· Fachbeitrag · Berufsunfähigkeitsversicherung
Eine doppelte Rechtshängigkeit kann rechtsmissbräuchlich sein, muss es aber nicht
| Will der VN einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung Leistungen einklagen, handelt er im Regelfall mutwillig im Sinne des § 114 ZPO, wenn er bereits zuvor eine Klage auf Feststellung des Fortbestands des Versicherungsvertrags erhoben hat. |
1. Keine PKH bei mutwilliger Rechtsverfolgung
Das machte das OLG Nürnberg deutlich und versagte dem VN die Prozesskostenhilfe für das zweite Verfahren (12.3.24, 8 W 444/24, Abruf-Nr. 241612).
Der Senat verwies auf die ständige Rechtsprechung. Danach ist eine Rechtsverfolgung in der Regel mutwillig, wenn eine wirtschaftlich leistungsfähige, also nicht bedürftige Partei bei sachgerechter und vernünftiger Einschätzung der Prozesslage von ihr Abstand nehmen oder ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde, weil ihr ein kostengünstigerer Weg offensteht und dieser Weg genauso Erfolg versprechend ist. Mutwilligkeit i. S. v. § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO liegt deshalb regelmäßig vor, wenn eine Partei keine nachvollziehbaren Sachgründe dafür vorbringt, aus welchen Gründen sie einen neuen Prozess anstrengt, obwohl sie das gleiche Klageziel kostengünstiger im Wege der Erweiterung einer bereits anhängigen Klage hätte erreichen können.
Die Staatskasse muss also keine Kosten tragen, die bei Beachtung der Grundsätze einer wirtschaftlichen Prozessführung nicht entstanden wären. Im Rahmen der Prozesskostenhilfe grundsätzlich nicht zu erstatten sind deshalb Gebühren, die erst dadurch entstehen, dass Streitgegenstände in gesonderten Klagen statt durch Klagehäufung geltend gemacht werden.
2. Aber nicht immer sind getrennte Prozesse mutwillig
Allerdings ist eine Rechtsverfolgung mehrerer Ansprüche gegen dieselbe Partei in getrennten Prozessen nur mutwillig, wenn dies zu höheren Kosten für die Staatskasse führt und keine nachvollziehbaren Sachgründe für diese Prozessführung vorliegen. Legt der Antragsteller plausibel dar, dass ein sachlich begründeter Anlass bestanden hat, trotz der höheren Kosten von der möglichen Klageerweiterung in einem anhängigen Rechtsstreit abzusehen, kann dies die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine neue Klage rechtfertigen. Hier muss also in der Klage bzw. im PKH-Antrag detailliert argumentiert werden, warum das der Fall ist.
3. Rosinenpicken ist aber nicht erlaubt
Es besteht aber keine Möglichkeit, die Mutwilligkeit auf durch eine unwirtschaftliche Prozessführung entstehende Mehrkosten zu beschränken. Dies hat im Wortlaut des § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO keinen Niederschlag gefunden. Eine beabsichtigte Rechtsverfolgung ist entweder mutwillig oder sie ist es nicht.