· Fachbeitrag · Verzug
Gibt es eine fingierte Fälligkeit einer Leistung wegen verzögerter Bearbeitung durch den VR?
| Der VN beantragte eine Berufsunfähigkeitsrente. Der VR holt verschiedene Gutachten ein, die Leistungsprüfung zog sich über fast 3 Jahre. Der VN ist der Ansicht, der VR habe die Leistungsprüfung schuldhaft verzögert. Daher sei spätestens zum 1.1.19, und damit vor Mandatierung seiner Prozessbevollmächtigten im Mai 2019, Verzug eingetreten. Das OLG Hamm hatte zu entscheiden, ob eine solche fingierte Fälligkeitsstellung möglich ist. |
Das OLG stellte zunächst einmal klar, was definitiv keine fingierte Fälligkeit auslöst (13.9.23, 20 U 371/22, Abruf-Nr. 243097): So kann dem VR nicht angelastet werden, dass erst der dritte in Aussicht genommene Gutachter die Untersuchung zeitnah vornehmen konnte. Es kann dem VR auch nicht vorgeworfen werden, wenn er nach Vorlage weiterer Unterlagen durch den VN und nach Einholung einer ergänzenden Stellungnahme durch H. das von ihm angeregte internistische Gutachten erst im Juli 2019 in Auftrag gab. Die Untersuchung im November 2019 erfolgte zwar vergleichsweise spät. Angesichts der Komplexität der Angelegenheit und wegen der auch dem Senat bekannten Schwierigkeiten, qualifizierte Gutachter für zeitnahe Begutachtungen zu finden, ist eine schuldhafte Verzögerung der Entscheidung auch bis zum Jahreswechsel 2019/2020 nicht gegeben. Dass anschließend wegen der Beeinträchtigungen durch die Corona-Pandemie ab Februar/März 2020 vom Sachverständigen keine zeitnahe Förderung der Begutachtung erwartet werden konnte, liegt auf der Hand.
Nach Erstattung des Gutachtens vom 3.8.20 hat der VR aber nicht nachvollziehbar dargelegt, warum er nach Prüfung des Gutachtens nicht zeitnah entscheiden konnte. Er hat insbesondere nicht erläutert, warum seine Rückfragen angesichts der deutlichen gutachterlichen Ausführungen einer Entscheidung über die Leistungspflicht entgegenstanden. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Prozessbevollmächtigte des VN mit Schreiben vom 24.8.20 auf das Gutachten verwies und für die Entscheidung eine ‒ angesichts der bisher schon verstrichenen Zeit und der überaus klaren Aussage des Gutachtens angemessene ‒ Frist von 14 Tagen setzte. Nach Ablauf der gesetzten Frist befand sich der VR damit in Verzug.
PRAXISTIPP | Für künftig, nach der mündlichen Verhandlung vor dem Senat fällig werdende Renten sind Zinsen hingegen nicht zuzusprechen. § 258 ZPO lässt zwar bei wiederkehrenden Leistungen eine Klageerhebung auch wegen solcher Leistungen zu, die erst nach Erlass des Urteils fällig werden. Wiederkehrend im Sinne des § 258 ZPO sind Ansprüche, die sich als einheitliche Folgen aus einem Rechtsverhältnis ergeben, sodass die einzelne Leistung in ihrer Entstehung nur noch vom Zeitablauf abhängig ist. Das ist bei den beanspruchten Zinsen auf die künftig fällig werdenden Renten nicht der Fall. Denn der Anspruch auf Zinsen setzt neben der Fälligkeit der Rente auch die Nichtzahlung des Schuldners voraus. |