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  • · Fachbeitrag · Gebäudeversicherung

    VR wird leistungsfrei, wenn VN bei leer stehendem Gebäude Vandalismusschäden nicht anzeigt

    von RiOLG a. D. und RA Dr. Dirk Halbach, Köln

    | Wenn der VN bei einem leer stehenden Jagdschlösschen Vandalismus- und Verwahrlosungsschäden dem VR nicht angezeigt hat, kann sich der VR bei einem nachfolgenden Brand mit Erfolg auf Leistungsfreiheit berufen. So entschied das OLG Naumburg. |

     

    Sachverhalt

    Der VN macht nach einem Brand in einem Jagdschloss Ansprüche aus einer Gebäudeversicherung geltend. Er unterhielt seit März 08 für ein in der Nähe eines Dorfs gelegenes Jagdschloss eine verbundene Wohngebäude-Versicherung zum gleitenden Neuwert (VGB 2008). In einer Anlage zum Versicherungsschein wird die Gebäudenutzung mit Wohnhaus und das Risiko mit Wochenend-, Ferienhaus bezeichnet.

     

    Das 1904 erbaute Jagdschlösschen liegt in einem Waldgebiet. Es wurde zusammen mit weiteren 17 Nebengebäuden auf einem über 30.000 qm großen Areal während DDR-Zeiten als Ferienlager genutzt. Die Gebäude standen seit vielen Jahren leer. Am 3.7.12 wurde das Hauptgebäude durch einen Brand vollständig zerstört. Bereits 2011 war es in dem Hauptgebäude zu einem ersten Brand mit allerdings überschaubarem Sachschaden gekommen. Diesen hatte der VN dem VR mitgeteilt. Dabei hatte er u. a angegeben, dass das Gebäude zur Schadenszeit nicht bewohnt gewesen sei. Der VR hatte seinerzeit um eine genaue Schadensschilderung gebeten. Da der VN dem jedoch nicht nachkam, wurde dieser Brandschaden nicht reguliert.

     

    Sowohl das Brandereignis von 2011 als auch der streitgegenständliche Brand gehen auf vorsätzliche Brandstiftungen zurück. Täter konnten nicht ermittelt werden.

     

    Der VR vertrat die Auffassung, wegen einer für den VN anzeigepflichtigen Gefahrerhöhung leistungsfrei geworden zu sein. Gefahrerhöhend sei zwar nicht der bloße Leerstand des Jagdschlosses zu werten. Dieser habe bereits beim Versicherungsantrag vorgelegen. Jedoch sei das versicherte Objekt anschließend völlig verwahrlost. Zudem habe der VN selbst nach dem Brand 2011 keine genügenden Sicherungsmaßnahmen gegen ein unerlaubtes Eindringen Dritter ergriffen.

     

    Das LG hat nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen. Der VN habe eine nach Versicherungsschluss eingetretene und auch für den Eintritt des Versicherungsfalls ursächlich gewordene Gefahrerhöhung dem VR nicht angezeigt. Die Berufung des VN hatte keinen Erfolg.

     

    Der Gebäude-VR kann nach einem Brand leistungsfrei werden, wenn ein versichertes Jagdschlösschen zwar bereits bei Vertragsschluss leer stand, der VN jedoch vorsätzlich verabsäumt hat, dem VR anschließend hervorgerufene Vandalismus- und Verwahrlosungsschäden - Zerstören von Fensterscheiben, zeitweises Offenstehen des Gebäudes und Eindringen unbefugter Dritter - nach § 27 Nr. 2 lit. c VGB 2008 anzuzeigen (Abruf-Nr. 186111).

     

    Entscheidungsgründe

    Das LG ist zutreffend dazu gelangt, dass der VR für den eingetretenen Schaden nach § 27 Nr. 5 b) S. 1 der zugrunde liegenden VGB 2008 i. V. m. § 26 Abs. 2 S. 1 VVG leistungsfrei geworden ist. Der VN hat eine nachträgliche Gefahrerhöhung vorsätzlich nicht angezeigt. Damit hat er gegen die aus § 27 Nr. 2 c) VGB 2008 i. V. m. § 23 Abs. 3 VVG folgende Obliegenheit verstoßen.

     

    Im Ausgangspunkt seiner Betrachtung rügt der VN indessen nicht unberechtigt, dass gewisse gefahrträchtige Umstände des versicherten Objekts bereits bei Abschluss des Versicherungsvertrags vorlagen. Diese Umstände könnten deshalb keine nachvertragliche Gefahrerhöhung begründen. Dies betrifft etwa den Leerstand des Objekts, aber auch eine wohl zumindest damals bereits einsetzende Verwahrlosung der Nebengebäude auf dem Areal sowie das zeitweilige, unbefugte Betreten durch Dritte. Wegen dieser Umstände wäre es allein Aufgabe des VR gewesen, eine entsprechende Risikobewertung vor Vertragsschluss vorzunehmen. Denn ungeachtet dessen, dass der VR von dem Leerstand des Objekts über die Schadensanzeige nach dem ersten Brand Kenntnis erlangte, fehlt es in jedem Fall aber auch an einer ordnungsgemäßen Belehrung nach § 19 Abs. 5 VVG. Allein deshalb könnte sich der VR auf die ihm möglicherweise aus § 19 Abs. 2 und 3 VVG zukommenden Rechte nicht erfolgreich berufen. Prüft der VR das Risiko vor Vertragsschluss nicht ordnungsgemäß, kann er sich von dem übernommenen Risiko nicht dadurch lösen, dass er versucht, dieses über vermeintlich nachträglich bestehende Obliegenheiten wieder auf den VN zu verlagern.

     

    Allerdings sind nach Vertragsschluss durch unbefugte Dritte hervorgerufene nachteilige Veränderungen an dem Gebäude hinzugetreten. Dadurch erhöhte sich das Risiko einer Brandgefahr erheblich. Diese Gefahrerhöhung hätte der VN ungeachtet der Verletzung einer möglichen Instandhaltungsobliegenheit aus § 16 Nr. 1 a) und b) VGB 2008 zumindest nach § 27 Nr. 2 c) VGB 2008 anzeigen müssen.

     

    Der VN selbst hat eingeräumt, dass bis zum Vertragsschluss keine Verwahrlosungsschäden oder Vandalismus an dem Hauptgebäude zu verzeichnen gewesen seien. Erst anschließend sei es dort zu Diebstählen von Baumaterialien und zu Vandalismus durch unbefugte Personen gekommen. Diese Umstände bedeuten eine gesteigerte Gefahr, dass erneut Dritte in das Gebäude unbefugt eindringen und dort, wie bereits zuvor 2011 geschehen, wiederum einen Brand verursachen. Wirksame Gegenmaßnahmen, die einer derartigen Brandgefahr hätten begegnen können, hat der VN nicht ergriffen.

     

    Einer danach entsprechend § 27 Nr. 2 c) VGB 2008 bestehenden Anzeigeobliegenheit ist der VN auch nicht mit der Schadenanzeige zu dem ersten Brand nachgekommen. Ungeachtet dessen, dass es sich hierbei um keine Risikoerhöhungsanzeige, sondern um eine Schadensmeldung handelte, werden darin die hier maßgeblichen risikoerhöhenden Umstände gerade nicht genannt. Der anschließenden Aufforderung des VR, eine nähere Schadensschilderung beizubringen, ist der VN nicht nachgekommen. Seine vorsätzliche Anzeigepflichtverletzung führte daher zur Leistungsfreiheit des VR.

     

     

    Relevanz für die Praxis

    Von einer Gefahrerhöhung kann nur gesprochen werden, wenn nachträglich eine Gefahrenlage eingetreten ist, bei welcher der VR den Versicherungsvertrag entweder überhaupt nicht oder jedenfalls nicht zu der vereinbarten Prämie abgeschlossen hätte. Es kommt nicht auf einzelne Gefahrumstände an. Entscheidend ist vielmehr, wie sich die Gefahrenlage im Ganzen seit Antragstellung entwickelt hat. Dabei sind alle aus dem Parteivortrag ersichtlichen gefahrerheblichen Umstände in Betracht zu ziehen. Beispiel: geänderte Gebäudenutzung (reiner Bürobetrieb wird Bordell), BGH VersR 12, 1300.

     

    In der Feuer- und Einbruchdiebstahlversicherung kann ein längeres Leerstehenlassen eines Gebäudes eine Gefahrerhöhung hervorrufen. Eine relevante Erhöhung der Brandgefahr wird aber allein durch das Leerstehenlassen von Gebäuden noch nicht bewirkt. Zwar erhöht sich die Feuergefahr wegen des möglichen Eindringens von Unbefugten und der verminderten Kontrollmöglichkeit. Auf der anderen Seite wird die Brandgefahr vermindert, wenn mit der Benutzung verbundene Gefahrenquellen (z. B. Elektrogeräte) wegfallen.

     

    Aber: Eine Gefahrerhöhung ist anzunehmen, wenn

    • das Gebäude unbeobachtet in beträchtlicher Entfernung vom Ortsrand liegt,
    • seit dem Auszug der letzten Bewohner erhebliche Zeit verstrichen ist und
    • durch Verwahrlosung des Gebäudes das Leerstehen offenbar wird.
    • Jedenfalls bei dem Zusammentreffen solcher Umstände muss davon ausgegangen werden, dass die Brandgefahr erhöht ist, weil das Gebäude zu einem Anziehungspunkt für unbefugte Dritte werden kann (grundlegend BGH VersR 82, 466).

     

    Arbeitshilfe /r Prüfung des Vorsatzbegriffs i. S. des § 26 Abs. 1 VVG

    • Für eine willentliche Gefahrerhöhung gemäß § 23 Abs. 1 VVG muss der VN auf der ersten Stufe der Prüfung Kenntnis der gefahrerhöhenden Umstände haben, während eine Kenntnis des gefahrerhöhenden Charakters oder gar eine zutreffende rechtliche Einordnung nicht erforderlich ist.
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    • Das genügt aber nicht, um auch die Verschuldensform des Vorsatzes anzunehmen. Während es im Rahmen des § 23 Abs. 1 VVG allein darauf ankommt, dass der VN Kenntnis von den gefahrerhöhenden Umständen hat, ohne dass ihm die gefahrerhöhende Eigenschaft der Handlung zum Bewusstsein gekommen sein muss, erstreckt sich gerade auf diesen Umstand die Frage, ob der VN i. S. von § 26 Abs. 1 VVG schuldhaft gehandelt hat und welche Schuldform vorliegt.
     

    Arbeitshilfe / Vorsatzbegriff bei der Gefahrerhöhung

    • Bei unverschuldeter oder lediglich leicht fahrlässiger Gefahrerhöhung bleibt der VR in vollem Umfang einstandspflichtig.

     

    • Beachten Sie | Das unterscheidet die heutige Rechtslage von der früheren Fassung des VVG. Anders als früher kommt es deshalb heute nicht nur auf die Feststellung an, ob überhaupt ein Verschulden vorliegt. Vielmehr muss nun auch zwischen den Formen des Verschuldens unterschieden werden.

     

    • Tritt der Versicherungsfall nach einer Gefahrerhöhung ein, ist der VR nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der VN seine Verpflichtung nach § 23 Abs. 1 vorsätzlich verletzt hat. Danach darf der VN nach Abgabe seiner Vertragserklärung ohne Einwilligung des VR keine Gefahrerhöhung vornehmen oder deren Vornahme durch einen Dritten gestatten.

     

    • Beachten Sie | Die Beweislast für den Vorsatz des VN trägt allein der VR.

     

    • Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung ist der VR lediglich berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des VN entsprechenden Verhältnis zu kürzen.

     

    • Beachten Sie | Die Beweislast, dass keine grobe Fahrlässigkeit vorliegt, trägt der VN (§ 26 Abs. 1 S. 2, 2. Hs. VVG).
     

     

    Entsprechende Gesichtspunkte gelten für die Hausratversicherung bei einem Einbruchdiebstahl. Auch hier kommt es auf die Örtlichkeit, die Dauer des Leerstands und die Einbruchsicherheit an (OLG Saarbrücken NJW-RR 04, 1339, Erhöhung der Diebstahlgefahr für eine Zweitwohnung bei Leerstehen einer Hauptwohnung in dem Gebäude).

     

    Weiterführende Hinweise

    • Zu den Voraussetzungen einer vorsätzlichen Gefahrerhöhung: BGH VK 15, 31
    • Voraussetzungen der subjektiven Gefahrerhöhung nach § 23 Abs. 1 VVG: OLG Karlsruhe VK 14, 14
    Quelle: Ausgabe 06 / 2016 | Seite 96 | ID 44067267