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  • · Fachbeitrag · Rauschmittelbedingte Fahruntüchtigkeit

    Ohne Ausfallerscheinungen verletzt positiver Blut-Wirkstoffbefund noch keine Obliegenheiten

    | Kann der VR den VN wegen einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls in der Kfz-Haftpflicht- und Kasko-Versicherung bzw. wegen einer Obliegenheitsverletzung in Regress nehmen, wenn nach dem Unfall ein positiver Wirkstoffbefund im Blut des VN festgestellt wird? Nein sagt das KG und zeigt auf, welche zusätzlichen Voraussetzungen dazu erforderlich sind. |

     

    1. Der Ausgangsfall

    Der VN hatte mit seinem Pkw einen Unfall verursacht. Der VR hatte den VN in Regress genommen. Der VN habe gegen die Obliegenheit verstoßen, das Fahrzeug bei rauschmittelbedingter Fahruntüchtigkeit nicht zu fahren. Aufgrund der polizeilich angeordneten Blutuntersuchung steht fest, dass sich im Blut des VN zwei Stunden nach dem Unfall näher bezeichnete Rauschmittel befanden. Ob und wann der VN zuletzt vor dem Unfallereignis welche Medikamente eingenommen hatte, ist nicht bekannt. Dies lässt sich auch nicht mehr aufklären, weil der VN während des Prozesses verstorben ist.

     

    2. Rauschmittel im Blut reichen alleine nicht aus

    Dem KG reichte der Vortrag des VR nicht aus (12.5.20, 6 U 120/19, Abruf-Nr. 217883). Es könne nicht festgestellt werden, dass der VN vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig im Sinne des § 81 VVG/§ 28 Abs. 2 VVG gehandelt hat.

     

    Das Ergebnis der Blutuntersuchung lässt keinen Rückschluss auf konkrete Ausfallerscheinungen bei Fahrtantritt zu. Es gibt die Konzentrationen der festgestellten Wirkstoffe nicht wieder. Es macht auch keine Aussagen zum Abbauprozess und zu danach ggf. naheliegenden kognitiven Einschränkungen. Mittels Zeugenangaben sind konkrete Ausfallerscheinungen ‒ wie das Fahren von Schlangenlinien ‒ erst für die unmittelbare Nähe des Unfallorts zu belegen. Angebliche Ausfallerscheinungen zu Beginn der Fahrt sind bestritten und vom VR nicht bewiesen. Insofern muss für die Entscheidung zugrunde gelegt werden, dass der VN die Fahrtstrecke von seinem Wohnort bis zum Unfallort tatsächlich ohne Ausfallerscheinungen zurückgelegt hatte.

     

    Checkliste / Diese Voraussetzungen müssen vorliegen

    Das KG stellt klar, dass neben den Wirkstoffbefund im Blut noch weitere Voraussetzungen treten müssen:

     

    • Der VR muss Ausfallerscheinungen nachweisen, z. B. durch Zeugenbeweis. Je nach Konzentrationen der festgestellten Wirkstoffe kann auch der nachgewiesene Wirkstoffbefund ausreichen. Dann muss nachgewiesen werden, dass unter Berücksichtigung des Abbauprozesses kognitive Einschränkungen unumgänglich waren.
    • Es müssen auch in subjektiver Hinsicht Anhaltspunkte vorliegen, dass dem VN ein unentschuldbarer Sorgfaltsverstoß vorzuwerfen ist. Dazu muss konkret festgestellt werden, dass er das Auftreten der Ausfallerscheinungen als solche registriert und richtig zugeordnet und dann trotz der Erkenntnis, sich möglicherweise in einem Zustand der Fahruntüchtigkeit zu befinden, seine Fahrt fortgesetzt hat.
     
    Quelle: Ausgabe 10 / 2020 | Seite 173 | ID 46809471