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  • · Fachbeitrag · Kfz-Kaskoversicherung

    Inhalt und Grenzen des Unfallbegriffs

    von VRiOLG a.D. Hellmut Münstermann, Aachen

    • 1.Unfall ist ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das versicherte Fahrzeug einwirkendes Ereignis. Der Gegenstand, von dem die auf das Fahrzeug einwirkende Gewalt ausgehen muss, darf nicht Teil des Fahrzeugs selbst sein.
    • 2.Löst sich ein Fahrzeugteil während der Fahrt vom Fahrzeug, ist dies als einheitlicher Lebensvorgang anzusehen. Dieser dauert an und das Teil bleibt Fahrzeugteil, wenn das Fahrzeug unmittelbar nach der Ablösung von dem Teil getroffen und beschädigt wird.

    (BGH 15.5.13, IV ZR 62/12, Abruf-Nr. 133263)

     

    Sachverhalt

    Der VN verlangt vom VR aus der Kaskoversicherung Leistungen wegen Schäden, die beim Überfahren eines Frontballastgewichts entstanden sind, das sich während der Fahrt vom versicherten Traktor gelöst hatte. Das OLG hat die Versicherungsleistung versagt und die Revision nicht zugelassen. Der BGH hat die Nichtzulassungsbeschwerde des VN zurückgewiesen.

     

    Entscheidungsgründe

    Dem VN steht ein Leistungsanspruch gemäß A.2.3.2 AKB 2008 wegen Unfalls schon deshalb nicht zu, weil der versicherte Traktor keiner bedingungsgemäßen Einwirkung mechanischer Gewalt von außen ausgesetzt war.

     

    Die Voraussetzung „von außen“ verdeutlicht dem VN, auf dessen Verständnis es ankommt, dass der Gegenstand, von dem die auf das versicherte Fahrzeug wirkende mechanische Gewalt ausgehen muss, nicht Teil des Fahrzeugs selbst sein darf. Das Ballastgewicht war Teil des Traktors, um die Traktion der Vorderräder zu verbessern. Es handelte sich nicht etwa um Ladung zur Beförderung von einem Ort zum anderen. Auch wenn das Gewicht unmittelbar nach seiner Ablösung zum Hindernis wurde, blieb es weiterhin Fahrzeugteil. Wie lange ein solches noch nicht als von außen auf das Fahrzeug wirkender, fahrzeugfremder Gegenstand anzusehen ist, wird nach der Verkehrsanschauung des täglichen Lebens bestimmt. Ein Vorgang, bei dem sich ein Fahrzeugteil während der Fahrt löst, ist als einheitlicher Lebensvorgang anzusehen. Dieser dauert zumindest noch an, soweit das Fahrzeug unmittelbar im Anschluss an die Ablösung des Teils von diesem getroffen und beschädigt wird.

     

    Unfallschäden liegen hingegen vor, wenn sie erst durch die Kollision des versicherten Fahrzeugs mit äußeren Hindernissen (wie dem Boden, anderen Fahrzeugen, einem Baum oder Baumstumpf, einem Stein oder einer Bordsteinkante) entstanden sind. Scheidet hier ein versicherter Unfallschaden bereits aus diesem Grunde aus, kommt es auf die weiteren - rein erläuternden - Einschränkungen des Unfallbegriffs in A.2.3.2 AKB 2008 sowie die Auslegung und Transparenz des Begriffs des nicht versicherten „Betriebsvorgangs“ nicht mehr an.

     

    Praxishinweis

    Der BGH hat sich erneut mit der Abgrenzung des Unfallbegriffs in der Kaskoversicherung befasst. Kernpunkt für einen versicherten Unfall ist die Voraussetzung, dass mechanische Gewalt von außen auf das versicherte Fahrzeug eingewirkt haben muss. Daran fehlt es im Besprechungsfall. Der Schaden am Traktor ist entstanden, als dieser über ein Frontballastgewicht fuhr, das sich unmittelbar vorher vom Traktor gelöst hatte. Der Gegenstand, von dem die schädigende Einwirkung ausgeht, darf jedoch nicht Teil des versicherten Fahrzeugs sein. Schwierig ist nicht selten die Abgrenzung zwischen Unfallschaden und nicht versichertem Betriebsschaden. Betriebsschäden sind solche, die durch normale Abnutzung, durch Material- oder Bedienungsfehler an dem versicherten Fahrzeug oder seinen Teilen entstehen. Vom Versicherungsschutz nicht umfasst sind solche Schäden, die Ausfluss des normalen Betriebsrisikos sind, bei denen sich folglich die Gefahren auswirken, denen das Fahrzeug im Rahmen seiner konkreten Verwendung üblicherweise ausgesetzt ist.

     

    Beispiel | Die AKB (A.2.3.2) enthalten eine beispielhafte Aufzählung nicht versicherter Betriebsschäden. Nicht als Unfallschäden gelten insbesondere Schäden aufgrund eines Brems- oder Betriebsvorgangs oder reine Bruchschäden. Dazu zählen z.B. Schäden am Fahrzeug durch rutschende Ladung oder durch Abnutzung, Verwindungsschäden, Schäden aufgrund eines 
Bedienungsfehlers oder Überbeanspruchung des Fahrzeugs und Schäden zwischen ziehendem und gezogenem Fahrzeug ohne Einwirkung von außen.

     

    Schäden zwischen ziehendem und gezogenem Fahrzeug sind jedoch nicht stets vom Versicherungsschutz ausgeschlossen, sondern nur beim Fehlen einer Einwirkung mechanischer Gewalt von außen auf das versicherte Fahrzeug.

     

    • Der BGH hat noch vor kurzem entschieden, wann in diesen Fällen eine Einwirkung von außen vorliegt (BGH 19.12.12, IV ZR 21/11, VK 13, 48). Der durchschnittliche VN wird Schadenursachen, die weder von dem ziehenden noch von dem gezogenen Fahrzeug ausgehen, als Einwirkung von außen ansehen. Solche Ursachen können auch in der Fahrbahnbeschaffenheit oder den Witterungsverhältnissen liegen. Gerät z.B. der von einem Pkw gezogene Wohnanhänger durch unerwartet starke Spurrillen auf der Fahrbahn ins Schleudern und prallt sodann auf den ziehenden Pkw und beschädigt diesen, liegt eine Einwirkung von außen und ein versicherter Unfallschaden vor.

     

    • Geht hingegen die Schadenursache vom versicherten Fahrzeug selbst, im Besprechungsfall von einem seiner Teile aus, fehlt es an einer Einwirkung von außen und einem versicherten Unfallschaden.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Wann sind durch den Anhänger verursachte Schäden am Zugfahrzeug versichert? AG Frankfurt a.M. VK 10, 188; OLG Stuttgart VK 07, 32
    • Unfallschaden: Was muss der VR zum Nachweis der vorsätzlichen Herbeiführung vortragen? Münstermann, VK 08, 13
    Quelle: Ausgabe 11 / 2013 | Seite 192 | ID 42323870