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  • · Fachbeitrag · Urlaub

    Keine Urlaubsansprüche während des Sabbaticals

    | Urlaubsrechtlich besteht für die Zeit der völligen Freistellung im Sabbatical kein gesetzlicher oder tarifvertraglicher Anspruch auf Erholungsurlaub. Da der gesetzliche Urlaubsanspruch jahresbezogen zu ermitteln ist, ist bei einer geringeren völligen Freistellung als 12 Monate der Urlaubsanspruch für das betreffende Jahr zeitanteilig zu berechnen. |

     

    Sachverhalt

    Die Parteien streiten um Urlaubstage. Die Klägerin ist beim beklagten Land als Angestellte im allgemeinen Verwaltungsdienst beschäftigt. Es gelten kraft vertraglicher Inbezugnahme die TV-L. Die Klägerin erzielt einen monatlichen Bruttoverdienst bei einer Teilzeittätigkeit während des Sabbaticals von knapp über 3.640 EUR. Ende 2019 schlossen die Parteien einen Änderungsvertrag, in welchem es unter anderem heißt:

     

    • Vertragsinhalt

    § 1

    • 1. Frau A nimmt in der Zeit vom 1.11.19 bis 30.9.22 am Sabbatical teil.
    • 2. Während der Gesamtdauer des Sabbaticals nach Absatz 1 gilt die Beschäftigte in einem Arbeitszeitumfang von 65,26 v. H. der regelmäßigen durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit einer Vollbeschäftigten als Teilzeitbeschäftigte im Sinne des § 24 Absatz 2 TV-L.
    • 3. Die Beschäftigte erhält während der Gesamtdauer des Sabbaticals entsprechend dem in Absatz 2 vereinbarten Umfang der Teilzeitbeschäftigung anteiliges Entgelt.
    •  

    § 2

    • 1. In der Zeit vom 1.11.19 bis 30.4.22 (Ansparphase) beträgt der Arbeitsumfang 76,14 v. H. der regelmäßigen durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit einer Vollbeschäftigten.
    • 2. Die Beschäftigte wird in der Zeit vom 1.5.22 bis 30.9.22 von der Arbeit freigestellt (Freistellungsphase). …“
     

    Während der Ansparphase arbeitete die Klägerin 30 Stunden wöchentlich an fünf Tagen in der Woche. In der Urlaubsplanung für 2022 ist grundsätzlich ein Urlaub von 30 Tagen ausgewiesen. Im Laufe des Jahres 2022 erhielt sie die Auskunft, dass ihr Urlaubsanspruch für den Zeitraum der Freistellungsphase gekürzt werde. Sie bat den ArbG um Bestätigung, dass der Urlaubsanspruch nicht gekürzt werde. Das Land wies dies zurück. Mit ihrer Klage beansprucht sie weitere 14 Urlaubstage für das Jahr 2022.

     

    Entscheidungsgründe

    Das LAG Berlin-Brandenburg (16.2.24, 1 Sa 1108/23, Abruf-Nr. 241599) wies die Berufung der Klägerin zurück. Die Kammer folgte dem Arbeitsgericht Berlin und stellte klar: Das Arbeitsgericht Berlin habe zu Recht auf die EuGH-Entscheidung Hein (13.12.18, C-385/17) hingewiesen. Die Entscheidung sei jedoch nur ein relatives Ende der ständigen EuGH-Rechtsprechung zum Urlaubsanspruch für das Kalenderjahr bei Ruhen von Arbeitspflichten im ganzen Jahr bzw. in Teilen davon.

     

    Bereits die Entscheidung des EuGH (8.11.12, C-229/11 und C-230/11 „Heimann und Tolschin“) habe klargestellt, dass bei „Kurzarbeit Null“ auf den Urlaubsanspruch für die Zeiten der Suspendierung der Leistungspflichten der Vertragsparteien der pro-rata-temporis-Grundsatz anzuwenden sei. Das heißt, dass Zeiten der Suspendierung der Arbeitspflicht als Zeiten der Nichtarbeit den Anspruch auf Urlaub ratierlich schmälern. Der EuGH verwies ausdrücklich auf die Situation bei vorübergehenden Teilzeitbeschäftigungen, da die Situation bei Kurzarbeit Null mit der Situation von Teilzeitbeschäftigungen vergleichbar sei. Diese Rechtsprechung habe der EuGH seitdem ständig erneuert und wiederholt.

     

    Sowohl in der Sache Hein als auch im Fall Dicu (EuGH 4.10.18, C-12/17) bei der Elternzeit und in den Fällen QH ./. Varhoven und CV ./. Iccrea Banca (25.6.20, C-762/18 und C-37/19) habe der EuGH stets entschieden, dass ‒ bis auf die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit oder des Beschäftigungsverbots für Schwangere ‒ die Ansprüche auf bestehenden Jahresurlaub „grundsätzlich anhand der auf der Grundlage des Arbeitsvertrags tatsächlich geleisteten Arbeitszeiträume zu berechnen seien“.

     

    Der 9. Senat des BAG habe sich der EuGH-Rechtsprechung für das deutsche Urlaubsrecht angeschlossen. Das BAG (3.12.19, 9 AZR 33/19, Abruf-Nr. 215029) habe dieses auf die Altersteilzeit angewandt und entschieden, dass einem ArbN für die Freistellungsphase aufgrund der bei Altersteilzeit im Blockmodell allein in der Arbeitsphase bestehenden Arbeitspflicht kein gesetzlicher Anspruch auf Erholungsurlaub zustehe. Der gesetzliche Urlaubsanspruch sei für den Zeitraum der Altersteilzeit nach § 3 Abs. 1 BUrlG jahresbezogen zu ermitteln. Abzustellen sei auf die für das gesamte Urlaubsjahr arbeitsvertraglich vorgesehene Verteilung der Arbeitszeit auf die Wochentage.

     

    Mit der Entscheidung, das Arbeitsverhältnis als Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Blockmodell fortzuführen, würden die Arbeitsvertragsparteien eine Vereinbarung über die Verteilung der Arbeitszeit für den Gesamtzeitraum der Altersteilzeit treffen. Diese verpflichte den ArbN allein in der Arbeitsphase zur Arbeitsleistung und entbinde ihn in der Freistellungsphase von vornherein von der Arbeitspflicht. Vollziehe sich der Wechsel von der Arbeits- zur Freistellungsphase im Verlauf des Kalenderjahres, müsse der gesetzliche Urlaubsanspruch nach Zeitabschnitten berechnet werden.

     

    So seien diese Grundsätze auch auf das vorliegende Sabbatical zu übertragen. Danach sei der gesetzliche wie der tarifliche Urlaubsanspruch für den Zeitraum des Sabbaticals jahresbezogen zu ermitteln. Abzustellen sei auf die für das gesamte Urlaubsjahr arbeitsvertraglich vorgesehene Verteilung der Arbeitszeit auf die Wochentage. Mit der Entscheidung, das Arbeitsverhältnis als Sabbatical im Blockmodell für eine befristete Zeit fortzuführen, würden die Parteien eine Verteilung der Arbeitszeit für den Gesamtzeitraum des Sabbaticals vornehmen. Diese verpflichte den ArbN allein in der Arbeitsphase zur Arbeitsleistung und entbinde ihn in der Freistellungsphase von vornherein von der Arbeitspflicht. Vollziehe sich der Wechsel von der Arbeits- zur Freizeitphase im Verlauf des Urlaubsjahres, müsse der gesetzliche Urlaubsanspruch dann nach Zeitabschnitten berechnet werden.

     

    Es sei daher nicht richtig, wenn die Klägerin erneut meine, dass ihre Leistung in der Ansparphase eine Mehrarbeit im Sinne von § 7 Abs. 6 TV-L sei. Die Parteien hätten im Änderungsvertrag vereinbart, dass die Klägerin während der Gesamtdauer des Sabbaticals in reduziertem Arbeitsumfang als Teilzeitbeschäftigte im Sinne von § 24 Abs. 2 TV-L arbeite. Es gehe um den Aufbau eines Wertguthabens bzw. die Erarbeitung eines Zeitguthabens, welches es der Klägerin ermögliche, die spätere Freistellung beanspruchen zu können.

     

    Relevanz für die Praxis

    Die Entscheidung schafft Klarheit, was die generelle Kürzung von Erholungsurlaubsansprüchen in der Freistellungsphase des Sabbatical angeht. Doch wie wird eine solche Kürzung in der Praxis bei (unterstelltem) Gleichlauf von gesetzlichen und tariflichen Urlaubsansprüchen eigentlich berechnet? Fällt die Freistellungsphase in den Zeitraum vom 1.5. bis zum 30.9.22 und stehen der ArbN insgesamt 30 Urlaubstage im Rahmen einer 5-Tage-Woche zu, sind für die 5-monatige Freistellung 12,5 Urlaubstage in Abzug zu bringen. Daher beträgt der verkürzte Anspruch für 2022 17,5 Urlaubstage. Diese sind nach § 3 Abs. 2 BurlG auf volle, insgesamt 18 Urlaubstage, aufzurunden.

     

    Rechtsprechungsübersicht / Wichtige EuGH-Entscheidungen zum Thema Urlaub

    EuGH 13.12.18, C-385/17, Abruf-Nr. 215758

    Tägliche Urlaubsvergütung darf bei Kurzarbeit nicht gemindert werden (betraf den BRTV Bau).

    EuGH 8.11.12, C-229/11 und C-230/11 Heimann und Tolschin, Abruf-Nr. 131556

    Kurzarbeit führt zu einer Kürzung des Jahresurlaubs.

    EuGH 4.10.18, C-12/17, Abruf-Nr. 206683

    EuGH bestätigt Möglichkeit, Zeiten der Elternzeit von der Berechnung des Jahresurlaubs auszuschließen.

    EuGH 25.6.20, C-762/18 und C-37/19 - QH ./. Varhoven und CV ./. Iccrea Banca

    Ein ArbN hat für den Zeitraum zwischen seiner rechtswidrigen Entlassung und der Wiederaufnahme seiner früheren Beschäftigung Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub oder bei Beendigung seines Arbeitsverhältnisses, auf eine Vergütung als Ersatz für nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub.

    EuGH 6.11.18, C-684/16 und C-619/16, Abruf-Nr. 205301

    Ein ArbN darf seine erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub nicht automatisch deshalb verlieren, weil er keinen Urlaub beantragt hat.

     EuGH 25.11.21, C-233/20,

    NZA 22, 105

    Nationale Regelungen, nach denen einem ArbN, der sein Arbeitsverhältnis gekündigt hatte, die ausstehende Urlaubszeit dabei jedoch nicht ausgezahlt wurde, stehen dem Unionsrecht entgegen. Denn Artikel 7 der Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung in Verbindung mit Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sei dahin auszulegen, dass eine Urlaubsersatzleistung für das laufende letzte Arbeitsjahr auch dann gebührt, wenn der ArbN das Arbeitsverhältnis ohne wichtigen Grund vorzeitig einseitig beendet.

    EuGH 22.9.22, C-120/21; C‑518/20 und C‑727/20, Abruf-Nr. 231426

    Bei einer Langzeiterkrankung entfällt die Informationsobliegenheit des ArbG nicht, wenn der ArbN im Urlaubsjahr jedenfalls teilweise arbeitsfähig war.

    EuGH 18.1.24, C-218/22, Abruf-Nr. 240138

    ArbN, die vorzeitig aus dem Dienst ausscheiden und nicht ihren gesamten Jahresurlaub nehmen konnten, haben einen Anspruch auf finanzielle Vergütung.

     
    Quelle: Ausgabe 09 / 2024 | Seite 148 | ID 50128419