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  • · Fachbeitrag · Berufsunfähigkeitszusatzversicherung

    Diese Regeln gelten für den Nachweis der Berufsunfähigkeit bei Berufswechsel

    | Für die Beurteilung des Eintritts der Berufsunfähigkeit ist auf den zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, abzustellen. (vgl. § 172 Abs. 2 VVG n. F.). Was aber gilt, wenn ein Berufswechsel beim VN vorgelegen hat? Hierüber musste das KG entscheiden. |

    1. Grundsatz: Es greift der zuletzt ausgeübte Beruf

    Das KG wies zunächst auf den Grundsatz hin, dass für die Beurteilung des Eintritts der Berufsunfähigkeit auf den zuletzt ausgeübten Beruf abzustellen ist ‒ und zwar so, wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war (7.7.21, 6 U 111/18, Abruf-Nr. 229857).

     

    Kommt es zu einem Berufswechsel, ist nach der Entscheidung deshalb grundsätzlich der neu ergriffene Beruf und dessen Ausgestaltung entscheidend.

    2. Ausnahme: Leidensbedingter Berufswechsel

    Zu diesem Grundsatz gibt es aber eine Ausnahme. Nach der Entscheidung des KG bleibt der vorherige Beruf als Maßstab für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit dann maßgebend, wenn der Berufswechsel ausschließlich leidensbedingt erfolgte (so schon BGH 14.12.16, IV ZR 527/15).

    3. Darlegungs- und Beweislast

    Die Darlegungs- und Beweislast für den leidensbedingten Wechsel trägt der VN. Der Beweis ist nicht geführt, wenn die Beweisaufnahme über die primäre Behauptung des Eintritts der Berufsunfähigkeit schon im alten Beruf ergeben hat, dass das Ausmaß der leidensbedingten Einschränkungen der vormaligen Tätigkeit weitaus geringer war als behauptet und die angegebenen Beschwerden vom gerichtlichen Sachverständigen mit den objektiv feststellbaren Befunden nicht in Einklang gebracht werden konnten.

    4. Beweisführung

    Bei dem Motiv für den Berufswechsel handelt es sich um eine innere Tatsache, die einer direkten Beweisführung nicht zugänglich ist. Daher kann der Beweis nur aufgrund einer Würdigung der äußeren Umstände geführt werden. Diese müssen die leidensbedingte Motivation plausibel erscheinen lassen. Dabei sind die vom VN vorgetragenen Gründe zu würdigen. Art und Schwere der gesundheitlichen Leiden und der daraus resultierenden Einschränkungen der beruflichen Tätigkeit kommt dabei ein maßgebliches Gewicht zu.

     

    Bei gesundheitlichen Leiden, die die Berufsausübung objektiv in erheblichem Ausmaß beeinträchtigen, mag der Beweis in Verbindung mit überzeugenden Angaben des VN im Rahmen seiner persönlichen Anhörung nach § 141 ZPO gelingen. Im vorliegenden Fall konnte der VN den entsprechenden Beweis jedoch nicht führen.

     

    Übersicht: / Grundsätze der Berufsunfähigkeit

    • Gemäß § 172 VVG n. F. ist der zuletzt ausgeübte Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, maßgeblich. Der Gesetzgeber hat mit dieser gesetzlichen Regelung die vom BGH auf der Grundlage der alten Rechtslage entwickelten Grundsätze zum versicherten Beruf umgesetzt (BGH 14.12.16, IV ZR 527/15, VersR 17, 151, Rn. 23; Lücke in Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl., § 172 Rn. 53, jeweils mit Nachweisen zur Rechtsprechung). Die zum alten Recht geltenden Grundsätze haben weiterhin Gültigkeit.

     

    • Bei der Bestimmung des maßgeblichen Berufs, der den Maßstab bei der Feststellung der gesundheitsbedingten Beeinträchtigungen bei der Berufsausübung liefert, gilt das Stichtagsprinzip. Danach ist grundsätzlich derjenige Beruf entscheidend, den der VN zum maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls ausgeübt hat. Das entspricht im Regelfall der Interessenlage des VN. Andernfalls müsste dieser bei jedem Berufswechsel den Versicherungsschutz anpassen, um in dem neuen Beruf, der fortan die finanziellen Mittel für seinen Lebensunterhalt liefert, gegen gesundheitliche Beeinträchtigungen der Berufsausübung geschützt zu sein.

     

    • Für die Feststellung bedingungsgemäßer Beeinträchtigungen des VN in diesem „letzten“ Beruf kommt es sodann darauf an, wie im jeweiligen Einzelfall die Ausübung dieses Berufs durch den VN ausgestaltet war. Abzustellen ist dabei auf den Zeitpunkt, zu dem der VN dem betreffenden Beruf noch ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen nachgehen konnte (BGH 22.9.93, IV ZR 203/92, VersR 93, 1470, Rn. 17 ‒ und zwar ausdrücklich beschränkt auf Veränderungen der Tätigkeiten ohne Wechsel des Berufs, Rn. 18, 19).
    • Kommt es hingegen zu einem Berufswechsel, ist regelmäßig der neu ergriffene Beruf und dessen Ausgestaltung entscheidend. Der vorherige Beruf bleibt als Maßstab für die Beurteilung von Berufsunfähigkeit nur dann maßgeblich, wenn der Berufswechsel ausschließlich leidensbedingt war (BGH 14.12.16, IV ZR 527/15, VersR 17, 151, Rn. 24). Das wäre beispielsweise der Fall, wenn die weitere Ausübung des bisherigen Berufs Raubbau an der Gesundheit bedeutet hätte und damit überobligationsmäßig gewesen wäre (BGH 30.11.94, IV ZR 300/93, VersR 95, 159, Rn. 20).

     

    • Liegt dagegen kein leidensbedingter Berufswechsel in diesem Sinne vor, wirkt sich das Stichtagsprinzip dahin aus, dass der Beruf, in den gewechselt worden ist, als der konkret im maßgeblichen Zeitpunkt ausgeübte Beruf regelmäßig den Ausgangspunkt für die Prüfung abgibt, ob bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit eingetreten ist (BGH 30.11.94, IV ZR 300/93, VersR 95, 159, Rn. 19).

     

    • Die Darlegungs- und Beweislast für einen leidensbedingten Berufswechsel als anspruchsbegründende Tatsache trägt nach allgemeinen Grundsätzen der VN.
     
    Quelle: Ausgabe 07 / 2022 | Seite 117 | ID 48405958