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  • · Fachbeitrag · Courtageanspruch

    Kooperation mit Maklerpool: In diesen Fällen muss Pool Stornogefahrmitteilungen versenden

    | Bei der Kooperation zwischen einem Maklerpool und einem Versicherungsmakler taucht immer wieder die Frage auf, ob der Maklerpool an den Versicherungsmakler Stornogefahrmitteilungen versenden muss. Der BGH bejaht dies für den Fall, dass der Versicherungsmakler nach Treu und Glauben in die Kooperation mit dem Pool ähnlich eingebunden ist wie ein Versicherungsvertreter. Wann und in welchen Fällen diese Einbindung konkret vorliegt, beleuchtet VVP im folgenden Beitrag. |

    Um diesen Fall ging es vor dem BGH

    Ein Maklerpool, der seinen angeschlossenen Maklern Produktanbindungen zur Verfügung stellt, schloss mit dem klagenden Makler eine Courtagevereinbarung sowie eine Ergänzungsvereinbarung für vordiskontierte Produkte. Nach der Courtagevereinbarung oblag es dem Maklerpool, das vom Makler vermittelte Geschäft zu verprovisionieren.

     

    In Bezug auf vordiskontierte, also vorschüssig geleistete Provisionszahlungen hatten die Vertragsparteien in der Ergänzungsvereinbarung bestimmt, dass der Makler im Falle von Vertragsstörungen Stornogefahrmitteilungen erhalten sollte. Folgendes war vereinbart: Der Maklerpool ist nur insoweit zum Versand von Stornogefahrmitteilungen verpflichtet, als ihm diese von den jeweiligen Unternehmen übersandt werden. Er ist zur unverzüglichen Weiterleitung dieser Mitteilungen an den Vermittler verpflichtet, nicht aber dazu, weitere Maßnahmen zu ergreifen.

     

    In der Folge kam es zu Belastungen des Provisionskontos des Maklers. Zum einen wegen des Widerrufs von Verträgen nach § 8 Abs. 1 VVG, zum anderen wegen einer Beitragsfreistellung. Der Maklerpool versendete Stornogefahrmitteilungen an den Makler erst mit mehrmonatigen Verzögerungen, obwohl die Versicherer diese stets unverzüglich an den Maklerpool versandt hatten.

    BGH: Makler u. U. ebenso schutzwürdig wie ein Vertreter

    Der BGH hat nun Grundätze aufgestellt, in welchen Fällen die Belastungen des Provisionskontos des Maklers zu Recht bzw. zu Unrecht erfolgten. Dabei hat er seinen Blick auf § 87a Abs. 3 HGB (Pflicht zur Nachbearbeitung) gerichtet verbunden mit der Frage, ob diese Norm auf die hier vorliegende Konstellation anwendbar ist.

     

    Sein Ergebnis: Ein Makler ist ebenso schutzwürdig wie ein Vertreter, wenn Gesichtspunkte in Betracht kommen, die für eine starke Annäherung an die Stellung eines Versicherungsvertreters nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) sprechen (BGH, Urteil vom 08.07.2021, Az. I ZR 248/19, Abruf-Nr. 224072). Das ist etwa der Fall bei

    • der Zahlung laufender Courtagevorschüsse für vermittelte Versicherungsverträge,
    • der Einbindung in die Organisationsstruktur,
    • der Zahlung von Organisationszuschüssen oder Bestandspflegegeld und
    • der regelmäßigen Versendung von Stornomitteilungen.

     

    Im Urteilsfall hat der BGH eine vertreterähnliche Stellung des Maklers bejaht. Dem stehe nicht entgegen, dass es sich bei dem Vertragspartner des Maklers nicht um ein Versicherungsunternehmen, sondern um einen Maklerpool handele, der den angeschlossenen Maklern Produktanbindungen zur Verfügung stellt. Die Annahme einer Nachbearbeitungspflicht in einem in dieser Weise gestuften Vermittlungsverhältnis, das in seiner Ausgestaltung handelsvertreterrechtliche Züge trage, entspreche Treu und Glauben, weil sie mit den Wertungen des Handelsvertreterrechts übereinstimme.

     

    Hat also der Hauptvertreter, der ein Maklerpool sein kann, die Nichtausführung des Geschäfts zu vertreten, weil er die ihm gegenüber dem Untervertreter, der auch ein Makler sein kann, obliegende Pflicht zur Nachbearbeitung verletzt, ist § 87a Abs. 3 S. 2 HGB entsprechend anwendbar.

    Pflicht zum Versand von Stornogefahrmittelungen je nach Fall

    Die Bestimmung in § 87a Abs. 3 S. 2 HGB regelt Folgendes:

     

    •  § 87a Abs. 3 S. 2 HGB

    Der Handelsvertreter hat auch dann einen Anspruch auf Provision, wenn feststeht, dass der Unternehmer das Geschäft ganz oder teilweise nicht oder nicht so ausführt, wie es abgeschlossen worden ist. Der Anspruch entfällt im Falle der Nichtausführung, wenn und soweit diese auf Umständen beruht, die vom Unternehmer nicht zu vertreten sind.

     

    Führt vertragswidriges Verhalten des Unternehmers dazu, dass der Kunde vom Vertrag zurücktritt, hat dies der Unternehmer zu vertreten. Nicht vom Unternehmer zu vertreten sind dagegen

    • unvorhersehbare Betriebsstörungen und rechtswidrige hoheitliche Eingriffe,
    • die Ausübung eines im vermittelten Vertrag vorgesehenen Rücktrittsrechts des Unternehmers, sofern er nicht für das Eintreten der Voraussetzungen des Rücktrittsrechts Verantwortung trägt, sowie
    • die Ausübung des Widerrufsrechts des VN nach § 8 Abs. 1 VVG.

     

    Widerruf des VN ‒ keine Pflicht zum Versand von Stornogefahrmitteilungen

    Der BGH hat die Vorinstanz bestätigt, wonach der vom VN erklärte Widerruf des Versicherungsvertrags der Annahme einer Nachbearbeitungspflicht des Versicherungsunternehmens entgegensteht. Ein VN, der von seinem gesetzlichen Widerrufsrecht Gebrauch macht, hat Anspruch darauf, von dem Versicherungsunternehmen nicht behelligt zu werden oder Kontaktaufnahmeversuche des Versicherers nicht aktiv abwehren zu müssen.

     

    Wichtig | Entsprechendes gilt in den Augen des BGH auch für die vorliegende Konstellation. Die Ausübung eines solchen Widerrufsrechts durch den VN kann daher nicht der Risikosphäre zugeordnet werden, die der Maklerpool nach § 87a Abs. 3 S. 2 HGB zu verantworten hat. Folglich bestand keine Pflicht zum Versand von Stornogefahrmittelungen. Die Belastung des Provisionskontos des Maklers war rechtens.

     

    Beitragsfreistellung ‒ Pflicht zum Versand von Stornogefahrmittelungen

    Der Grund für einen Antrag auf Beitragsfreistellung werden regelmäßig die geänderten wirtschaftlichen Verhältnisse des VN sein. Dieser Umstand zählt nicht zu dem Risikobereich, den das Versicherungsunternehmen verantwortet. Gleichwohl, so der BGH, gehören im Falle eines solchen Antrags Bemühungen des Unternehmens um die weitere, ggf. an die veränderte Situation angepasste Durchführung des Vertrags durchaus zum Pflichtenprogramm des Unternehmens. Der BGH begründet dies mit Blick auf die gegenüber dem Vermittler bestehende Interessenwahrungspflicht.

     

    Wichtig | Die Pflicht zum Versand von Stornogefahrmittelungen ist hier also gegeben. Folge: Unterbleibt die rechtzeitige Nachbearbeitung, weil der Unternehmer (hier: Maklerpool) dies zu vertreten hat, so bleibt der Provisionsanspruch des Vermittlers (hier: Makler) unberührt. Die Belastung des Provisionskontos des Maklers war hier somit nicht rechtens.

    Bedeutung für die Praxis

    Die Rechtsprechung hat sich in der Vergangenheit immer wieder mit der Frage der Stornogefahrmitteilung an Versicherungsmakler beschäftigen müssen. Und immer wieder ist es in den 1990-er Jahren zu obergerichtlichen Urteilen gekommen, die vom Grundsatz „der Versicherer schuldet dem Versicherungsmakler keine Stornogefahrenmitteilung“ abgewichen sind und dem Makler die strittige Courtage zugesprochen haben (OLG Frankfurt, Urteil vom 18.04.1997, Az. 24 U 115/95, Abruf-Nr. 99424; OLG Hamm, Urteil vom 21.01.1999, Az. 18 U 109/98, Abruf-Nr. 99447).

     

    Der BGH selbst war 2010 gefragt. Er hat damals schon im Einzelfall unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine Pflicht des Versicherers bejaht, notleidende Versicherungsverträge nachzubearbeiten und Stornogefahrmitteilungen zu versenden (BGH, Urteil vom 01.12.2010, Az. VIII ZR 310/09, Abruf-Nr. 110310). Mit der jetztigen Entscheidung hat er seine Rechtsprechung fortgeführt. Er hat sie dahingehend ergänzt, dass auch der Maklerpool zum Versand von Stornogefahrmittelungen an den Makler verpflichtet ist, insbesondere wenn der Makler nach Treu und Glauben in die Kooperation ähnlich eingebunden ist wie ein Versicherungsvertreter.

     

    PRAXISTIPP | Sind Sie ähnlich einem Vertreter in die Organisationsstruktur eines Maklerpools eingebunden, muss der Pool an Sie rechtzeitig Stornogefahrmitteilungen schicken. Diese sind ausnahmsweise entbehrlich, wenn eine ordnungsgemäße Bearbeitung von vornherein nicht erfolgversprechend gewesen wäre. Dies ist etwa der Fall, wenn der VN zahlungsunfähig ist oder das versicherte Interesse wegfällt.

     
    Quelle: Ausgabe 10 / 2021 | Seite 5 | ID 47603442