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  • · Fachbeitrag · Kfz-Kaskoversicherung

    Diese Nachweise muss der VN bei der Entwendung von Fahrzeugteilen erbringen

    von VRiOLG a.D. Hellmut Münstermann, Aachen

    • 1.Die von der Rechtsprechung gewährten Beweiserleichterungen bei Entwendung eines Kfz gelten entsprechend für die Entwendung von Fahrzeugteilen. Der VN muss einen Sachverhalt darlegen und beweisen, der mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die Entwendung des Fahrzeugs bzw. von Fahrzeugteilen zulässt (äußeres Bild). Dieses liegt vor, wenn der VN beweist, dass er sein Fahrzeug zu bestimmter Zeit an einem bestimmten Ort abgestellt und bei Entwendung von Fahrzeugteilen dort ohne diese wieder vorgefunden hat.
    • 2.Der VR hat hiergegen ebenfalls Beweiserleichterungen. Der VR muss einen Sachverhalt nachweisen, der mit erheblicher Wahrscheinlichkeit die Vortäuschung des Versicherungsfalls nahelegt (BGH VersR 84, 29 u. ständig).

    (AG Karlsruhe 21.6.13, 1 C 18/13, rkr., Abruf-Nr. 132898)

     

    Sachverhalt

    Der VN unterhält für seinen gebraucht erworbenen Pkw Audi A3 Sportback bei dem VR seit dem 10.5.12 eine Teilkaskoversicherung gemäß Versicherungsschein vom 15.5.12. Am 11.5.12 zeigte der VN die Entwendung des im Pkw fest eingebauten Navigationsgeräts an. Vom VR verlangt er für eine Neubeschaffung 3.491,07 EUR abzüglich 150 EUR Selbstbehalt. Das AG hat der Klage in Höhe von 2.691,23 EUR stattgegeben.

     

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist gemäß § 1 VVG, A.2.2.2, A.2.6.1, A.2.18 AKB in genannter Höhe begründet. Das Gericht geht davon aus, dass das gemäß A.2.1.2. lit. g AKB mitversicherte Navi aus dem Pkw des VN entwendet worden ist.

     

    Die Rechtsprechung gewährt dem VN in Entwendungsfällen Beweiserleichterungen, weil ihm in der Regel keine Zeugen für den Tatvorgang zur Verfügung stehen. Es genügt, wenn der VN einen Sachverhalt darlegt und beweist, der nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf eine Entwendung schließen lässt (sog. äußeres Bild der Entwendung). Hiervon ist regelmäßig dann auszugehen, wenn der VN das Fahrzeug zu bestimmter Zeit an einem bestimmten Ort abgestellt hat und es dort später nicht wieder vorfindet. Dieses gilt entsprechend für die Entwendung von Fahrzeugteilen.

     

    Hat der VN keinen Zeugen für das äußere Bild, kann der Tatrichter in freier Beweiswürdigung dem VN auch aufgrund persönlicher Anhörung gemäß § 141 ZPO Glauben schenken. Nach diesen Grundsätzen hat der VN den Nachweis des äußeren Bildes geführt (§ 286 ZPO). Nach seinen glaubhaften Angaben hat er den Pkw abends vor seiner Wohnung in unversehrtem Zustand mit eingebautem Navi abgestellt und diesen am nächsten Morgen auf dem Weg zur Arbeit an gleicher Stelle ohne Navi wieder vorgefunden.

     

    Der VR hat den ihm obliegenden Beweis konkreter Tatsachen, die eine erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung des Versicherungsfalls begründen könnten, nicht erbracht. Dazu reicht nicht aus, dass am Fahrzeug keine Aufbruchspuren vorhanden und die Steckverbindungen gezogen und nicht durchtrennt waren. Es gibt technische Möglichkeiten, ein mit funkgesteuerter Zentralverriegelung versehenes Kfz ohne Aufbruchspuren zu öffnen. Der Nachweis, dass die Verriegelung am Fahrzeug auf diese Weise überwunden worden ist, obliegt aber nicht dem VN. Das hat der VR verkannt.

     

    Die Höhe der Entschädigung bemisst sich gemäß A.2.18 AKB bei Verlust von mitversicherten Teilen entsprechend den Regelungen in A.2.6 bis A.2.17 AKB für das Gesamtfahrzeug. Danach ist der Wiederbeschaffungswert für das Navi zu ersetzen. Dieser entspricht bei einem vom Hersteller des Fahrzeugs fest eingebauten Gerät dem Neupreis, wenn es hierfür keinen Gebrauchtmarkt gibt. Der VN hat Anspruch auf Ersatz nicht irgendeines gleichwertigen Geräts, sondern auf ein solches des fraglichen Kfz-Herstellers. Hierfür gibt es jedoch unstreitig keinen Gebrauchtmarkt. Auf eine Beschaffungsmöglichkeit über das Internet braucht sich der VN nicht verweisen zu lassen, sondern kann sich auf den ihm offenstehenden Markt der im näheren Umkreis ansässigen Vertragshändler beschränken.

     

    Ein Abzug „neu für alt“ scheidet aus. Die Regelung in A.2.7.3 AKB sieht zwar einen Abzug vor, betrifft jedoch allein die Entschädigung im Reparaturschadenfall. Eine Regelung bei Totalschaden oder Entwendung fehlt hingegen.

     

    Die Kosten für ein neues Navi nebst Einbau belaufen sich laut Angebot auf netto 2.741,23 EUR. Die DVD ist gemäß A.2.1.2 lit. b AKB in Höhe von 100 EUR ersatzfähig. Nach Abzug der Selbstbeteiligung von 150 EUR verbleiben 2.691,23 EUR. Hinsichtlich der Umsatzsteuer ist die Klage derzeit unbegründet. Der VN hat noch keine Ersatzbeschaffung vorgenommen. Gemäß A.2.9 AKB wird Mehrwertsteuer nur erstattet, wenn sie tatsächlich angefallen ist.

     

    Praxishinweis

    Das AG referiert zutreffend die von der Rechtsprechung gewährten Beweis-erleichterungen beim Diebstahl eines Kfz (BGH VersR 84, 29 und ständig). Ausreichend ist der Nachweis des äußeren Bildes eines Kfz-Diebstahls bzw. des Diebstahls von Fahrzeugteilen. Den Vollbeweis für das konkrete Entwendungsgeschehen wird der VN in den allerwenigsten Fällen führen können. Der Täter wird nicht ermittelt. Zeugen für das unmittelbare Tatgeschehen stehen nicht zur Verfügung. Verlangt man in der Diebstahlversicherung - wie sonst - den Vollbeweis, wäre die Kaskoversicherung in den häufigen Fällen fehlender Tataufklärung für den VN vielfach ohne Wert.

     

    Eine Streitfrage hat das AG ebenfalls geklärt. Das Navi ist entwendet worden, ohne dass Einbruchspuren am Fahrzeug festgestellt werden konnten. Das hindert jedoch nicht das vom VN nachgewiesene äußere Bild des Teilediebstahls. Dieses entfällt nicht dadurch, dass keine Einbruchspuren vorhanden sind. Solche Spuren sind hierfür nicht erforderlich. Beim Teilediebstahl reicht der Nachweis des Abstellens des Fahrzeugs mit und seines Wiederauffindens ohne das entwendete Navi.

     

    Unstreitig unterhält der VN seit dem 10.5.12 beim VR eine Teilkaskoversicherung gem. Versicherungsschein vom 15.5.12. Der Vertrag kommt i.d.R. erst bei Zugang des Versicherungsscheins zustande, also hier nach dem Versicherungsfall am 11.5.12. Einzelheiten ergeben sich aus dem Urteil nicht. Der Versicherungsschutz für den 11.5.12 kann jedoch unabhängig vom Datum des Vertragsschlusses begründet worden sein. Dafür bestehen zwei Möglichkeiten:

     

    • Sollte der Versicherungsbeginn im Versicherungsschein auf den 10.5. datiert sein, handelt es sich um eine Rückwärtsversicherung (§ 2 Abs. 1 VVG). Der materielle Versicherungsbeginn liegt vor dem formellen Vertragsschluss. Das im Versicherungsschein eingetragene Datum ist nicht nur der technische Versicherungsbeginn (Prämienzahlung), sondern auch der Beginn des materiellen Versicherungsschutzes (BGH VersR 82, 841).

     

    • Dass die Erstprämie am 11.5. noch nicht gezahlt war, hindert nicht den Versicherungsschutz (§ 2 Abs. 4 VVG). Die Vorschrift des § 37 Abs. 2 VVG ist auf die Rückwärtsversicherung nicht anwendbar. Das sog. Einlösungsprinzip als Voraussetzung für den Versicherungsschutz galt schon nach altem Recht in der Rückwärtsversicherung als abbedungen.

     

    • Der Versicherungsschutz für den 11.5. kann auch durch eine vorläufige Deckungszusage des VR begründet worden sein. Dabei handelt es sich um einen rechtlich selbstständigen Vertrag, der vom Hauptvertrag zu unterscheiden ist. Zweck der vorläufigen Deckung ist die Schließung der Versicherungslücke zwischen dem Antrag des VN und dem Beginn des Versicherungsschutzes aus dem Hauptvertrag.

     

    • Am meisten bekannt ist die vorläufige Deckung in der Kfz-Haftpflichtversicherung, die mit der für den VN ausgestellten Versicherungsbestätigung gewährt wird. Nach früherer Rechtsprechung führt die Aushändigung an den VN, der einen einheitlichen Antrag auf Haftpflicht- und Kaskoversicherung gestellt hat, auch zur Gewährung vorläufigen Versicherungsschutzes in der Kaskoversicherung, wenn der VR nicht darauf hingewiesen hat, dass die Versicherungsbestätigung nur vorläufige Deckung in der Kfz-Haftpflichtversicherung gewährt (BGH VersR 86, 541; VersR 99, 1274).

     

    • Die heutigen AKB sehen vorläufige Deckung in der Kaskoversicherung nur vor, wenn der VR dies ausdrücklich zugesagt hat (B.2.2 AKB 2008). Darauf sollte der VN immer achten. Bei der vorläufigen Deckung hindert auch nicht, dass die Prämie noch nicht gezahlt war. Es gilt der Grundsatz der deckenden Stundung der Prämie. § 37 Abs. 2 VVG ist nicht anwendbar. Es gilt vielmehr die spezielle Klausel B.2.4 AKB 2008 über den rückwärtigen Wegfall der vorläufigen Deckung, wenn die im Versicherungsschein genannte erste oder einmalige Prämie „nicht unverzüglich (d.h. spätestens innerhalb von zwei Wochen) nach Ablauf von 2 Wochen nach Zugang des Versicherungsscheins“ gezahlt ist (Zahlungsfrist also 2 x 2 Wochen nach Zugang).

     

    Weiterführender Hinweis

    • Zum erforderlichen Vortrag beim Fahrzeugdiebstahl: Münstermann, VK 10, 118

    Einsender der Entscheidung | RA Peter Schäufele, Karlsruhe

    Quelle: Ausgabe 10 / 2013 | Seite 174 | ID 42282236