· Fachbeitrag · Gebäudeversicherung
Verteilung des vereinbarten Selbstbehalts im Schadensfall auf die Wohnungseigentümer
| Tritt im räumlichen Bereich des Sondereigentums ein Wasserschaden ein, ist der im Gebäudeversicherungsvertrag vereinbarte Selbstbehalt ‒ vorbehaltlich einer abweichenden Regelung ‒ von allen Wohnungseigentümern gemeinschaftlich zu tragen. So entschied es aktuell der BGH. |
Sachverhalt
Zu einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) gehören die Wohnungen der Beklagten und die gewerbliche Einheit der Klägerin. Die Gebäudeversicherung besteht für das gesamte Gebäude, ohne dass zwischen Sonder- und Gemeinschaftseigentum unterschieden wird. In der Vergangenheit traten wiederholt Wasserschäden in den Wohnungen der Beklagten auf (in 2018 rd. 85.000 EUR). Bisher beauftragt die Verwalterin bei einem Wasserschaden ein Fachunternehmen mit der Schadensbeseitigung. Sie nimmt die Versicherung in Anspruch und legt die Kosten unter Abzug der Versicherungsleistung nach Miteigentumsanteilen um, und zwar auch insoweit, als die Schäden im Bereich des Sondereigentums entstanden sind. Aufgrund der Schadenshäufigkeit beträgt der Selbstbehalt mittlerweile 7.500 EUR pro Schadensfall.
Die Klägerin verlangt mit ihrer Beschlussersetzungsklage eine von der bisherigen Praxis abweichende Verteilung des Selbstbehalts. Sie will nicht anteilig an den Kosten für die Beseitigung von Leitungs- und Folgeschäden beteiligt werden. Die Mängel seien an den Leitungen jeweils hinter den Absperreinrichtungen in den betroffenen Wohneinheiten und damit im Sondereigentum der Beklagten aufgetreten. In ihrer Einheit sei bislang kein Schaden aufgetreten. AG und LG haben die Klage abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klägerin war mit ihrer Revision vor dem BGH teilweise erfolgreich (16.9.22, V ZR 69/21, Abruf-Nr. 231298). Zwar blieb sie erfolglos, soweit sie sich gegen die Rechtmäßigkeit der derzeitigen Verwaltungspraxis wendet. Sie könnte aber einen Anspruch auf eine künftige Änderung des Kostenverteilungsschlüssels haben. Hierüber muss das LG nun neu entscheiden.
Die derzeit praktizierte Verteilung des Selbstbehalts bei einem Leitungswasserschaden nach Miteigentumsanteilen ist rechtmäßig. Daher kann die Klägerin nicht verlangen, den bisherigen Beschluss durch das Gericht ersetzt zu lassen. Tritt in einer Wohnungseigentumsanlage ein Schaden ein, ist ein von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in der verbundenen Gebäudeversicherung vereinbarter Selbstbehalt, durch den der VR einen bestimmten Teil des ansonsten versicherten Interesses nicht zu ersetzen hat, wie die Versicherungsprämie nach dem gesetzlichen bzw. vereinbarten Verteilungsschlüssel zu verteilen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Leitungswasserschaden an dem Gemeinschaftseigentum oder ‒ ausschließlich oder teilweise ‒ an dem Sondereigentum entstanden ist.
Zwar liegt nach versicherungsrechtlichen Maßstäben ein Fall der bewussten Unterversicherung vor, wenn ein Selbstbehalt im Versicherungsvertrag vereinbart wird, bei dem der VR einen bestimmten Betrag des versicherten Schadens nicht ersetzen muss. Es würde jedoch der Interessenlage der Wohnungseigentümer bei Abschluss einer verbundenen Gebäudeversicherung nicht gerecht, wenn der geschädigte Sondereigentümer den Selbstbehalt alleine tragen müsste. Die Entscheidung für einen Selbstbehalt im Versicherungsvertrag ist regelmäßig damit verbunden, dass die Gemeinschaft als VN eine herabgesetzte Prämie zu zahlen hat. Das ist für die Wohnungseigentümer wegen der damit einhergehenden Verringerung des Hausgelds wirtschaftlich sinnvoll. Von sonstigen Fällen einer bewussten Unterversicherung unterscheidet sich der Selbstbehalt wegen des typischerweise überschaubaren und genau festgelegten Risikos. Grundlage der Entscheidung zugunsten eines Selbstbehalts ist dabei die Erwartung der Wohnungseigentümer, dass dieses durch Mehrheitsentscheidung eingegangene Risiko für alle vom Versicherungsumfang erfassten Sachen gemeinschaftlich getragen wird.
Diese Überlegungen rechtfertigen aber nicht die Abweisung des Antrags zu 2. Mit diesem Antrag will die Klägerin erreichen, dass der Selbstbehalt bei einem Schaden am Sondereigentum der Wohneinheiten allein von den Eigentümern der Wohneinheiten getragen wird, während sie ihrerseits für den Selbstbehalt bei einem Schaden am Sondereigentum der gewerblichen Einheit aufkommen muss. Der derzeit maßgebliche Verteilungsschlüssel soll also für die Zukunft geändert werden. Hierzu sind die Wohnungseigentümer gemäß § 16 Abs. 2 S. 2 WEG befugt. Ein einzelner Wohnungseigentümer hat aber nur Anspruch auf eine solche Beschlussfassung, wenn gemäß § 10 Abs. 2 WEG ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, unbillig erscheint. Da es insoweit an hinreichenden Feststellungen fehlt, hat der BGH die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Für das weitere Verfahren hat er darauf hingewiesen, dass eine unbillige Belastung der Klägerin in Betracht kommen könnte, wenn das (alleinige bzw. jedenfalls überwiegende) Auftreten der Leitungswasserschäden im Bereich der Wohneinheiten auf baulichen Unterschieden des Leitungsnetzes in den Wohneinheiten einerseits und der Gewerbeeinheit andererseits beruhen sollte. Nicht ausreichend wäre es demgegenüber, wenn die Ursache bei gleichen baulichen Verhältnissen in einem unterschiedlichen Nutzungsverhalten läge.
Relevanz für die Praxis
An dem Ergebnis ändert sich nichts, wenn der VR die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses in einer schadengeneigten Wohnungseigentumsanlage von der Vereinbarung eines Selbstbehalts abhängig macht. Auch dann kommt die Vereinbarung eines Selbstbehalts allen Wohnungseigentümern zugute, und zwar deshalb, weil andernfalls deren Anspruch gegen die Gemeinschaft auf angemessene Versicherung des gemeinschaftlichen Eigentums zum Neuwert nicht erfüllt werden könnte. Im Ergebnis ist daher der im Schadensfall in der verbundenen Gebäudeversicherung verbleibende Selbstbehalt bei wertender Betrachtung wie die Versicherungsprämie ein Teil der Gemeinschaftskosten gemäß § 16 Abs. 2 S. 1 WEG.