· Fachbeitrag · Kaskoversicherung
Leistungsausschluss ohne Quotierungmöglichkeit bei grober Fahrlässigkeit ist unwirksam
von RiOLG Dr. Dirk Halbach, Köln
(OLG Köln 24.6.14, 9 U 225/13, Abruf-Nr. 142081) |
Sachverhalt
Der VN, eine Handelsgesellschaft mit Sitz in den USA, hatte für eine Motoryacht eine Wassersportkaskoversicherung abgeschlossen. Das Boot wurde in der türkischen Ägäis durch eine Havarie anlässlich einer Testfahrt des Geschäftsführers des VN zerstört. Dieser war alleine an Bord. Während sich das Boot per Autopilot mit einer Geschwindigkeit von ca. 25 - 27 Knoten bewegte, verließ er wegen eines angeblich klappernden Geräuschs den Steuersitz und ging nach achtern. In der Folge fiel er über Bord und wurde später von einem Fischerboot gerettet. Einzelheiten zum Überbordgehen sind streitig. Das Boot fuhr unbemannt weiter und zerschellte am Felsen.
Der VR regulierte 20 Prozent der Versicherungssumme. Er hat sich auf grobe Fahrlässigkeit durch Außerachtlassen der nautischen Sorgfaltspflichten in besonders schwerem Maße berufen. Der Skipper hätte während einer Einhandfahrt mit relativ hoher Geschwindigkeit den Steuerstand nicht verlassen dürfen. Er hätte wegen der Alleinfahrt die Ursachenforschung für das Klappern abbrechen oder in einem zweiten Törn mit einer Hilfskraft wiederholen müssen. Das LG hat der Klage überwiegend stattgegeben.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des VR ist nur zu einem geringen Teil begründet. Der VN kann einen weiteren, über den erhaltenen Betrag hinausgehenden Anspruch aus dem Schiffskaskoversicherungsvertrag gemäß den Artikeln 1, 3, 5 - 7 der Yacht-Pool Bedingungen geltend machen. Allerdings kommt eine Leistungskürzung wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls durch den gesetzlichen Vertreter des VN als Bootsführer zum Tragen.
Das Verhalten des Bootsführers ist dem VN zuzurechnen. Es kann vorliegend dahinstehen, ob die Ausweitung der Zurechnung im Bedingungswerk wirksam, bzw. ob dem Skipper die Risikoverwaltung übertragen und er als Repräsentant des VN anzusehen ist. Der Bootsführer ist unstreitig der gesetzliche Vertreter des VN (director) und daher verantwortlich (§ 31 BGB analog).
Das Verhalten des Bootsführers war grob fahrlässig, wenn auch im unteren Bereich. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt gröblich, in hohem Maße außer Acht lässt und nicht beachtet, was unter den gegebenen Umständen jedem einleuchten müsste. Das Fehlverhalten muss auch in subjektiver Hinsicht unentschuldbar sein. Der gerichtliche Sachverständige hat unter Berücksichtigung der seemännischen Sicht ausgeführt, dass man bei einem schnell laufenden Motorboot das Cockpit nicht zu verlassen habe. Das Überbordfallen sei wahrscheinlich dadurch entstanden, dass der Skipper sich dicht an der Hecktür aufgehalten habe und dann entweder durch eine plötzliche Bewegung des Boots den Halt verloren und nach achtern über Bord gefallen sei oder durch eine plötzliche körperliche Beeinträchtigung keinen Halt gefunden habe. Der Skipper musste sich darüber im Klaren sein, dass dieses Handeln äußerst risikoreich war.
Soweit Artikel 4 der Bedingungen bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls einen völligen Leistungsausschluss ohne jede Möglichkeit der Quotierung vorsieht, ist dies nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Die Abschaffung des „Alles- oder Nichts-Prinzips“ in § 81 Abs. 2 VVG zählt nämlich zum gesetzlichen Leitbild. Der Gesetzgeber hat anstelle der völligen Leistungsfreiheit die Kürzungsmöglichkeit der Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des VN entsprechenden Verhältnis eingeführt. Bei der Abwägung nach § 81 Abs. 2 VVG siedelt der Senat das Maß der groben Fahrlässigkeit im unteren Bereich an, insbesondere, da der erfahrene Skipper seine Fähigkeit, die Situation zu beherrschen, im Einzelfall überschätzt hat. Eine Kürzungsquote von 30 Prozent erschien angemessen.
Praxishinweis
Die Entscheidung spricht Punkte an, die auch in anderen Fällen von Bedeutung sein können. So kann zweifelhaft sein, ob der Bootsführer als Repräsentant des VN anzusehen ist. Soll ein Skipper eine Segelyacht in Anwesenheit des an Bord befindlichen VN lediglich während einer einzigen Fahrt von und zu einem bestimmten Hafen segeln, ist er nicht Repräsentant. Allenfalls ist eine vorübergehende Obhut gegeben (OLG Köln VersR 03, 296). Allein das Führen eines Motorboots reicht in der Regel nicht aus (OLG Karlsruhe VersR 99, 70). Anders ist es beim Kapitän eines Seeschiffs (BGH VersR 83, 479).
Nach Artikel 4 der Bedingungen besteht ein Leistungsausschluss für Schäden durch vorsätzliche bzw. grobe Fahrlässigkeit des VN, des Skippers, der Crew und/oder der Mitreisenden. Eine Erweiterung der Haftung des VN in AVB für das Verschulden von Dritten, die nicht Repräsentanten sind, ist aber nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam (OLG Köln VersR 03, 296).
Sofern sich der VR in ähnlichen Fällen den Bestimmungen des VVG entziehen will, muss der VN-Anwalt die Bedingungen genau prüfen. Hier fand nach Ziffer 12.6 der Bedingungen das deutsche VVG kraft Vereinbarung Anwendung. Abzustellen ist zudem auf die Versicherung als solche. Es handelt sich nämlich nicht um eine Großrisikoversicherung nach § 210 VVG oder um eine Seeversicherung nach § 209 VVG. Für privat genutzte Boote soll nach dem Sinn der Regelung § 210 VVG nicht gelten. Auch ist die Anwendung des VVG nicht durch § 209 VVG ausgeschlossen. Die Gesetzesreform solle nichts daran ändern, das die Seeversicherung auf die gewerbliche Schifffahrt zugeschnitten ist.