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  • · Fachbeitrag · Kfz-Kaskoversicherung

    Geschädigter muss nicht zunächst die eigene Vollkaskoversicherung in Anspruch nehmen

    | Kann der Geschädigte eines Verkehrsunfalls die Kosten der Reparatur nicht aus eigenen Mitteln vorstrecken, muss er nicht zunächst seine eigene Vollkaskoversicherung in Anspruch nehmen. |

     

    1. Der ewige Streit: Wie weit geht die Schadensminderungspflicht?

    Kann der Geschädigte die Reparaturkosten oder die Ersatzbeschaffung nicht aus eigenen Mitteln vorstrecken, verweisen die Haftpflicht-VR gerne auf eine bestehende Vollkaskoversicherung. Sie sehen einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht, wenn der Geschädigte diese nicht in Anspruch nimmt.

     

    2. Die Antwort des OLG Brandenburg: Es gibt enge Grenzen

    Ob dies tatsächlich so ist, ist in weiten Teilen von Rechtsprechung und Schrifttum umstritten. Das OLG Brandenburg hat sich nun an die Seite des Geschädigten gestellt. Es entschied, dass ihm kein Pflichtenverstoß vorgeworfen werden könne (27.2.20, 12 U 86/18, Abruf-Nr. 215658). In entsprechenden Fällen können Sie die nachstehenden Argumente übernehmen.

     

    Musterformulierung / Argumente gegen Inanspruchnahme der Vollkasko

    Dem Geschädigten ist ein Verstoß gegen seine Schadensminderungsobliegenheit nicht deshalb vorzuwerfen, weil er nicht sofort seinen Kaskoversicherer in Anspruch genommen hat.

     

    • Vom Geschädigten kann bereits grundsätzlich nicht verlangt werden, seinen Vollkaskoversicherer in Anspruch zu nehmen, denn Sinn und Zweck der Kaskoversicherung ist gerade nicht die Entlastung des Schädigers (so auch OLG Celle r+s 18, 616; OLG Naumburg 15.6.17, 9 U 3/17, Abruf-Nr. 196434; OLG Naumburg NZV 05, 198; Kuhnert in Haus/Krumm/Quarch, Verkehrsrecht, 2. Aufl., § 249 BGB, Rn. 182).

     

    • Jedenfalls kann vom Geschädigten nicht verlangt werden, dass er bei einer eindeutigen Haftungsverteilung wie z. B. im Fall eines Auffahrunfalls, in dem von Schädigerseite auch keine Einwendungen gegen eine Einstandspflicht dem Grunde nach erhoben werden, parallel zur Inanspruchnahme der Haftpflichtversicherung der Gegenseite bereits an seinen Kaskoversicherer herantritt.

     

    • Vor diesem Hintergrund ist nicht zu beanstanden, wenn der Geschädigte zunächst durch seinen Prozessbevollmächtigten die Anforderung einer Reparaturkostenübernahmebestätigung zweimal wiederholen lässt. Das gilt auch, wenn der eintrittspflichtige Haftpflichtversicherer die Übernahme nicht abgelehnt hat und nicht absehbar ist, dass er diese verweigern wird.

     

    • Unerheblich ist, ob der Geschädigte gegenüber dem Leasinggeber zur Instandsetzung des Fahrzeugs verpflichtet ist. Der Haftpflichtversicherer kann auch in einem solchen Fall nicht darauf vertrauen, dass der Geschädigte die Reparatur zeitnah veranlassen wird.
     

    MERKE | Voraussetzung ist in allen Fällen allerdings, dass der Geschädigte dem Schädiger bzw. dem Haftpflicht-VR umgehend angezeigt hat, dass er aus finanziellen Gründen nicht in der Lage ist, das Fahrzeug reparieren zu lassen. Unterlässt er die Anzeige, verstößt er gegen seine Schadensminderungsobliegenheit.

     
    Quelle: Ausgabe 12 / 2020 | Seite 207 | ID 46904773