· Fachbeitrag · Versicherungsvertreter
Informationspflichten bei vorzeitiger Kündigung einer Lebensversicherung
von RiOLG Frank-Michael Goebel, Rhens
(BGH 13.11.14, III ZR 544/13, Abruf-Nr. 173668) |
Sachverhalt
Die Kläger nehmen die Beklagten unter dem Vorwurf der Verletzung von Hinweis- und Beratungspflichten im Zusammenhang mit der Kündigung eines bestehenden und dem Abschluss eines neuen Lebensversicherungsvertrags auf Schadenersatz in Anspruch. Die Beklagten hätten sie fehlerhaft beraten. Sie hätten nicht auf die Nachteile einer Kündigung, nämlich den zwischenzeitlichen Wegfall der Steuerfreiheit, das höhere Eintrittsalter mit höheren Prämien, den erneuten Anfall von Abschlusskosten und einen geringeren Garantiezins hingewiesen. Der Schaden bemesse sich nach der Differenz der Kosten und Erträge der alten und der neuen Lebensversicherung. Das LG hat die Klage, das OLG die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe/Praxishinweis
Für die Entscheidung war von § 63 S. 1 VVG auszugehen. Danach ist der Versicherungsvermittler zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der dem VN durch die schuldhafte Verletzung einer Pflicht nach § 60 VVG oder § 61 VVG entsteht.
Die maßgeblichen Pflichten des Versicherungsvermittlers bzw. -maklers ergeben sich aus §§ 60 - 62 VVG.
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Die Beweislast für eine schuldhafte Pflichtverletzung nach § 63 VVG ist gesplittet. Es gilt folgendes Schema:
Soweit hatten auch die Vorinstanzen des BGH die rechtliche Situation gesehen und nach einem „non liquet“ zum Nachweis der fehlerhaften Beratung den Anspruch zurückgewiesen. Dabei haben die Vorinstanzen aber in rechtlicher Hinsicht übersehen, dass sich aus einer Verletzung der Dokumentationspflicht des Versicherungsvertreters nach §§ 61, 62 VVG Beweiserleichterungen bis hin zu einer Beweislastumkehr ergeben können.
Die VN haben unwidersprochen vorgetragen, dass es kein Protokoll und keine Auflistung über alle wesentlichen leistungs- und beitragsrelevanten Unterschiede der bestehenden und der angebotenen Versicherung gebe. Sie haben geltend gemacht, dass hieraus die Beweisbelastung der Beklagten folge. Dieses - unstreitige - Vorbringen, das in der Sache dahin geht, dass es an einer Dokumentation über die Beratung durch die Beklagten fehle, hat das OLG nicht berücksichtigt.
MERKE | Die Dokumentation vorzulegen ist Aufgabe des Versicherungsvermittlers. Die Funktion der vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Dokumentationspflicht liegt vornehmlich darin, dass der VN mit einer Beratungsdokumentation die wesentlichen Inhalte der Beratung vor Augen geführt werden. Hierdurch wird er in die Lage versetzt, seine Entscheidung näher zu überprüfen und den ihm sonst kaum möglichen Nachweis über den Inhalt der Beratung zu führen. |
Wird ihm diese Nachweismöglichkeit durch das Fehlen einer Dokumentation abgeschnitten, so hat dies nach dem BGH zu seinen Gunsten Auswirkungen auf die Verteilung der Beweislast. Ist ein erforderlicher Hinweis von wesentlicher Bedeutung nicht, auch nicht im Ansatz, dokumentiert worden, so muss grundsätzlich der Versicherungsvermittler beweisen, dass dieser Hinweis erteilt worden ist. Gelingt ihm dieser Beweis nicht, so ist zugunsten des VN davon auszugehen, dass der betreffende Hinweis nicht erteilt worden ist, der Versicherungsvermittler mithin pflichtwidrig gehandelt hat.
MERKE | Dieser Ansicht kann kaum widersprochen werden. Das ergibt sich nämlich auch aus dem Umkehrschluss zu § 61 Abs. 2 VVG. Danach kann zwar ein Verzicht auf die Dokumentation erklärt werden, aber nur nach dem Hinweis, dass damit ein Nachweis einer Schadenersatzpflicht nach § 63 VVG vereitelt werden kann. Der Gesetzgeber hat also die prozessuale Funktion der Dokumentation klar gesehen und betont, was die Konstellation bei Versicherungsvermittlern von anderen Dokumentationspflichten und den Folgen eines Verstoßes unterscheidet. So verlangt das Arztrecht lediglich die Dokumentation aus medizinischen Gründen, nicht aber zur späteren Begründung eines Schadenersatzanspruchs, §§ 630f, 630h Abs. 3 BGB. |
Dem VN kann nicht empfohlen werden, auf die Dokumentation der Beratung zu verzichten. Andererseits muss der Versicherungsvermittler um die besondere Bedeutung der Dokumentation wissen. Die dabei erforderlichen Gesichtspunkte kann er checklistenartig aufbereiten, um dann zu dokumentieren, dass diese Checkliste mit dem VN durchgegangen und besprochen wurde. Er sollte sich dies möglichst unterzeichnen lassen und durch handschriftliche Anmerkungen auf der Checkliste verdeutlichen, welche Punkte besonders oder vertiefend erörtert wurden. Wichtig ist auch, erkennen zu lassen, dass dabei die konkrete Situation des VN aufgenommen wurde. Letztlich muss dokumentiert werden, wenn der VN auf einem bestimmten Vorgehen oder einer bestimmten Prämisse unverrückbar bestanden hat.