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  • · Fachbeitrag · Kfz-Kaskoversicherung

    Das müssen Sie zu Beweiserleichterungen und Beweiswürdigung beim Fahrzeugdiebstahl wissen

    von VRiOLG a.D. Hellmut Münstermann, Aachen

    Die Schilderung des „äußeren Bildes“ eines Fahrzeugdiebstahls (Abstellen und Nichtwiederauffinden) erfordert grundsätzlich nur die Wiedergabe eines einfachen, nicht komplexen Sachverhalts. Treten bei Angaben zu einer sehr überschaubaren Sachlage nicht durch Erinnerungsschwächen zu erklärende Widersprüche auf, sind diese in besonderem Maße zu gewichten (OLG Köln 16.7.13, 9 U 30/13, Abruf-Nr. 140307).

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Die VN beansprucht Leistungen aus der Teilkaskoversicherung wegen des Diebstahls eines Motorrads. Der VR bestreitet den Eintritt des Versicherungsfalls. Das LG hat der Klage nach Beweisaufnahme stattgegeben. Das OLG hat den Zeugen X (Sohn der VN) nochmals vernommen. Die Berufung des VR hatte Erfolg.

     

    Nach ständiger Rechtsprechung kommen dem VN bei einem behaupteten Fahrzeugdiebstahl Beweiserleichterungen zugute. Er genügt seiner Beweislast, wenn er ein Mindestmaß an Tatsachen darlegt und beweist, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die Entwendung zulassen. Der Mindestsachverhalt des äußeren Bildes ist gegeben, wenn das Fahrzeug zu bestimmter Zeit an einem bestimmten Ort abgestellt und dort später nicht wieder aufgefunden wurde. Hierfür muss der VN allerdings den Vollbeweis erbringen. An diesem Beweis fehlt es hier.

     

    Wegen der mit der Berufung aufgezeigten Bedenken an der Richtigkeit der Feststellung des LG, die VN habe das äußere Bild bewiesen, ist nach Maßgabe des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO keine Bindungswirkung eingetreten. Der Senat hat die Beweisaufnahme insoweit wiederholt , ließ sich nach der Aussage des Zeugen X vom äußeren Bild einer Entwendung jedoch nicht überzeugen.

     

    Die vom Zeugen X vor LG und OLG, bei der Anzeigenerstattung am 2.4.10 und in der von ihm ausgefüllten und von der VN unterzeichneten Schadenanzeige an den VR vom 30.4.10 gemachten Angaben weisen Ungereimtheiten und Widersprüche auf. Diese sind bei der erneuten Befragung vor dem Senat nicht ausgeräumt und nachvollziehbar erklärt worden. Zur Abstellzeit des Motorrads hat er angegeben: In der Schadenanzeige „ca. 19.00 Uhr“ am 31.3.10, in der Vernehmung vor dem LG „morgens“, vor dem Senat „in den Vormittagsstunden“. Es ist insoweit fraglich und nicht mit Erinnerungsschwächen zu erklären, wieso der Zeuge in der Schadenanzeige eine abendliche Uhrzeit eingetragen hat. Dies insbesondere deshalb, weil er sich beim Senat noch an den Wochentag erinnerte und an bestimmte Umstände bezüglich der Abstellzeit. Zeitliche Ungenauigkeiten ergeben sich auch zu den Angaben, wann er das Motorrad am 1.4.10 auf dem Weg zur Arbeit zuletzt auf dem Stellplatz gesehen haben will. Bei der Anzeigenerstattung „gegen 14.20 Uhr“, beim LG „gegen 12.00 bzw. 14.00 Uhr“, vor dem Senat „etwa 14.00 Uhr“ mit der Bekräftigung, daran „eine ganz konkrete Erinnerung“ zu haben. Auf Vorhalt der früheren und deutlich vorfallnäheren Angabe vor dem LG hat er geäußert, mit dem Zeitraum 12.00 - 14.00 Uhr die Zeiten seines üblichen Arbeitsbeginns gemeint zu haben. Dies überzeugt nicht, weil das LG auch seine Angabe protokolliert hat, dass er oft „morgens um 10.00 oder 12.00 Uhr anfangen“ müsse.

     

    Gänzlich ungeklärt sind überdies die widersprüchlichen Angaben zu den Umständen des Nicht-Wiederauffindens des Motorrads in der Nacht des 2.4.10. Die VN ließ dazu vortragen, der Zeuge habe um 1.20 Uhr zu einer „Freizeitfahrt“ aufbrechen wollen. Dies hat er vor dem LG als absurd bezeichnet und wie bei der Anzeigenerstattung erklärt, er sei um diese Zeit von der Arbeit nach Hause zurückgekehrt und habe das Fehlen des Motorrads bemerkt.

     

    Der Senat erkennt an, dass der Zeuge die wesentlichen Behauptungen der VN zum Kerngeschehen flüssig und spontan bestätigt hat. Allerdings traten bei der Schilderung des einfachen, nicht komplexen Sachverhalts Widersprüche auf. Da diese durch Erinnerungsschwächen nicht zu erklären waren, mussten sie in besonderem Maße gewichtet werden.

     

    Praxishinweis

    Die Beweiserleichterungen beim Fahrzeugdiebstahl werden mitunter nicht richtig gesehen. Sie entbinden den VN nur von der Pflicht, für den Eintritt des Versicherungsfalls - wie sonst - den Vollbeweis erbringen zu müssen. Diesen wird der VN jedoch kaum einmal erbringen können. Sehr oft fehlen Zeugen, der Täter wird nicht ermittelt. Die Beweiserleichterungen besagen, dass der VN nicht das Entwendungsgeschehen selbst, sondern im Wege der Beweismaßabsenkung nur das äußere Bild hierfür beweisen muss (Abstellen und Nichtwiederauffinden). Es handelt sich um einen Anzeichenbeweis, nicht Anscheinsbeweis, wonach mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die Entwendung geschlossen werden kann. Für das äußere Bild muss der VN allerdings den Vollbeweis führen.

     

    Der RA des VN wird nicht selten vor einer Situation wie hier stehen. Die Angaben des Zeugen reichen für den Nachweis des äußeren Bildes nicht aus. Was tun? Zu denken ist gemäß § 141 ZPO an eine Anhörung des VN selbst. Diese ist nach § 141 ZPO grundsätzlich nur subsidiär, wenn der VN keine anderen Beweismittel hat. Es wird jedoch vertreten, dass ein VN, dessen Zeuge „versagt“, nicht schlechter gestellt werden kann als ein VN, der von vorneherein keinen Zeugen hat (OLG Hamm r+s 97, 491). Im Besprechungsfall scheidet eine Anhörung aber aus, weil die VN bei Abstellen und Nichtwiederauffinden des Motorrads nicht zugegen war. Ist dies - wie häufig - anders, kann der RA des VN den Antrag nach § 137 Abs. 4 ZPO stellen. Die erschienene Partei hat das Recht, dem Gericht ihr Tatsachenwissen selbst vorzutragen. Das ist eine Frage der Gewährung rechtlichen Gehörs. Die Bewertung der Angaben der Partei ist dann eine Frage der Würdigung durch das Gericht.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Zur Frage der Parteianhörung beim Nachweis des Fahrzeugdiebstahls: OLG Karlsruhe VK 09, 81 (mit umfangreicher Checkliste zu den Beweiserleichterungen).
    Quelle: Ausgabe 02 / 2014 | Seite 33 | ID 42470523