· Fachbeitrag · AGG
Keine Diskriminierung wegen des Geschlechts bei Kündigung ohne Kenntnis der Schwangerschaft
von RA Prof. Dr. Tim Jesgarzewski, FA ArbR, Prof. Dr. Jesgarzewski & Kollegen Rechtsanwälte, Osterholz-Scharmbeck, FOM Hochschule Bremen
Wird einer ArbN gekündigt, ohne dass Kenntnis von ihrer Schwangerschaft bei Zugang der Kündigungserklärung besteht, so ist weder die Kündigung selbst noch ein „Festhalten“ an der Kündigung Indiz für eine Benachteiligung wegen des Geschlechts (BAG 17.10.13, 8 AZR 742/12, Abruf-Nr. 133556). |
Sachverhalt
Der ArbG hatte der ArbN fristgemäß in der Probezeit gekündigt. Die ArbN teilte mit, dass sie schwanger sei. Der ArbG wusste bei Ausspruch der Kündigung davon noch nichts. Die ArbN hat vom ArbG verlangt, dass dieser innerhalb einer Woche erklären solle, an der Kündigung nicht festzuhalten. Da der ArbG nicht reagierte, wurde im anschließenden Kündigungsschutzverfahren ein Anerkenntnis des ArbG abgegeben, nachdem die Schwangerschaft betriebsärztlich bestätigt worden war. Außergerichtliche Einigungsversuche waren zuvor gescheitert.
Damit war die Auseinandersetzung aber nicht beendet. Die ArbN begehrt nun die Zahlung von drei Bruttomonatsgehältern als Entschädigung, weil der ArbG keine Rücknahme der Kündigung erklärt habe und keine vergleichsweise Einigung zustande gekommen sei. Darin liege eine Diskriminierung wegen des Geschlechts, weil das Festhalten an der Kündigung trotz Kenntnis von der Schwangerschaft nur aufgrund des weiblichen Geschlechts der ArbN erfolgt sei.
Entscheidungsgründe
Das BAG ist dieser Argumentation nicht gefolgt. Weder die Kündigung selbst, noch das Festhalten an der Kündigung könnten eine Benachteiligung wegen des Geschlechts indizieren, wenn der ArbG im Zeitpunkt der Kündigung keine Kenntnis von der Schwangerschaft habe.
- Hinsichtlich der Kündigung scheitere eine Benachteiligung wegen des Geschlechts bereits an der fehlenden Kenntnis der Schwangerschaft. Wenn der ArbG nicht um die Tatsache der Schwangerschaft weiß, könne eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts auch nicht erfolgen. Es fehle an jedem benachteiligenden Element, da die Kündigung in keiner Weise an die Schwangerschaft, also das geschlechtsspezifische Merkmal, anknüpfen könne.
- Beim sogenannten „Festhalten“ an der Kündigung liege gleichfalls keine Diskriminierung vor. Dies folge daraus, dass rechtstechnisch eine Rücknahme der Kündigung nicht möglich ist. Aus dem Umstand, dass eine vergleichsweise Regelung nicht erfolgt sei, könne ebenfalls nicht auf eine Benachteiligung geschlossen werden, da im Fall die ArbN selbst keine hinreichende Rechtskenntnis über die Notwendigkeit einer einvernehmlichen Regelung zur Herbeiführung der beabsichtigten Rechtsfolge gehabt hätte.
Praxishinweis
Eine Diskriminierung wegen des Geschlechts setzt eine mittelbare oder unmittelbare Anknüpfung an das biologische Geschlecht voraus. Dies kann zwar durch eine Benachteiligung in Bezug auf eine Schwangerschaft der Fall sein, weil diese nur das weibliche Geschlecht betreffen kann. Die behauptete Benachteiligung muss jedoch eine Schlechterstellung aufgrund des vorgenannten Diskriminierungsmerkmals beinhalten.
Arbeitnehmerseitig müssen dafür objektive Indizien vorgetragen und bewiesen werden, die auf eine Benachteiligung schließen lassen. Solche objektiven Indizien setzen jedoch voraus, dass der ArbG zumindest Kenntnis von den äußeren Umständen der Diskriminierung hat. Dies ist nicht der Fall, wenn der ArbG gar nicht weiß, dass die ArbN schwanger ist. Er kündigt dann aus Motiven, die keinen Anhaltspunkt für eine Anknüpfung an die Schwangerschaft und damit an das Geschlecht beinhalten. Da es insoweit an jedem schlechterstellenden Element fehlt, kann keine Benachteiligung erkannt werden. Jeder Bezug zum Benachteiligungsmerkmal fehlt.
Dies ist auch für das „Festhalten“ an der Kündigung übertragbar. Eine Rücknahme der Kündigung scheidet bereits rechtstechnisch aus. Eine Pflicht zum Vergleichsabschluss lässt sich aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt konstruieren. Folglich kann in Ermangelung einer solchen Verpflichtung auch keine Benachteiligung durch Unterlassen erfolgen.
Merke | ArbG dürfen bei ihren Handlungen nicht gegen das Benachteiligungsverbot nach § 1 AGG verstoßen. In der Praxis besteht daher insbesondere bei Stellenbesetzungsverfahren die Gefahr von Entschädigungsansprüchen abgelehnter Bewerber. Doch auch darüber hinaus können ArbN Entschädigungen beanspruchen, wenn sie objektive Indizien für eine Benachteiligung beweisen können. Das kann sich auch aus den Begleitumständen einer Kündigung ergeben.
Weiterführende Hinweise
- Benachteiligung wegen der Weltanschauung: BAG in AA 13, 169
- Jesgarzewski: Neues zum Auskunftsanspruch nicht berücksichtigter Stellenbewerber: AA 13, 125
- „Berufs- versus Familienplanung“: Diskriminierung aufgrund des Geschlechts? Arbeitsgericht Düsseldorf in AA 13, 170