass sich der Sohn des VN nur aus spielerischen Gründen auf den Fahrersitz gesetzt und die Zündung betätigt hat, ist dessen Führereigenschaft zu bejahen. Denn wer solche Handlungen vornimmt - seien sie auch spielerisch motiviert - bezweckt das Kfz fortzubewegen.
Relevanz für die Praxis
Für den Ausschluss müssen stets beide Voraussetzungen kumulativ vorliegen. Der Gebrauchsbegriff ist als Element eines Ausschlusses eng auszulegen. Dabei muss sich ein typisches Gebrauchsrisiko des Kfz verwirklicht haben. Dies liegt nur dann vor, wenn das zum Schaden führende Risiko dem Fahrzeuggebrauch eigen und diesem selbst und unmittelbar zuzurechnen ist (BGH VK 07, 39; OLG Hamm VK 15, 185). Im Streitfall war das unproblematisch.
Versichert war der Jugendliche deshalb nur dann, wenn er nicht Führer des Kfz war. Auf das Verständnis desselben Begriffs in den AKB kommt es nicht an. Führer kann nur sein, wer die verantwortlichen Funktionen des Kfz selbst in Betrieb setzt, um es seinem Zweck entsprechend zu gebrauchen. Dies lässt sich mit dem LG Ellwangen auch dann bejahen, wenn es aus einem Spieltrieb heraus geschehen ist.
Beachten Sie | Stets muss der Grund für das Verhalten des Versicherten ermittelt werden. Wer etwa nur Musik hören will, ist in der PHV versichert.
Checkliste / Benzinklausel in der Privathaftpflichtversicherung |
Wichtig | Für einen Ausschluss müssen alle Voraussetzungen kumulativ vorliegen. |
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Anbaugerät: Ein als Mähgerät der Straßenbauverwaltung eingesetzter Unimog schleudert beim Mähen des Grünstreifens einen Gegenstand hoch. | OLG Celle |
Anbaugerät: Eine durch einen Lkw-Motor angetriebene Hydraulikpumpe wird in Bewegung gesetzt, um die Hubvorrichtung zu betätigen. Dabei entsteht ein Schaden: Der Betrieb der Hubvorrichtung ist eine für einen Container-Lkw typische Funktion. Für den Schaden besteht daher keine Deckung in der Betriebshaftpflichtversicherung. | LG Freiburg OLG Karlsruhe |
Beladen: Beim Beladen eines Lkw fallen zwei Fässer herunter. | OLG Hamm |
Reparatur: Der Fahrer eines Kraftfahrzeugs gebraucht als solcher das Fahrzeug nur, wenn er Reparaturen ausführt, die in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Fahrer stehen, also vorwiegend kleine Reparaturen, wie etwa das Wechseln eines Rads. | OLG Celle |
Tanken: Der Ausschluss greift, wenn ein Beifahrer in Abwesenheit des Fahrers das Fahrzeug zur Zapfsäule fährt (insoweit Fahrer) und es dann mit falschem Treibstoff betankt, wodurch ein Motorschaden eintritt ( auch wenn mangels Fremdschaden kein Anspruch aus der Kraftfahrt-Haftpflichtversicherung besteht). | LG Duisburg |
Verschieben: Das Wegschieben eines Pkw-Anhängers per Hand ist gebrauchstypisch. Dabei verursachte Schäden fallen grundsätzlich unter den Haftungsausschluss der genannten Vorschrift. | LG Paderborn NVersZ 01, 430 |
Verschieben: Der VN schiebt mittels Lösens der Handbremse von außen ein parkendes Fahrzeug beiseite, um mit seinem Pkw in seine Einfahrt gelangen zu können. | LG Düsseldorf anders: AG Köln |
Verschieben: Der VN schiebt ein im Hof abgestelltes Motorrad weg, um mit dem eigenen Kfz den Hof verlassen zu können: Das gehört zum typischen Fahrzeuggebrauch i.S. der Benzinklausel. Es ist dabei unerheblich, ob für einen außenstehenden Dritten der Bezug zum Gebrauch des Fahrzeugs deutlich erkennbar war. | LG Hamburg |
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Ausschlachten: Der VN schlachtet sein stillgelegtes Schrottfahrzeug aus, indem er Karosserieteile abmontiert. | LG Bielefeld ZfS 89, 173 |
Autoradio: Der Beifahrer eines abgestellten Pkw dreht den im Zündschloss steckenden Schlüssel, um das Autoradio zu betreiben. Versehentlich wird der Schlüssel so weit umgedreht, dass der Motor gestartet wird und sich der Pkw von selbst in Bewegung setzt: Die bloße Nutzung der Batterie als Energiequelle für einen Zweck, der mit dem Betrieb des Kfz in keinem inneren Zusammenhang steht, stellte keinen Gebrauch des Fahrzeugs i.S. der Ausschlussklausel dar. | OLG Celle |
Autoradio: Ein Jugendlicher soll eine Musikkassette aus einem Pkw holen. Er steckt den Schlüssel ins Zündschloss, um einen Probelauf der Kassette durchzuführen. Dabei lässt er versehentlich den Motor an und setzt den Wagen wegen eines eingelegten Gangs in Bewegung. | LG Koblenz |
Beladen: Beim Beladen des Kfz auf dem Supermarktparkplatz rollt der Einkaufswagen weg und beschädigt einen anderen Pkw: Der Beladevorgang gehört zwar zum Gebrauch des Kfz. Jedoch geht die sich in dem Schaden realisierte Gefahr nicht vom Kfz selbst aus, sondern vom Verhalten des VN (mangelnden Sicherung des Einkaufswagens gegen Wegrollen). | LG Kassel ZfS 03, 301 |
Besichtigung: Der VN besteigt ohne Fahrtabsicht lediglich zum Zwecke der Besichtigung ein Motorrad. Das kippt dabei aus dem Stand um und verursacht einen Schaden. | Saarländisches OLG |
Einsteigen: Der VN, der durch die Garage zu seinem außerhalb der Garage geparkten Pkw gelangen will, beschädigt beim Öffnen des Garagentors ein vor der Garage abgestelltes fremdes Fahrzeug. | AG Hannover ZfS 97, 463 |
Elektrik: Entsteht durch defekte Elektrik des Fahrzeugs ein Brand, muss unterschieden werden: Stand das Kfz bereits längere Zeit ohne Gebrauchsmaßnahmen, entstand der Schaden nicht beim Betrieb. | OLG Rostock |
Enteisen: Pkw gerät beim Gebrauch eines Heizlüfters zum Enteisen der Scheiben in Brand: Es realisiert sich das Risiko, das dem Gebrauch des Heizlüfters und nicht demjenigen des Fahrzeugs anhaftet. | OLG Karlsruhe |
Reparatur: Der VN unternimmt Reparaturarbeiten an einem nicht nur vorübergehend aus dem Verkehr gezogenen Fahrzeug. | BGH |
Reparatur: Der VN führt an einem fremden Fahrzeug einen Ölwechsel durch und vergisst, frisches Öl nachzufüllen. Der hierdurch eingetretene Motorschaden ist vom Deckungsbereich der Privathaftpflichtversicherung umfasst. | LG Augsburg ZfS 90, 241 |
Spielen: Der 10-jährige Sohn des VN probiert zusammen mit Spielkameraden aus, ob er das Fahrzeug in Gang setzen kann: Er ist nicht als Fahrer zu werten. Zum einen hatte er nicht die tatsächliche Gewalt über das Fahrzeug erlangt, welche eine gewisse Dauer und Festigkeit der Beziehung zur Sache und die Möglichkeit, beliebig auf sie einzuwirken, voraussetzt. Zum anderen war das Fahrzeug auf einem Betriebsgelände eingeschlossen und sollte nur zum Spielen und „Ausprobieren“ benutzt werden. | LG Freiburg ZfS 90, 137 |
Weiterführende Hinweise
- Die Benzinklausel greift auch, wenn keine Kfz-Haftpflichtversicherung besteht: OLG Brandenburg VK 15, 56.
- Benzinklausel: Auf diese Punkte müssen Sie bei der Fallbearbeitung achten: Lücke, VK 08, 211.